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Wenn der Thrill auf der Strecke bleibt

Verraten – ein Thriller, der diesen Titel trägt, aber in Wahrheit vor allem eins verrät: die Geduld des Publikums. 1988 kam der Film mit Debra Winger und Tom Berenger in die Kinos. Klingt erstmal nach einer soliden Paarung. Schließlich war Berenger zu dieser Zeit frisch im Gedächtnis durch seine Oscar-nominierte Performance in „Platoon“, und Debra Winger galt als eine der talentiertesten Schauspielerinnen ihrer Generation. Eigentlich ein Match, das Funken sprühen müsste. Doch wie das so ist: manchmal knistert es nur im Pressetext, auf der Leinwand bleibt alles erschreckend still.

Was sich als Politthriller tarnt, erweist sich als überaus behäbige Angelegenheit, die mehr mit gepflegtem Stillstand als mit nervenzerreißender Spannung zu tun hat. Verraten hat ungefähr die DNA eines Fernsehabends im Vorabendprogramm: durchschnittlich, spannungsarm, oberflächlich – ein Film, der in der Videothek der 90er Jahre vielleicht noch auf der „Thriller“-Regalreihe durchgegangen wäre, heute aber vor allem eines wirkt: angestaubt.

Ein Plot wie lauwarmes Spülwasser

Im Zentrum der Handlung steht FBI-Agentin Cathy Weaver (Debra Winger), die sich undercover in eine ländliche Gemeinschaft einschleust, um eine rechte Terrorzelle aufzudecken. Dort begegnet sie dem charismatischen Farmer Gary Simmons (Tom Berenger) – Familienvater, Patriot, Sympathieträger, zugleich aber mutmaßlich Teil jener Gruppierung, die im Visier der Ermittler steht. Zwischen beiden entspinnt sich eine Affäre, die im Spannungsfeld zwischen Pflicht und Gefühl, Loyalität und Verrat, oszillieren soll. Klingt erstmal brisant, klingt nach Konflikt, nach Gefahr, nach Drama. Doch statt ein Feuerwerk zu entfachen, plätschert die Geschichte so dahin wie ein Bach im Spätherbst: trüb, seicht und ohne Strömung.

Das Drehbuch von Joe Eszterhas, der später mit „Basic Instinct“ ein ganzes Genre elektrisierte, wirkt wie ein erster Entwurf, den niemand mehr überarbeiten wollte. Statt klarer Dramaturgie gibt es lose Episoden. Die Geschichte nimmt sich unendlich viel Zeit, ohne jemals wirklich in Fahrt zu kommen. Es fehlt an Höhepunkten, an dramaturgischen Zuspitzungen, an jener Unausweichlichkeit, die einen Thriller trägt. Man hat das Gefühl, die Szenen hängen aneinander wie die Perlen einer Kette – nur dass die Kette nirgendwohin führt.

Und genau das ist das Problem: Spannung, das Herzblut eines Thrillers, bleibt auf der Strecke. Statt Adrenalin gibt’s Kamillentee. Statt Herzklopfen bekommt man gleichmäßiges Gähnen. Es fehlt an Spannung und Drive. Dazu kommt, dass die Figuren keine Tiefe entwickeln. Winger spielt eine Undercover-Agentin, die zwar professionell wirkt, aber kaum ein Innenleben bekommt. Berenger gibt den rechtslastigen Farmer, der zwischen Familienidylle und extremistischer Ideologie schwankt – aber der Film wagt nie, diese Ambivalenz auszuleuchten. Themen wie Rechtsextremismus, fanatischer Patriotismus und die Kollision zwischen privatem Glück und politischer Radikalisierung werden zwar angerissen, bleiben aber im Halbdunkel. Nichts wird wirklich durchdrungen, nichts konsequent erzählt.

Inszenierung mit Staubschicht

Die Regie von Costa-Gavras, einem Regisseur, der sonst für politisch scharfe und brisante Filme bekannt war, wirkt erstaunlich altbacken. Visuell passiert hier wenig bis nichts. Die Kameraarbeit ist konventionell, der Schnitt unauffällig, die Bildsprache erstaunlich brav. Wo man mit packenden Kameraeinstellungen, intensiven Close-ups oder cleverer Schnittdramaturgie Spannung hätte erzeugen können, da bleibt der Film so statisch wie ein Familienfoto. Weder entsteht ein Gefühl der Bedrohung noch eine visuelle Dynamik, die den Film tragen könnte. Stattdessen wirkt Verraten wie ein Relikt aus einer Zeit, in der Fernsehthriller noch mit statischen Einstellungen und didaktischer Klarheit auskamen. Er wirkt angestaubt, als hätte man einen Thriller aus dem Konservenregal gezogen, bei dem das Haltbarkeitsdatum längst überschritten ist. Ein Museumsstück in 35mm.

Die einzigen Lichtblicke, im faden grau, sind die Darsteller. Debra Winger ist eine fantastische Schauspielerin, sie gibt selbst den blassesten Szenen so etwas wie Glaubwürdigkeit. Ihre natürliche Präsenz, ihre Fähigkeit, innere Konflikte sichtbar zu machen – das ist auch hier spürbar. Tom Berenger bringt wie immer seine physische Präsenz und diese leicht gefährliche Aura mit. Beide spielen solide, sogar überzeugend, wenn man bedenkt, dass ihre Figuren kaum Profil haben. Das größte Problem ist die fehlende Chemie zwischen den beiden. Ein Thriller, der eine Liebesgeschichte im Zentrum trägt, braucht Funken, braucht Leidenschaft, braucht das Gefühl, dass hier wirklich etwas auf dem Spiel steht. Doch zwischen Winger und Berenger bleibt es seltsam lau. Man nimmt ihnen die Gefühle nie wirklich ab.

Fazit

Am Ende ist „Verraten“ ein Thriller, der den eigenen Pulsschlag nie findet. Statt Nervenkitzel gibt’s gepflegte Eintönigkeit, statt packender Eskalation nur eine Aneinanderreihung von Szenen, die kaum Spuren hinterlassen. Die Geschichte verharrt in Bewegungslosigkeit, das Drehbuch bleibt oberflächlich, die Inszenierung bieder. Debra Winger und Tom Berenger spielen professionell, doch ihre Figuren bleiben blass, ihre Beziehung unglaubwürdig. Aus heutiger Sicht bleibt der Film damit vor allem eines: ein Relikt, das im Staub der Achtziger versinkt. Ein Thriller ohne Thrill – und das ist am Ende der eigentliche Verrat.

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