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Nachdem Paul Schrader folgend seiner Abservierung als Regisseurs der Vorgeschichte zum all-time Kassenschlager "The Exorcist" eine Druckkampagne gestartet hat, ward den Studio-Granden bei Morgan Creek offenbar doch noch ein Einsehen und der echte „Exorzist 4“ konnte das Laserlicht der digital versatilen Player erblicken. Immerhin hatte man ja auch schon dafür gelöhnt, und das nicht zu knapp. Die absurde und einzigartige Situation, von einem Stoff zwei komplett separate Filme zu haben ist aber filmtheoretisch fast schon ein Glücksfall zu nennen, denn wann hat man denn jemals zwei so direkte Vergleichswerte? Remakes können dem nur bedingt gerecht werden, weil meist ein ausschlaggebender Zeitfaktor dazwischen liegt. Renny Harlin hatte über 50% der Besetzung ausgetauscht und ein komplett neues Drehbuch verwendet, so dass man dennoch von 2 komplett verschiedenen Filmen sprechen muß und nicht nur von zwei Schnittfassungen oder Versionen.
Zum ersten fällt auf, wie grundlegend und direkt der Einfluß des Drehbuchs auf die Qualität des Films ist. Meist wird in Kritiken das Hauptaugenmerk auf Regisseur und Darsteller gelegt, doch das Drehbuch ist zunächst der Hauptfaktor. William Wishers und Caleb Carrs originales Script ist erstaunlich linear – ich hätte eher vermutet, dass umgekehrt Harlins Film der geradlinigere wäre, doch offenbar versuchte man verzweifelt, eine etwas dröge Geschichte durch chaotische Restrukturierung mehr Spannung abzugewinnen. Immerhin ist im gegebenen Fall die chronologische Abfolge der Geschichte als Positivum zu verbuchen, denn „Dominion“ beginnt mit der ausschlaggebenden Szene im Ghetto, die zur großen Schuld Lancaster Merrins führt. Ein Scherge der abziehenden Waffen-SS wird ermordet und der Kommandant droht, alle Juden zu erschießen, wenn nicht Merrin den „Schuldigen“ benennt. Dieser zögert und als der Kommandant zur Unterstreichung seiner Forderung ein Mädchen erschießt, wählt Merrin alte Männer, um den Rest zu retten. Doch die bösen Nazis haben natürlich nie einen Deal vorgehabt und bringen dennoch alle um.
Die Sequenz ist sehr eindrücklich gelungen und so wird die düstere und zurückhaltende Figur Merrins bei den Ausgrabungen in Somalia gleich zu Anfang nachvollziehbar. Der Subplot mit dem französischen Antiquitätenjäger fehlt hier dankenswerterweise, dafür kommt ein junger Priester hinzu, der Merrin, nach seiner „Beurlaubung“ vom Priesteramt, beobachten soll. Diese Figur soll den verhärteten, an seinem Glauben zweifelnden Merrin konterkarieren, denn er ist naiv, aber aufrichtig in seinem Glauben und darf folglich auch für diesen sterben.
Man sieht bereits, dass sich leider die Klischees einzuschleichen beginnen und so geht es dann auch weiter. Die Krankenschwester im englischen Camp war natürlich im Arbeitsdienst der Nazis und man kommt sich näher, aber zum Glück ist diese Figur im Gegensatz zu „Exorcist – The Beginning“ nur eine Randerscheinung und kein echter „love interest“. Das führt auch schon zu einem Hauptunterschied der beiden Filme, denn der zu exorzierende Charakter ist in „Dominion“ eben nicht die Schwester, sondern ein Junge aus dem somalischen Dorf, der behindert ist und nach grausamer Sitte der „Wilden“ somit Prügelknabe für alle. Deswegen sei er auch „rein“ und eben idealer Nährrasen für dämonische Besessenheit. Naja.
Zugute halten muß man Schrader, dass er die Morde nicht ganz so plakativ in Szene setzt und sich beim finalen Exorzismus, der etwas lächerlich beginnt, indem sich der zynische Merrin ohne Vorwarnung wieder sein Messgewand anzieht und wild Menschen segnend durchs Dorf zur ausgegrabenen Kirche schreitet, weitgehend versuchte an „Exorcist 3“ zu orientieren, im Sinne nämlich eines intelligenten Dämons, der nicht pubertärsatanistischen Schwachsinn brabbelt, sondern tatsächliche Wahrheiten mit einfließen lässt, nach dem Prinzip „die schlimmste Lüge ist die halbe Wahrheit“. Doch wirklich überzeugend in Gang kommt die Sache nicht. Manchmal schien mir, als ob der Protestant Schrader keinen echten Zugang zu diesem urkatholischen Thema gefunden hätte. Die Fragen des Zweifels am Guten in der Welt wären ja durchaus allgemein christlich, doch das Drumherum ist schon sehr speziell katholisch.
Man merkt eben, dass die Vorgaben - sowohl von seiten der Produzenten als auch des Publikums - wesentlich rigider waren als beim sogenannten 3. Teil, obwohl deren Basis – die Erwähnung eines Exorzismus in Afrika, bei der Merrin fast gestorben wäre im originalen „Exorcist“ – durchaus eine freiere Inszenierung zugelassen hätte.
Schauspielerisch bewegt sich die Geschichte ebenfalls auf mittlerem Niveau. Stellan Skarsgård ist als Merrin schlicht zu blaß und die Rolle des Cheche, also des besessenen Jungen, besteht ohnehin weitgehend aus Makeup. Clara Bellar ist nicht schlecht als Krankenschwester Rachel Lesno, sie hat ein prägnantes Gesicht, das sehr gut in die frühen späten 40er Jahre passt, doch die Rolle ist so reduziert, dass nicht viel Platz für Herausragendes bleibt. Ein bißchen mehr gibt es für James D'Arcy als Father Francis, der sich eigentlich recht wacker durch seine Rolle als Jungpriester schlägt, dem die ihm gestellte Aufgabe weit über den Kopf hinauswächst.
Summa summarum hat man hier also einen Film, der zwar viel besser als seine nachträgliche Verhackstückung ist, der aber zu einem guten Thriller noch ein weites Stück Weg vor sich hätte. Ein schwächelndes Drehbuch und ein halbmotivierter Regisseur sind Gift für eine Produktion und das färbt sowohl auf Schauspieler als auch den Rest der Crew ab. Waren „The Exorcist“ und „Exorcist 3“ Filme, die mehr waren als die Summe ihrer Teile, so sind selbst „Dominon“ und „Exorcist – The Beginning“ zusammengenommen weit weniger als das. Gemessen an meinen eigenen Erwartungen, die ausgehend von Schraders Werk relativ hoch waren und von der Niveaulosigkeit des Parallelfilms noch gesteigert wurden, eine herbe Enttäuschung.

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