Staffel 4
Staffel 4
Familienzusammenführung mit Hindernissen
Jahrelang stießen die Fans der Kultserie Stoßgebete in den Himmel: bitte lieber Filmgott, lass "Arrested Development" eine Fortsetzung finden. Ob als Kinofilm, neue Staffel oder Spin-Off - selten war man sich so einig, dass es das nicht gewesen sein kann. Außer vielleicht bei "Firefly", entwickelte sich nirgendwo anders über die Jahre so eine hartnäckige Fanbase. Ich schloss mich da, mit etwas Verspätung, köstlich amüsiert von den ersten drei Staffeln, an. Gehörten diese doch zum Besten, was es comedytechnisch je gab. Und da der Filmgott momentan scheinbar ein Abo bei Netflix hat, erhörte der Streaming-King die Fans & arrangierte eine vierte Staffel. Satte 8 Jahre nachdem Michael, Gob, Tobias Fünke & Co. in voreilige Frührente geschickt wurden. Doch da der Film- bzw. Seriengott scheinbar ebenfalls Sinn für (sehr sarkastischen) Humor hat, ließ er diese Staffel wieder eher bescheidenen Erfolg & Reputation genießen, weder von Fans noch von Neueinsteigern. Und wieder einmal steht das Schicksal der Bluth-Familie in den Sternen bzw. sieht es eher mies aus, obwohl zuerst ganze drei neue Staffeln plus ein Film geplant waren. Diese Zeitraffer-Staffel sollte nur der Anfang sein. Das waren die Pläne von vor 2-3 Jahren - ein Trauerspiel. Wieder mal.
Dabei ist Staffel 4 gar nicht so übel - klar, mit den meisterhaften Ur-Staffeln nicht zu vergleichen, doch trotzdem weit über Comedy-Schnitt. Mutig, neuartig, genial. Wenn auch etwas erzwungen. Einfach ganz anders. Wie könnte sie das auch nicht, nach fast einem Jahrzehnt Pause. Als Fan genießt man es trotzdem extrem, endlich zu sehen, wie es mit den einzelnen Charakteren weiterging. Allein schon weil diese schräge Familie so einzigartig ist, haben Fans genug Spaß. Angesetzt wird sofort nach der letzten Episode der dritten Staffel - allerdings ist die neue Staffel (auch auf Grund von Problemen alle Stars gleichzeitig ans Set zu bekommen) so verschachtelt & über Jahre der Erzähldauer gestreckt, dass man nicht nur viel Kaffee braucht um hier mitzukommen, sondern sich vor allem erstmal mit dem neuen System anfreunden muss. Es wird in Einzelepisoden, die sich jeweils mit einem der Charakter beschäftigen, deren Schicksal, von Lucilles Schiffentführung bis heute, erzählt. Doch die 16 Folgen kreuzen sich zeitlich, örtlich & thematisch so sehr, so oft, so wahnsinnig, so unübersichtlich, dass man bei der ersten Sichtung der Staffel kaum alle Gags & Zusammenhänge checken oder gar würdigen kann. Doch die Serie lebte ja schon immer von ihrem Wiederguckwert, abgesehen von den abgedrehten Charakteren, ihrem klug-dummen Humor, dem genialen Wortwitz & den etlichen Hollywood- & serieninternen Insidern.
Und all das, gibt es auch in Staffel 4. Plus eine mehr denn je ins Auge stechende Metaebene. Oft etwas flacher & mit Anlaufschwierigkeiten, nicht zuletzt durch die herausfordernde neue (Zeit-)Struktur, doch es gibt genug zu lachen. Vor allem hintenraus steigert man sich fast in alte Höhen, sodass eine erneute Einstellung der Serie weh tut. Wieder mal. Warum Staffel 4 viele erstmal enttäuscht, neben dem genialen aber schwierigen neuen Konzept (ich kann mich nur wiederholen), liegt ebenso auf der Hand. Während Gastauftritte dickster Hollywoodgrössen (anscheinend alle Fans der Serie) oder die Wiedersehenseuphorie des Casts ansteckend gut sind, gibt es eindeutig Schwächen im Script. Personen verhalten sich entgegen ihrem bisherigen Charakter, so ist Michael z.B. nun wesentlich unsympathischer oder Gob auf einmal schwul (trotzdem eine der besten Folgen der Staffel). Doch während diese drastischen Charakteränderungen noch zu verkraften oder auf die vergehende Zeit zu schieben wären, drücken unnötig zotige Witze, etwas zu übertriebene Wendungen & wenig Verbindungen zu den Originalstaffeln (inhaltlich), doch stark auf die Stimmung. Noch dazu war immer die Familie Bluth das Herzstück - und die ist hier nur einmal in ihrer vollen Pracht & Chaos zusammen. Und wie immer gilt: "Arrested Development" funktioniert nur im Originalton, auf deutsch geht super viel verloren.
Fazit: nicht mehr das alte AD, aber trotzdem einzigartig & oft sehr lustig. Starke Charakterabweichungen, ein holpriger, gewöhnungsbedürftiger Beginn & offensichtliche Probleme alle Stars unter einen Hut zu kriegen, vermiesen etwas die Stimmung. Für Fans trotzdem ein gern genommener Bonus. (7,5/10)