Review

Kürzlich schrieb ich etwas über den schlicht unfassbaren Film ADAMO ED EVA, bei dem Luigi Russo neben Enzo Doria, der den Film auch produzierte, als Regisseur auftrat. Unter dem Eindruck dieses Werks, das als Trash-Amüsement hervorragend funktioniert, jedoch als seriöser Film in allen Bereichen kläglich scheitert, betrachtete ich mir LA BELLA E LA BESTIA, den Russo einige Jahre zuvor inszenierte, und muss sagen, dass mir der Film alles andere als schlecht gefallen hat. 

LA BELLA E LA BESTIA besteht aus insgesamt vier kurzen Episoden, die in keinem inhaltlichen Zusammenhang stehen, wenn man mal davon absieht, dass in ihnen allen Sex und Erotik als mehr oder weniger wichtige Elemente eine Rolle spielen. Anzumerken ist, dass Luigi Russo sich bei der Struktur seines Werks und einigen rein formalen Ideen mehr als deutlich bei Walerian Borowczyk bediente. Vor allem LA BÊTE und CONTES IMMORAUX sind es, von denen Russo sich hat „inspirieren“ lassen. Allerdings sinkt LA BELLA E LA BESTIA nie auf die Stufe eines reinen Plagiats herab. An keiner Stelle wird zwar das künstlerische Niveau von den beiden Borowczyk-Filmen, die ich zu den erotischsten überhaupt zählen muss, die ich jemals gesehen habe, erreicht, und an einigen wenigen Stellen sind die Parallelen mehr als penetrant, wenn Russo es sich nicht nehmen lässt, sogar einzelne für den Polen typisch Einstellungen zu kopieren, im Großen und Ganzen ist LA BELLA E LA BESTIA jedoch ein völlig eigenständiger Film, der es meist gar nicht nötig hat, auf irgendwelche anderen Werke zu verweisen. 

