Nach all den erstklassigen Gangsterfilmen, welche Hollywood von Anfang der 70er bis in die mittleren 90er hervorgebracht hat, stellt sich zurecht die Frage, ob „Donnie Brasco“ zwingend notwendig war, zumal Regisseur Mike Newell eher für romantische Komödien bekannt ist. Im Grunde genommen hat der hier alles richtig gemacht, weil er in allen Bereichen auf Nummer sicher ging, restlos zufriedenstellend ist das Ganze aber dann doch nicht.
Am dringlichsten stellt sich die Frage, weshalb eine derart merkwürdige Erzählweise gewählt wurde, die zunächst auf jegliche Charakterisierungen und eine anständige Einführung verzichtet. Pistone ist von Anfang an Undercover-Agent, über seine Vorgeschichte, geschweige denn seine Motivation, erfährt man nichts. Dafür wird sein Privatleben zu ausführlich beleuchtet, denn aufgrund seines heißen Jobs kriselt die Ehe natürlich, was uns aber kaum interessiert, weil in so gut wie jedem Film, in dem ein verdeckter Ermittler am Werk ist, dasselbe Problem auftaucht. Über das Leben der anderen Mafiosi wird man genauso wie Pistone erst von Lefty informiert, der seit Jahren im Geschäft ist, aber nie richtig Fuß fassen konnte. Gleichzeitig ist das die einzige Figur mit ein wenig Profil, dessen Privatleben einen interessiert, auch deshalb, weil Pacino hier mal nicht der mächtige Gangsterboss mit glänzenden Autos und scharfen Schnitten ist, sondern innerhalb des Syndikats nur einen kleinen Fisch abgibt, der in ärmlichen Verhältnissen lebt und ständig der Gefahr aus den eigenen Reihen ausgesetzt ist.
Natürlich ist es nicht unspannend zu beobachten, wie Pistone langsam das Vertrauen der Bosse gewinnt und deren Verhaltensmuster immer mehr annimmt, was sich schließlich zu einem packenden Gewissenskonflikt entwickelt. Soll er gemäß den Richtlinien seines Jobs handeln und Freund Lefty auffliegen lassen, was dessen sicheren Tod bedeuten würde, oder riskiert er sein eigenes Leben für Leftys Rettung? Leider schweift der Film immer wieder ins langweilige Privatleben Pistones ab oder gerät zu klischeehaft. So verkommt beispielsweise der scheinbar immer heisere Michael Madsen zur Karikatur eines Gangsters und auch die Kleidung der Mafiosi bedient mühelos jedes Vorurteil (große Sonnenbrillen, Hüte, Mäntel).
Ansonsten glänzt der bemerkenswert actionarm inszenierte Film (bis auf ein äußerst brutales Blutbad in einem Keller) durch Routine. Mit Johnny Depp und Al Pacino ging man kein Risiko ein, denn Pistone ist ein derart profilloser FBI-Agent, dass Depp zu keinem Zeitpunkt sein Leistungspotential komplett ausschöpfen muss und der gute Al ist in so einer Rolle eh schon immer ein Selbstläufer gewesen. Madsen verkauft sich deutlich unter Wert, Anne Heche als Pistones Ehefrau ist wie der gesamte Subplot um die Beziehungskrise völlig verschenkt. Newell verpasste der Geschichte den passenden Look, indem er fast ausschließlich in Hintergassen und dreckigen Clubs drehte, mit Ausnahme der Florida-Episode, sodass immerhin ein wenig Atmosphäre entsteht.
„Donnie Brasco“ kann man als Meisterwerk bezeichnen – wenn man im Genre überhaupt nicht bewandert ist, denn obwohl souverän inszeniert, ist Newells Film zu risikoarm und bietet zuwenig Neues, um wirklich mitzureißen, weshalb das einem Vergleich mit Scorsese oder Coppola niemals standhalten kann. Erinnert irgendwie an Depps späteren „Blow“, der gut unterhielt, aber mindestens 15 Jahre zu spät dran war, weshalb ihn niemand mehr brauchte.