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"Hard Candy" ist einer der Filme, welche mit einer durchweg unkonventioneller Handlung und einem gerade zu groteskem Finale überzeugt. Die zwei Darsteller, auf die der Film zugeschnitten ist, sind beide brillant und überzeugen; mit Patrick Wilson's Charakter hat man im Laufe der Story sogar eine gewisse Art von Mitleid (vor allem die "Entmannungs-Szene" trägt viel dazu bei). Das macht ganz klar, welch schauspielerisches Talent sich hier verbirgt. 


Zur eigentlichen Story gibt es nicht viel zu sagen. Auf dem ersten Blick ist es wie ein unverfilmbares Buch aufgebaut, was definitiv Pluspunkte verdient. Die Story an sich ist relativ schnell erzählt. Ein 14-jähriges Mädchen lernt über das Internet einen älteren Herrn kennen, kurz darauf treffen sie sich in einem Café. Und wie es das Schicksal so will, gehen sie beide zu ihm nach Hause. Doch was dann geschieht, mit dem hätte sicherlich niemand gerechnet. Das "Date" gerät außer Kontrolle und ein provokantes Katz-und-Maus-Spiel beginnt. 

Ellen Page als 14-jähriges, scheinbares Opfer spielt unglaublich gut. Man nimmt ihr das zerbrechliche, sensible, aber auch geistig gestörte als auch psychisch instabile Mädchen in jeder Szene ab. Man kann sie quasi als Neudefinition eines Serienkillers sehen. Prompt avanciert sie nämlich zum Täter. Bleibt aber dennoch auch Opfer. Allerdings ist sie in dem Film kein verrückter Kannibale oder ein Geistesgestörter, welche Jagd auf Teenies macht. Nein, sie hat ganz andere Motive und ist auch nicht eine psychopatisch-typische Hollywoodfigur wie Jason Vorhees oder Freddy Krueger. 

Die Dialoge vom Drehbuchautor sind nicht immer gelungen, dennoch meistern die Akteure die etwas undurchsichtige Story. Regie-Neuling David Slade dagegen macht seine Sache gut und weitgehend fehlerfrei, nur die etwas aufgesetzte Bildkomposition nervt. Klar, sie ist quasi der Hauptgrund, weshalb der Film funktioniert und fesselt; aber die ein oder andere Szene lebt wirklich nur von den zwei Darstellern und da ist es nicht wirklich verzeihlich, wenn die Kamera wieder obligatorisch von links nach rechts fährt und ein ca. 4-sekündiges Schwarzbild erscheint. 

Er ist wie ein Kammerspiel aufgebaut oder eher wie ein Theaterstück geschrieben und teils sogar im selben Stil gefilmt. Keine Szene ist zu lang, nur leider sind einige recht kurz geraten. Den Schauspielern schaut man einfach verdammt gerne bei ihrer Darstellung zu.

Technisch ist der Film weitgehend einwandfrei. Wie bereits ist die hier angewandte Bildkomposition eine recht nette Idee, da die Sets stets die Farben haben, wie sich Ellen Page's Charaktere genau in dieser Situation zu fühlen scheint. Nervig aber ein wenig dennoch, da der Zuschauer so nie allein gelassen wird und nicht selbst interpretieren kann. Nichts desto trotz ist man nicht unterfordert, wenn man den Film anschaut. Es werden viele Fragen gestellt und nicht beantwortet, aber der Zuschauer sitzt hier nicht vor einem 08/15 Slasher Streifen. Man muss mitdenken, ein wenig die eigene Fantasie spielen lassen. Der wahre Grund, weshalb Ellen Page eigentlich Patrick Wilson verführt, ist recht plump und schlicht geraten. 

Die ganze Auflösung ist - um ehrlich zu sein - sehr flau und ist keineswegs auf dem Niveau des Films. 

Nun kommt die Frage, wieso "Keine Jugendfreigabe"? Nun, der Film ist definitiv harte Kost. Allein die ersten Szenen im Haus können einen sehr wütend stimmen. Patrick Wilson schenkt der 14jährigen Alkohol ein und lässt sie sogar einen eigenen Drink mixen. Auch sind die wenigen Folterszenen extrem realistisch sowie emotionsvoll gestaltelt, vor allem die Entmannungsszene ist nichts für schwache Nerven. Selbst wenn hier rein gar nichts gezeigt wird, bis auf einen kurzen Blick auf den Bildschirm. Selbst die Galgenszene gegen Ende des Films ist sehr drastisch dargestellt und lässt einem schier den Atem stocken. 

Der Film ist mutig, da beiden Charakteren ein Gesicht gegeben wird, so dass niemand wirklich der "Gute" oder der "Böse" ist. 

Als Ellen Page in einer Szene von Patrick Wilson in den Bauch geschlagen wird, so endet das nicht mit einem Knock-Out, sondern Page hält sich wirklich den Magen und schreit, um ihren Schmerz wirklichkeitsgetreu zu präsentieren. Diese Schmerzen sehen nicht gestellt aus, es ist, als sei dies wirklich gerade geschehen. Und das ist ein unglaubliches Talent. 
Die Folterszene in der Dusche passt für meinen Geschmack nicht wirklich in den Stil des Films, fesselt aber dennoch und ist der einzige plakative Schock, der den Film eingebaut hat. Er sieht zwar etwas nach dem typischen US-Horror aus.
Das Ende legt einiges an Spannung zu, wenngleich es etwas enttäuschend ausfällt. Die Auflösung ist nicht zwangsläufig glaubwürdig und definitiv nicht verdient. Man hat stets das Gefühl, etwas Spektakuläres müsse noch kommen. 
Zugegeben, das Finale ist nicht vorhersehbar, aber auch nicht befriedigend. Das ist meine Meinung. Kontrovers allemal, aber etwas flach.

Schlußwort.
"Hard Candy" ist ein psychisch ausgereifter sowie provokanter Schocker, der gekonnt mit der menschlichen Psyche arbeitet. Wer bei diesem Film keine Wut oder Trauer empfindet, ist emotionslos oder hat Eiswasser in den Adern. Kein Wunder, dass der Film etwas Geheimtipp blieb, da er sich keiner konventionellen Handlung verpflichtet fühlt.
Definitiv harte Kost, wenn auch auf recht humane Art und Weise. 

Sehr empfehlenswert!

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