Die erste Episode trägt den Titel LA SCHIAVA und spielt im 16.Jahrhundert zur Zeit des russischen Zaren Iwan des Schrecklichen. Besagte Sklavin ist ein Mädchen des Privatharems des Herrschers, dem er besondere Zuneigung schenkt. So weigert sie sich, mit ihm zu schlafen, als er sie zu einer Audienz bittet, und bindet Wünsche an den Sex, nach dem er verlangt. Anders als bei seinen übrigen Sklavinnen geht Iwan, der tatsächlich in das Mädchen verliebt zu sein scheint, auf ihre Forderungen ein und verspricht ihr, eine ihrer Bitten zu erfüllen. Die Sklavin möchte nur eins: einen Tag an seiner Stelle regieren. Der Zar knickt ein, streift sich seinen Regentenring vom Finger und überlässt ihn dem Mädchen. Ihre Ziele sind hehr. Sie will den Reichtum des Zaren an das Volk verschenken, lässt den Finanzminister herbeikommen und erteilt ihm den Auftrag. Geheime Winke Iwans unterrichten den Mann jedoch, dass er diesen Befehl nicht besonders ernst nehmen muss. Auch lässt sie sämtliche Sklaven und Gefangenen befreien und ein großes Festmahl für sie veranstalten. Iwan selbst muss für sie als Reittier herhalten, auf dessen Rücken sie sich durch den Palast trägen lässt. Am Ende des Tages holt der Zar dann seinen Teil der Ernte ein: sie schlafen miteinander. Am Morgen zieht der Herrscher der Schlafenden seinen Ring vom Finger, ruft seine Bediensteten herbei und befiehlt ihnen, das Mädchen in Stücke zu hacken und den Hunden zum Fraß vorzuwerfen. Der Film endet mit der Sklavin, die davon getragen wird, und einem zufrieden lächelnden Zar.
Die zentrale Rolle in LA SCHIAVA spielt Lisbeth Hummel, die wohl nicht zufälligerweise auch die Hauptrolle in LA BÊTE innehatte, und hier ebenso überzeugend agiert wie in Borowczyks Meisterwerk. Lisbeth Hummel, früher Model, heute Malerin, stellt die Sklavin als völlig emotionslos und unterkühlt dar. Ob Iwan sie anschmachtet, ob die Schar nackter Sklavinnen sich ihr zu Füßen wirft, um ihr für die Freilassung zu danken, ob sie mit einem schwarzen Sklaven Geschlechtsverkehr vor dem Zar praktiziert, um ihn ihre Überlegenheit für einen Tag spüren zu lassen, ihr Gesicht bleibt eine wunderschöne, jedoch unbewegte Maske. Die einzige Gefühlsregung zeigt das Mädchen in der Szene, als der Zar ihren Tag als Herrscherin für beendet erklärt und seinen Dienern den Befehl erteilt, sie wegzuschaffen und zu ermorden. Eine einzelne Träne quillt aus ihrem Auge, während sie weggetragen wird: ja, allein Lisbeth Hummels Performance hat die Episode für mich äußerst sehenswert gemacht. Was mir ebenso gefiel, war, dass der Schauspieler des Zaren teilweise mit dem Publikum zu kommunizieren scheint. Wenn die Sklavin eine neue Forderung ausspricht, die für seine Ohren unerhört klingt, dreht er sich oft mit entsetztem Gesichtsausdruck in Richtung Kamera. Auch der Wink, den er dem Finanzminister erteilt, damit der das Vermögen ja nicht, wie es die Sklavin wünscht, unters Volk zu werfen beginnt, wird beinahe direkt in die Kamera gegeben. Dass LA BELLA E LA BESTIA kein Film ist, dem ein besonders hohes Budget zur Verfügung stand, demonstriert die Einrichtung des Palasts, die Kostüme, der gesamte restliche Dekors, jedoch hat man sich hier, meiner Meinung nach, relativ erfolgreich aus der Affäre gezogen. Das Ambiente ist zwar weit von dem Prunk und der Opulenz eines Borowczyk entfernt, im Anbetracht der Mittel kann es dennoch als gelungen bezeichnet werden. Ebenso wie die Musik, die auf den ersten Blick völlig deplaziert erscheint und die jeweiligen Szenen beinahe kontrapunktisch untermalt. Ich kann es vorwegnehmen: in LA BELLA E LA BESTIA ist so einiges zu hören, was man sich bei einem solchen Film nicht unbedingt vorstellt. Von elektronisch-meditativen Klängen über wirren Progressive-Rock hin zu sanft dahinplätschernden Stücken, die man eher in einem Liebesfilm erwartet hätte. 

