Review

Barfuss…

…ist ein wunderbares filmisches Kleinod, das (fast) ganz ohne Kitsch auskommt, einen liebenswerten Humor sein Eigen nennen darf und mich nicht zuletzt wegen seines hervorragenden Soundtracks voll und ganz überzeugt hat.
Anfangen möchte ich mit ein paar formalen Dingen, die mir sofort positiv ins Auge gestochen sind. So wurde dem Film schon durch den Einsatz unterschiedlicher Kulissen und Requisiten eine gewisse Zeitlosigkeit verpasst, die ihn von vorneherein der typischen Schwere deutschen Kinos befreit. Da fahren Autos aus den 20ern oder 30ern , sowie nigelnagelneue Limousinen. Unser „Held“ wohnt in einem 50er Jahre Kellerloch und Leilas blanke Füße laufen über PVC aus den 70ern oder 80ern.
Unterstützt wird diese Schwerelosigkeit auch von der Wahl der Farbfilter. Die Braun- und Gelbtöne schaffen Wärme und Geborgenheit – eines ist sicher, hier erwartet uns keine hundertste Variante von: unsere Gesellschaft ist schlecht und zum Tode verurteilt. Nein, hier kommt ein lebensbejahender Streifen, der auch einem bis dato frustrierenden Tag ein vergnügliches Happyend verschaffen kann.
Eine riesige Stärke des Films war für mich vom ersten Moment an auch die Charakterzeichnung. Denn selbst wenn Nick (Til Schweiger) am Anfang egozentrisch und ein wenig gleichgültig daherkommt, so merkt man doch schnell, dass er eigentlich ein netter Kerl ist, der nur noch erwachsen werden muss. Das mit dem Erwachsenwerden gilt auch aber doch ganz anders für Leila (Johanna Wokalek), wenngleich ich sie bereits von der ersten Szene an gern hatte, als sie den Raum betritt und mit ihren Zehen wackelt. Sofort ist klar, wie verspielt sie noch, und wie verletzlich sie dabei ist – dargestellt durch diese einfachen Bilder.
Immer wieder sind es dann ähnliche Einfälle, die zeigen wie hervorragend Til Schweiger hier als Regisseur gearbeitet hat. Er transportiert uns in diesem Film eine Fülle echter Emotionen nach Hause und das nicht nur durch eine wirklich unterhaltende Geschichte, sondern eben auch durch eine ausgefeilte Bildsprache und ein tolles Gespür für die richtige musikalische Untermalung. Die einzige kleinere inszenatorische Schwäche war dann kurz vor Schluss als die Handlung ein wenig zu schnell wird, um dann aber doch wieder toll zu Ende erzählt zu werden.
Zu Gute kam Schweiger bei seiner Regiearbeit sicherlich auch die traumhafte schauspielerische Leistung von Johanna Wokalek, der ich in jeder der 6304 Sekunden ihre Figur abgenommen habe und die dem Film mit einem charmanten Lächeln einen krönenden Abschluss geschenkt hat. Aber auch der viel gescholtene Schauspieler Til Schweiger hat mich auf ganzer Linie überzeugt. Ich, der ich aber ohnehin kein solch scharfer Kritiker von ihm bin, möchte es dann auch dahingestellt lassen, ob es daran gelegen hat, dass er sich möglicherweise selbst gespielt haben könnte. Mir hat er jedenfalls als Nick ausgezeichnet gefallen.
Außerdem kritisiert ja auch niemand Armin Rohde dafür, dass er wieder mal köstlichst sich selbst mimen durfte. Überhaupt waren die kleinen Gastauftritte der deutscher Fernseh- und Kinoprominenz zu meist für einen Lacher gut und haben auch mit dazu beigetragen, dass der Film nie ins Kitschige abgedriftet ist. Besonders gut gefallen haben mir Jürgen Vogel als Chef der Putzkolonne und Markus Maria Profitlich und Axel Stein als Gebrauchtwagenhändler in Familientradition.
Der emotional schönste Moment aber war die Szene auf dem Jahrmarkt, die die Zuneigung der beiden Hauptfiguren beinahe greifbar machte ohne dabei auf Küsse oder gar eine Bettszene zurückgreifen zu müssen. Obwohl, eine solche gab es ja dann doch, auch wenn sie entgegen der üblichen Standards nichts mit Sex zu tun hatte. Aber gerade durch solche Merkmale wird eben auch deutlich, welch außergewöhnliche Qualität dieser Film besitzt.

Alles in allem ein wunderbarer Film für beinahe Jedermann und deshalb 9/10 Punkte.

Wem der Film gefallen hat, könnte auch Freude an den Folgenden haben:

- Der Volltreffer
- Y Tu Mamá También
- Der Eisbär

Details
Ähnliche Filme