AUF DER SCHWELLE ZUM NEUEN HORROR
Ein halbes Jahr bevor William Friedkins The Exorcist ("Der Exorzist") im Dezember 1973 in die amerikanischen Kinos kam und trotz bzw. wegen seines Schockpotenzials, seiner kirchlich brisanten Exorzismus-Thematik mitsamt der sich daran entzündenden Kritik und Debatte und nicht zuletzt wegen seiner technischen Raffinesse, für die er unter anderem zwei Oscars für Drehbuch und Ton erhielt, zu einem innovativen Meilenstein des Horrorfilms wurde, bemühte sich ein britischer Film ebenfalls, dem Genre eine modernere Form zu geben - was in diesem Fall jedoch nicht funktionierte. The Legend of Hell House ist den Schritt, den Friedkin tat, bei weitem nicht so konsequent gegangen: der Film verzagt halbherzig mitten auf dem Weg vom Grusel der 60er zum Horror der 70er Jahre.
Dabei hatte Drehbuch- und Romanvorlage-Autor Richard Matheson ursprünglich Großes anvisiert: Richard Burton und Elizabeth Taylor sollten die Hauptrollen spielen, wodurch der Film eine wahre Starbesetzung bekommen hätte, auch wenn das berüchtigte Schauspielerpaar damals über den Zenit ihrer gemeinsamen Arbeit wie auch ihrer Ehe längst hinaus war. Stattdessen nahm Produzent James H. Nicholson, der als Mitbegründer der American International Pictures umfassende Erfahrung in Sachen Horrorfilm hatte, das Filmprojekt mit, als er seine eigene Filmproduktion gründete. Er realisierte den Stoff nicht in Amerika, sondern in England, weshalb Matheson das ursprüngliche Setting (New England) umarbeitete. Und statt großer amerikanischer Stars bekam der Film eine Besetzung versierter, britischer Fernsehschauspieler.
Damit ist auch erkennbar, woher dieser Film kommt: Nicholson hatte ebenso wie Richard Matheson mit Roger Corman, der zentralen Person des B-Movies und Horrorgenres in den 50er und 60er Jahren, zusammengearbeitet. Abgesehen von den Parallelen zu The Exorcist, zu denen auch das Motiv der Besessenheit und des Sprechens in fremden Zungen und damit eine religiöse Ebene gehört, erinnert Einiges in The Legend of Hell House durchaus an die Corman-Klassiker mit Vincent Price: die düsteren, nebelverhangenen, katzenbelebten Aussenansichten des Spukschlosses, die Spinnweben allerorts wie die gesamte Inneneinrichtung (das Production Design stammt übrigens von Robert Jones, der z.B. für Cormans The Masque of the Red Death ("Die Maske des roten Todes") gearbeitet hatte), die langsamen Kamerafahrten, die den Räumen Tiefe geben. Während Cormans Klassiker jedoch historisierende Kostümfilme sind, tritt in The Legend of Hell House nun die Moderne in den bespukten Raum. Ein kleines Expertenteam wird von einem alten, reichen Mann in das herrschaftliche Gemäuer geschickt, um herauszufinden, was es mit dem Spuk darin und einem Leben nach dem Tod auf sich hat und warum bislang nur eine Person derartige Unternehmungen an diesem Ort halbwegs schadlos überstanden hat. Darin greift der Film auf, was zehn Jahre zuvor Robert Wise in The Haunting ("Bis das Blut gefriert") ausgeführt hat: die Investigation des Irrationalen - hier nun sowohl naturwissenschaftlich durch den Physiker, wie auch metaphysisch durch ein Medium. Beide Herangehensweisen stehen im Konflikt zueinander, am Ende werden beide irgendwie Recht behalten, zur Synthese gebracht durch den ebenfalls zum Team gehörenden Überlebenden der früheren Erkundungsmission, der im Gegensatz zu seinen Zwangspartnern wesentlich introvertierter beobachtet, was im Haus geschieht.
Was nun im Haus, das im Film als "Mount Everest of haunted houses" bezeichnet wird, alles geschieht, gehört allerdings zum altbackenen Repertoire des Gruselfilms und ist Ursache dafür, dass dem Film die Modernisierung misslingt, die The Exorcist schafft. Wenn da ein Geist erbost Dinge durchs Schlafzimmer wirbelt, bevor er beleidigt die Tür aufreißt und hinter sich zuknallt, dann beängstigt das weniger als es an pubertierende Unsichtbare erinnert. Ab und zu fliegt den Investigatoren also etwas um die Ohren, teils lebensbedrohlich, aber eine Spukatmosphäre kommt dabei nicht auf. Vielleicht will der Film das auch nicht, denn immerhin beschreibt er die Chronologie der innerhalb einer Woche stattfindenden Untersuchung des Hauses akribisch mit Datums- und Uhrzeiteinblendungen. Da ist dann der Titel, der von einer Legende des Spukhauses spricht, in Relation zum sachlich ausgeführten Bericht der Ereignisse im Film selbst eher irreführend. Und die am Ende gefundene Erklärung für die Heimsuchung, der Kern des Spuks, der wie bei jedem ordentlichen Spuk in einer menschlichen Tragödie besteht, ist leider so albern, dass es schwer fällt, das ganze Brimborium darum Ernst zu nehmen.
Was den Film interessant machen kann, ist weniger seine Herkunft, d.h. die Tradition aus der er kommt, und schon gar nicht seine Spukgeschichte, sondern die Stoßrichtung, in die er ansatzweise geht und mit der er sich auf der Schwelle zu neuem Horror befindet. Das zeigt er beispielsweise durch den Authentizitätsgestus des Berichts, dem im Übrigen eine angeblich verifizierende Aussage über die glaubwürdige Möglichkeit der dargestellten Ereignisse als Texteinblendung vorangestellt ist, durch explizit sexuelle Aspekte in der Erzählung, die aber von Matheson für den Film abgeschwächt wurden, und auch durch die Tonspur, die neben traditionell instrumentierter Musik auch elektronisch generierte Klänge einsetzt, um tief rauschende Atmos herzustellen, Stimmen zu verfremden und schrille Schockakzente zu setzen. Ähnlich wie The Exorcist arbeitet der Film aber auch mit eindringlicher Stille, die ebenfalls den Realismuscharakter betonen will.
Wirklich überschritten hat der Film die Schwelle zum neuen Horror aber nicht. Trotz der angewandten Erzähltechniken bleibt The Legend of Hell House zu sehr der veralteten Filmtradition verhaftet, ist zu wenig beängstigend und bietet eine zu verquaste und uninteressant zusammengebastelte Story, als dass er es mit anderen Erneuerern des Genres aufnehmen könnte.