Mit ZOOERASTIA beginnt meine liebste Episode des Films, ebenfalls in Russland angesiedelt, diesmal allerdings, den Kostümen nach zu urteilen, im 18.Jahrhundert. Lisbeth Hummel, auch hier die Hauptperson und ebenso entzückend wie in LA SCHIAVA, spielt die junge Frau eines russischen Landadligen und Großgrundbesitzers. Immer öfter zieht es sie zum Pferdestall, wo sie sich zwischen den Rossen und Stuten einem bärtigen, animalisch aussehenden Knecht ihres Gatten hingibt. Als ihr Mann hinter diese Betrügereien kommt, ergreift er drastische Maßnahmen. Zunächst zwingt er seinen Bediensteten zum Selbstmord, dann ergreift er seine Frau und sperrt sie in einen Kerker der Villa. Dort ist sie allerdings nicht allein: zwei Doggen und ein Pferd gibt er ihr als Weggefährten in die Gefangenschaft mit, damit sie, wie er ausführt, unter ihresgleichen sei. Zunächst fürchtet das Mädchen sich vor den knurrenden Hunden und dem aufgeregten umher galoppierenden Pferd, versteckt sich vor ihnen hinter einem Eisentor. Durch eine Luke versorgt ihr Gatte die Tiere mit Gemüse und Fleisch. Das Mädchen, allmählich von Hunger getrieben, überwindet schließlich seine Furcht und gesellt sich nicht nur zu den Tieren, sondern wird immer mehr zu einem von ihnen, verliert ihre menschlichen Sitten, isst mit Händen und Füßen, stößt animalische Laute aus und ist den Hunden und dem Pferd in Zärtlichkeit zugetan.
Trotz des brisanten Inhalts wird in ZOOERASTIA auf jegliche Exploitation-Einschübe verzichtet. Dass man die Genitalien der Tiere in Großaufnahme zu sehen bekommt, ist das „Schockierendste“, was der Film bereithält. Auch der Sex, den das Mädchen anscheinend mit ihren tierischen Mithäftlingen hat, wird demnach einzig und allein angedeutet. Überhaupt wird der Sex in LA BELLA E LA BESTIA, trotz seines prominenten Stellenwerts, was die einzelnen Geschichten betrifft, zu keinem Zeitpunkt visuell ausgeschlachtet. Explizit wird es sowieso nie, doch selbst jeder Softporno wird eindeutigere Szenen bieten als die, denen man hier begegnet. Statt auf nacktes Fleisch oder besonders skandalöse Einblicke konzentriert sich Russo mehr auf Sinnlichkeit und Erotik. Dass eine der Sexszenen im Pferdestall sich vornehmlich aus Großaufnahmen von Details zusammensetzt, beispielsweise die Füße der Kopulierenden, die Nüstern der beobachtenden Pferde, Landschaften nackter Haut, die man keiner konkreten Körperregion zuordnen kann, ist freilich eine weitere Praxis, die man schon von Borowczyk kennt, doch Russo wendet sie derart geschickt an, dass es mich mehr als begeistert hat. Für Lisbeth Hummels Darstellung der Hauptperson gilt auch hier dasselbe: nicht nur, dass ihr splitternackter Körper eine Augenweide ist, vor allem in der Kerkerhaft, wenn ihre irre Blicke immer irrer werden und sie mehr und mehr alle menschlichen Verhaltensweisen abstreift, hat mir ihre Performance außerordentlich gut gefallen. 

Verglichen mit LA SCHIAVA und ZOOERASTIA empfand ich die letzten beiden Episoden nicht als wirklich schwach, jedoch etwas schwächer als ihre Vorgänger. In LA FUSTIGAZIONE steht erstmals keine Frau im Mittelpunkt der Handlung, sondern ein Junge, der wohl gerade erst die Pubertät erreichte, und masochistische Neigungen an sich entdeckt. Verantwortlich dafür sind unter anderem die Mutter, die er mit einem Liebhaber im Bett erwischt und dafür Schläge auf den Hintern erntet, und vor allem der Lehrer, dessen liebste Strafe es ist, den Knaben mit der Rute zu züchtigen. Der Junge weiht nicht nur seine Cousine in das Geheimnis ein, dass er das Schlafzimmer seiner Mutter durch ein unkenntliches Loch in der Wand überblicken kann und macht sie somit zu seiner Komplizen, während er regelmäßig das Liebesspiel zwischen ihr und ihrem Geliebten beobachtet, sondern verweigert bewusst dem Lehrer Antworten oder gibt falsche, um von ihm Rutenhiebe zu empfangen. Das alles gipfelt darin, dass er seine Cousine dazu anhält, ihn mit einer Peitsche zu bearbeiten. Alsbald treffen sich die Kinder zu heimlichen Zusammenkünften, wo der Junge seine sexuellen Phantasien auslebt.
LA PROMESSA handelt von dem Versprechen, das ein Mädchen einst einem Schulfreund abverlangte: er soll es sein, der sie entjungfert. Nun steht sie kurz vor der Heirat mit einem andern Mann und trifft sich mit ihrer Jugendliebe in einem Wald, wo sie ihn an sein Versprechen erinnert. Eine Nacht vor der Hochzeit lässt sie sich von ihm in ihrer Schlafkammer entjungfern, und das Ende suggeriert, dass ihnen, auch wenn sie nun mit einem Andern verheiratet sein mag, auch in Zukunft mehrere solcher geheimen Zusammentreffen bevorstehen.  

