Review

Mit "Crying Fist" kommt ein nicht ganz alltägliches Boxermelodram aus Südkorea. Die Story als solche ist nicht alltäglich, die Verknüpfung des harten und blutigen Boxsports mit der Melodramatik der Koreaner ist ebenfalls nicht alltäglich und letztendlich ist die hochkarätige Besetzung in Kombination mit Regisseur Ryoo Seung-wan ganz und gar nicht alltäglich. Wer trotz der meist improvisierten Boxkämpfe einen oberflächlichen Faustkampffilm erwartet, wird schnell merken, dass hier die nötige Tiefe mit schauspielerischem Niveau gepaart, eine sehr überzeugende Mischung ergibt.
Wenn der Film einen Schwachpunkt hat, dann seine Überlänge. Mal wieder ist ein Film aus Südkorea zu lang geraten, diese Unart ist für mich mittlerweile signifikant auffällig. Dennoch birgt "Crying Fist" über die gesamte Länge ein hohes Mass an Niveau und ist geradezu ein Schlag ins Gesicht für die Rocky´s der früheren Filmgeschichte.

Gang Tae-shik ( gespielt von Choi Min-sik ) war früher einmal ein grosser und stolzer Boxer. Er gewann 1990 für sein Land bei den Asienspielen die Silbermedaille und hat diesen Ruhm und Erfolg leider nicht konservieren können. Ähnlich wie bei vielen anderen Sportlern auch, verblasste sein Ruhm durch falsche und schlechte Berater ebenso schnell wie sein Geld auch wieder verloren war. Die Ehe mit seiner Frau Sun-ju ( gespielt von Seo Hye-rin ) ist nahezu zerrüttet und die Beziehung zu seinem Sohn Seo-jin ist stark gestört.
Da die Geldsorgen die Familie aufzufressen drohen, muss Tae-shik irgendwie Geld verdienen. Der gebrochene Boxer mit dem Ruhm von einst stellt sich und seinen geschundenen Körper daher gegen ein paar lausige Won in der Fussgängerzone als lebendigen Punchingball zur Verfügung. Jeder darf sich somit seinen Frust aus den Fäusten schlagen und Tae-shik lässt sich den letzten verbliebenen Stolz aus den Knochen prügeln. Seine persönliche und "berufliche" Situation wird immer auswegloser, zwischen Kredithaien und Kleinkriminellen landet Tae-shik schliesslich ganz unten auf der Strasse. Eine Meisterschaft und der Kontakt zu dem Restaurantbesitzer Sang-chul ( gespielt von Jeon Ho-jin ) lassen ihn allerdings noch einmal aufstehen. Tae-shik will wieder boxen und er will diese Meisterschaft holen.
Auf der anderen Seite lernen wir den jungen und aggressiven Yoo Sang-hwan ( gespielt von Ryu Seung-beom ) beim Klauen eines Autoradios kennen. Der Jugendliche hat weder Arbeit noch Perspektive, er belächelt seine Eltern und droht gänzlich in die Kriminalität abzurutschen. Beim Überfall auf einen Kredithai wird er auf frischer Tat erwischt und landet für 5 Jahre im Knast.
Während seiner Strafe verstirbt sein Vater, der Zustand seiner Grossmutter verschlechtert sich rapide und Sang-hwan findet im Boxen das nötige Ventil für seinen Frust und seine Aggressivität. Er boxt sich im Gefängnisteam ganz weit nach oben und auch er träumt davon, durch den Gewinn einer Meisterschaft seinem Leben die entscheidende Wendung zu geben.
Nach seiner Entlassung meldet auch er sich für die anstehende Boxmeisterschaft an, einer seiner Gegner dort ist allerdings Gang Tae-shik.

Die Storyline ist natürlich sehr geschickt aufgebaut. Zwei vom Leben geschlagene Verlierer treffen am Ende einer schönen Charakterstudie im Ring aufeinander und jeder will für sich die vermeintlich letzte Chance im Leben nutzen. Der ganze Film arbeitet auf dieses eine Finale hin und hier treffen die beiden Hauptdarsteller sich auch zum ersten Mal. Das alleine ist schon Drama genug, doch der unbarmherzige und bei jedem Schlag schmerzhafte Kampf dieser zwei Männer bildet den melodramatischen Höhepunkt des Films. Als Zuschauer ist man zerissen, wem soll man den Sieg wünschen und wer hat ihn denn mehr verdient?
Der Film findet für sich am Ende ein leicht kitschiges aber verdientes und passendes Finale mit dem alle gut leben können. Der Weg dahin ist allerdings eine beeindruckende und humanistische Charakterstudie zweier vom Leben gebeutelter Männer. Choi Min-sik ist wie geboren für diese Rolle. Keiner spielt im koreanischen Kino den heruntergekommenen und chancenlosen Looser so brillant wie er und keiner hat ihn bisher so oft schon gespielt. Seine Rollen gleichen sich sehr ; nimmt man "Failan", "Oldboy" oder auch "Springtime" so ist das Rollenbild identisch. Sein Spiel ist dennoch über alle Zweifel erhaben und seine Ausdruckskraft und Präsenz auf dem Bildschirm ist erstaunlich. Natürlich ist er in Südkorea ein grosser Star und er bräuchte sich wohl auch in Hollywood nicht verstecken.
Der neue Star an seiner Seite ist die eigentliche Überraschung des Films. Der junge und verspielte Popcornfilm-Star aus "Arahan" ist erwachsen geworden bzw. er durfte endlich mal eine anspruchsvolle Rolle spielen. Ryu Seung-beom muss hier deutlich mehr abliefern als noch in "Arahan", dort reichten coole Sprüche und ein durchtrainierter Körper aus. Ob sein Bruder und Regisseur Ryoo Seung-wan ihm diese Rolle verschaffte sei dahingestellt, es bleibt die Tatsache, dass Ryu Seung-beom neben dem grossen Choi Min-sik bestehen kann.
In einigen Nebenrollen trifft sich ebenfalls die gehobene Schauspielqualität aus Südkorea ; Byeon Hie-bong als Boxtrainer im Gefängnis sei hier ebenso genannt wie Na Mun-hee als Grossmutter. Oh Dal-su spielt mal wieder den schmierigen Gangster und in dieser Rolle scheint er in Südkorea gesetzt zu sein.
Somit haben wir eine anspruchsvolle Story gepaart mit zwei herausragenden Hauptdarstellern, eine gute Riege von Nebendarstellern und einen sehr fähigen Regisseur. Bei 10-20 Minuten geringerer Laufzeit wäre "Crying Fist" noch knackiger geworden als er eh schon ist, doch auch so werden das starke 8 Punkte.

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