Review

Vermutlich der am meisten zu Unrecht untergegangene Film des letzten Jahres.
Ehrlich gesagt weiß so ziemlich niemand, warum Almost Famous strenggenommen weltweit gefloppt ist. Die Kritiker stimmten Lobpreisungen an, die Besetzung ist hervorragend, das Spiel mehr als eindrucksvoll, die Stimmung melancholisch-amüsant und doch wollte den Film kaum jemand sehen.

Vielleicht ist aber auch gerade keine Zeit für historische Stoffe aus den 70er Jahren, doch Filme wie "Summer of Sam" und "Boogie Nights" haben auch ihr Publikum gefunden. Allerdings lag deren Einspiel noch unter dem von "Almost Famous", genauso jedoch wie ihre Erwartungen. Cameron Crowes Verarbeitung seiner eigenen Vergangenheit wurde schon vor der Premiere hochgejubelt und als echter Oscar-Kandidat gehandelt, um dann nach einem ordentlichen Geheimtipstart im "Wide Release" in den USA nicht zu zünden.

Woran das liegt? Man kann es nur vermuten. Vielleicht ist ein Grund der fiktive Kern der Story, um den sich die wahren Erinnerungen Crowes herum anordnen. Crowe hat sich damals in den 70ern tatsächlich älter gemacht als er war, um dann als blutjunger Teenager für den Rolling Stone berühmte Rockbands auf Tour zu begleiten und seine Erlebnisse dann in einem der größten und meistumstrittensten Fachblättern veröffentlicht zu sehen. Wohl um einen Ego-Trip-Verdacht zu mindern, versteckt sich Crowe unter dem Pseudonym William Miller. Ebenfalls fiktiv ist die zu begleitende Rockband Stillwater, die es nie gegeben hat. Somit einem direkten Kontext beraubt, wirkt die autobiographische Geschichte aus ihrem Zusammenhang gerissen, auch wenn Crowe zahlreiche wahre Erlebnisse (mit anderen Rockstars) in den Film eingebaut hat.

Sehr real wiederum ist die Figur des berühmten Kritikers Roger Bangs, den es wirklich gegeben hat, ehe er Anfang der 80er den Drogentod starb. Auch wird stets von bekannten Stars gesprochen, doch der Film verweigert einen pseudo-realistischen Blick, indem er ein paar bekannte "Gesichter" am Rande einbaut. Diese Abgrenzung könnte als Fälschung bzw. kleiner Betrug angekommen sein. Ansonsten fällt mir kein wirklicher Grund für den Mißerfolg ein.

"Almost Famous" präsentiert nämlich davon abgesehen eine zutiefst bewegende Geschichte, einen Road Trip in die Rock-Vergangenheit der 70er hinein und aus der naiven Kindheit seines Protagonisten heraus. Crowe setzt unnachahmlich den Musik-Zirkus in Szene, versieht seinen Plot mit farbigen, schrägen, aber niemals unglaubwürdigen Charakteren, baut reichlich Komik und Tragik ein, die sich vollständig aus der Handlung ergibt und spult Inhalte ab, die man eben nicht schon aus Dutzenden anderer Filme kennt.
Man kann ohne weiteres sagen, er erweckt die erste Hälfte der 70er wieder zum Leben, zumindest einen Teil davon. Gleichzeitig verquickt er mehrere Handlungsstränge geschickt miteinander, die (nicht genehmigte und jungendrechtlich illegale) Mitreise von Miller bei der Tournee; die Probleme innerhalb der Band; den komplexen Charakter Russell Hammond; seine Beziehung zu dem "Bandsupport" (aka Groupie) Penny Lane; deren Beziehung zu William und nicht zuletzt dessen Bezug zu seiner Familie, eingefaßt in den Auftrag für den Rolling Stone. So entsteht ein komlexer Plot, der ständig Neues bietet und Klischee zum überwiegenden Teil herausläßt.

Schauspielerisch sind hier alle blendend aufgelegt: Patrick Fugit gibt einen höchst einfühlsamen Miller, den Frischling, in den wir uns alle einfühlen können, Crudup dagegen schafft es, in dem wirren Hammond Tiefe entstehen zu lassen. Frances McDormand liefert vergnügliche Mutter-Standards, wirklich eine Offenbarung ist jedoch Kate Hudson als Penny Lane, die wie für den Part gemacht scheint. Schön verkommen wie immer Philip Seymour Hoffmann als Bangs. Reichlich wunderbar gespielte Nebenparts verschönern das Ganze, vor allem die Groupies (Anna Paquin, Fairuza Balk) und die restlichen Bandmitglieder.

Passenderweise rutscht der Film nie direkt in Fake-Doku, Komödie, Tragödie oder Drama ab, sondern mischt die Stile zu einem Ganzen. Diese mangelnde Einordnung könnte auch zuviel bzw. zuwenig für ein Mainstreampublikum gewesen sein, die Kinoentscheidungen nur nach Genre oder Hauptdarsteller vornimmt.

Crowe konnte im Frühjahr schließlich den Drehbuch-Oscar mit nach Hause nehmen, während die übrigen vier Nominierten (u.a. Hudson und McDormand) leer ausgingen. Überhaupt schienen nur fünf Noms den Kritikern wenig, aber es liegt eine poetische Gerechtigkeit darin, daß Crowe gerade für die Niederschrift seiner Erinnerungen ausgezeichnet wurde. Allerdings funktioniert der Film auch ohne dieses Vorwissen problemlos.

Versehen mit einem wunderschönen Soundtrack, der zeitgemäße Hits mit eigens für diesen Film komponierten Rocksongs, die der Periode angepaßt wurden, kombiniert bietet "Almost Famous" beeindruckendes und im Gedächtnis bleibendes Kino, wenn auch nicht als "Feel Good Movie" zu betrachten, so immerhin als "Feel Alive Movie".
Ein erfreulicher Beitrag zur Filmgeschichte und sicher einer der 10 Filme von 2000, die man gesehen haben sollte (außer man hält die neueste Videopremiere von Van Damme immer noch für eine filmische Notwendigkeit). Gern auch nur zum Genießen: 9/10.

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