LA BELLA E LA BESTIA ist wahrlich nicht der übliche italienische Sexfilm, den man aus dieser Zeit erwarten könnte. Nicht nur, dass er wohl wesentlich professioneller und kunstvoller inszeniert wurde, als die meisten übrigen Vertreter dieses Genres, auch wirkt er zu keiner Sekunde voyeuristisch oder einzig darauf aus, irgendwelche sexuellen Gelüste zu befriedigen. Vielmehr ist LA BELLA E LA BESTIA ein äußerst erotisches Werk (ohne pornographisch zu werden), das mehr mit Kunstgalerien zu tun hat als mit Bahnhofskino. Tatsächlich wirken viele Bilder wie Gemälde: man möchte sie sich am liebsten übers Bett hängen. Über allem schwebt eine Stimmung wie man sie am ehesten aus französischer Literatur voriger Jahrhunderte kennt. Das Tempo ist gemächlich und müsste jeden Mainstream-Fan verschrecken. Hinzukommt, dass einige Episoden, am offensichtlichsten wohl LA PROMESSA, keine Geschichte im klassischen Sinn erzählen, sondern eher wie Stimmungsgedichte funktionieren, denen es nicht auf die Vermittlung eines bestimmten Inhalts ankommt. Man kann LA BELLA E LA BESTIA vorwerfen, dass er keine Botschaften transportiert und nur die ersten beiden Episoden über eine Pointe verfügen, andererseits muss man sich dann die Frage gefallen lassen, weshalb ein Film überhaupt eine Geschichte zu erzählen haben muss.
Statt eines roten Fadens, der die einzelnen Teile miteinander verbindet, werden daher am laufenden Band entzückende Szenen gebracht. Ein Mädchen, das ein Täubchen küsst, und eine hübsche Kamerafahrt über einen Wald in LA PROMESSA. In ZOOERASTIA die Szenen, in denen Lisbeth Hummel in den Wahnsinn gleitet, die ziemlich ungewöhnlich und wenig reißerisch inszeniert wurden. In LA SCHIAVA die vielen nackten Sklavinnen, die sich über den Thron ergießen, von dem aus Lisbeth Hummel ihnen die Freiheit schenkte. Und in LA FUSTIGAZIONE die Schlussszene, die eine grenzenlose Verzweiflung ausstrahlt, wenn die Kamera von dem Bett zurückfährt, wo der gefesselte und ausgepeitschte Knabe regungslos liegt, und daneben seine Cousine, die sich eben selbst befriedigt und jetzt ein Gesicht zur Schau trägt, das eine unbeschreibliche Leere ausdrückt.  

Ich hätte LA BELLA E LA BESTIA wohl mit mehr Punkten bewertet, wenn da nicht die Borowczyk-Entlehnungen wären, die vor allem in LA FUSTIGAZIONE nur knapp an der Schamlosigkeit vorbeischrammen. Die Szene, in der sich die Cousine am Pfosten eines Stuhls befriedigt, ist fast identisch mit einer aus LA BÊTE, wo ebenfalls ein Mädchen und ein Bettpfosten involviert sind. Und die Großaufnahme eines Mundes, über dessen Lippen ein Finger gleitet, sie dann vorsichtig penetriert, wurde 1:1 aus CONTES IMMORAUX übernommen. Andererseits hätte man, wäre der Film nicht so sehr anderweitig beeinflusst gewesen, vielleicht auf Lisbeth Hummel in den ersten Episoden verzichten müssen, was mehr als schade gewesen wäre.

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