Review

"The Wizard of Oz" ist immer noch ein Unikat der Filmgeschichte, ein Film, in dem Möglichkeiten ausgereizt und verschiedene Stilrichtungen miteinander kombiniert wurden und bei dem das Ergebnis trotzdem mehr als befriedigend war.

"Das zauberhafte Land" kombiniert auf unnachahmliche Weise Musical, Fantasy, Märchen und Road Movie mit ein wenig Abenteuerstory und schafft es, daß als kompatibel für alle Altersklassen unterzubringen.
Frank L.Baums Kinderbuch ist sicherlich schwer zu verfilmen, reich an ungewöhnlichen, wenn nicht verrückten Bildern. Trotzdem gelang dieser für 1939 extrem teuren Produktion die Umsetzung. Besonderen Reiz hat dabei die totale Künstlichkeit so ziemlich jeder Szene, die immer haarscharf dabei ist, im Kitsch zu ersaufen, ehe sie wieder den Dreh bekommt.

Nachgestellt schon die Rahmenhandlung, in der Dorothy (eine in Wirklichkeit für die Rolle schon zu alte Judy Garland) in Kansas wegen der drohenden Einschläferung ihres Hundes Toto durch die böse Miss Gulch, bei Familie und Angestellten um Zustimmung und Gehör wirbt, aber darauf verwiesen wird, den eigenen Kopf zu gebrauchen. Dieser moralische und erzieherische Grundton zieht sich durch den ganzen Film und beschließt den Rahmen am Ende auch wieder nach der Fantasyhandlung.
Nachdem sie von zuhause weggelaufen ist, trickst sie ein Wahrsager so geschickt aus, daß sie wieder heimkehrt, um dort einem Tornado zum Opfer zu fallen, der sie in das Land Oz schickt.

Dort angekommen wechselt der Film dann die Farbe und taucht die üppige Studiodekoration in knallige Technicolor-Töne, wo bisher schwarz-weiß vorherrschte (bzw. in einigen Kopien ist der Rahmen sepiafarben, also bräunlich). Die Heimkehr führt nur über den Zauberer von Oz und damit beginnt Dorothys "Road Trip" den gelben Steinweg entlang.
Der gewisse Kniff dabei ist, daß nahezu alle Personen aus der Rahmenhandlung in Oz wieder auftauchen. Die Farmgesellen, die eher unvernünftig oder nur handwerklich geschickt sind, werden zu Weggenossen als Vogelscheuche (kein Hirn), Zinnmann (kein Herz) und furchtsamer Löwe (kein Mut). Die Möglichkeit der Mängelbeseitigung führt zur Mitreise, während dieser alle deutlich unter Beweis stellen, daß sie von allem reichlich haben, wenn es darauf ankommt. Der Wahrsager kehrt schließlich als Zauberer zurück und die böse Miss Gulch ist als Hexe die Widersacherin Dorothys.
Natürlich schließt sich nach Abenteuern, Gefahren und Prüfungen wieder der Kreis und mit der Einsicht, daß Weglaufen nichts bringt, kehrt Dorothy zurück.

"The Wizard of Oz" ist in seiner Filmversion inzwischen ein Stück amerikanisches Kulturgut geworden. Der Musical-Score ist geradezu berauschend und nicht die Handlung unterbrechend. Stücke wie "Somewhere over the Rainbow" sind weltbekannt und andere Lieder wie "Off to see the Wizard" (gerade wieder in einer Jeansreklame verbraten) oder das vielzitierte "Ding Dong, the witch is dead" wurden ebenfalls Klassiker. Sprüche wie "'s ist nirgends schöner als zuhaus" oder "Toto, ich glaube nicht, daß wir noch in Kansas sind" werden bei allen Gelegenheiten angewendet.
Es ist kaum vorstellbar, daß man groß geworden ist und nicht einmal gesehen hat, wie Garland die Ziegelsteinstraße entlang geht.

Der besondere Reiz liegt aber, wie schon gesagt, in der totalen Künstlichkeit. Die Hintergründe sind nicht selten als gemalte Bilder identifizierbar, aber gerade ihr Farbreichtum und die geniale Berechnung sie in die Studiokulissen eingebettet sind läßt das vergessen. So ist denn auch die sich in alle Himmelsrichtungen erstreckende Straße oder die Fernansicht des Zaubererschloßes Einstellungen, die man nicht so leicht vergißt. Auch das finstere Hexenschloß wird noch vielen Grusel- und Abenteuerfilmen Vorbild gewesen sein.
So hat der Betrachter ein geradezu manisches Vergnügen beim Betrachten der Plastikblumen, des künstlich düsteren Waldes, des Mohnfeldes oder des Inneren des Zauberschlosses. Auch die Masken sind geradezu revolutionär gewesen: die Vogelscheuche trägt eine Gesichtsmaske, als wäre sie aus Stoff und läßt den Schauspieler doch vollkommen durchscheinen. Der Anzug des Zinnmanns ist regelrecht zugeschweißt und das Löwenkostüm war aus dem richtigen Material: echten Löwen.
Natürlich sind nicht alle Tricks perfekt, nicht selten sieht man die Fäden, an denen die Protagonisten hängen und die künstlichen Nachtvögel im "Haunted Forest" mit ihren Glühlampenaugen reizen auch eher zum Lachen. Aber wer will da meckern, wenn die Armee der Hexe aus fliegenden Affen besteht oder das Kutschpferd im Palast in jeder Einstellung die Farbe wechselt.

Da man also immer etwas zu entdecken hat, fällt meistens gar nicht auf, daß die eigentliche "spannende" Handlung um die roten Halbschuhe und den Hexenbesen in Rekordzeit abgespult wird, ehe eine ewig lange Verabschiedung folgt, die dann doch etwas süßlich geraten ist. Überhaupt trägt der Film mit seinen Botschaften sehr dick auf und die "Home-Sweet-Home"-Message ist die dickste überhaupt.

Trotzdem bleibt ein optisch knalliges Feuerwerk bestehen, für das viele eines Tages zu alt sein werden, aber ein wenig Wehmut sollte doch bei so einem Klassiker immer wieder aufkommen. Zwischen 6 und 10 sollte es aber jeden wegblasen und später hat man noch mehr Freude, weil man auch endlich die englischen Liedtexte versteht, die dankbarerweise nicht eingedeutscht wurden.

Eine Filmphantasie, die nie wiederholt wurde (weil sie im Kino auch kein richtiger Erfolg war) und die heutzutage in ihrer Naivität und ihrem Reichtum unerreicht bleibt. (10/10)

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