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Von 1930 bis 1961 war Rafael Leónidas Trujillo Molina der Diktator der Dominikanischen Republik. Er herrschte durch Unterdrückung, mit Gewalt, mit einer mächtigen Polizei und einer starken Armee, und wer in Ungnade fiel (was sehr leicht und sehr schnell geschehen konnte) war bereits so gut wie tot. Trujillo regierte bis hinein in das Privatleben der Bevölkerung, arrangierte Hochzeiten oder verbot diese. DAS FEST DES ZIEGENBOCKS (aka DER TOD EINER BESTIE) schildert in Rückblenden die letzten Jahres des Diktators anhand mehrerer privater Geschichten. Die Kerngeschichte ist dabei diejenige der Tochter (Isabella Rossellini) des Staatssekretärs Agustín Cabral (Paul Freeman), der in Ungnade fällt und verzweifelt versucht wieder in Amt und Würden zu kommen. Darin eingeflochten sind die Schicksale eines Angehörigen der Leibwache (Juan Diego Botto), dem der Diktator (Tomas Milian) die Hochzeit verbietet, eines Generals (Steven Bauer) dem öffentlich Hörner aufgesetzt werden und noch einige mehr.

Trujillo war wie alle Dikatoren ein Schwein, und aus dem Spannungsfeld Schwein versus Unterdrückung versus private Freiheiten können spannende Geschichten entstehen, wie in vielen vielen Filmen über das Dritte Reich sehr gut zu sehen ist. Als Beispiel sei hier COMEDIAN HARMONISTS genannt, wo das unpolitische private Leben und das Einbrechen der Politik in dasselbe hervorragend miteinander verknüpft sind. Diese Verknüpfung, diese Aussage dass es kein unpolitisches Leben gibt, das findet in DAS FEST DES ZIEGENBOCKS auch statt, nur leider nicht so spannungsgeladen, nicht so zwingend erzählt wie es hätte sein können. In größeren Zeitabständen als Rückblende erzählt, plätschert der Film mit sehr schönen Bildern einer Tropenidylle dahin, gelegentlich wird jemand gedemütigt oder erschossen, dann folgen wieder schöne Bilder einer untergegangen Welt (ob diese Bilder wohl zufällig an das vorrevolutionäre Kuba erinnern sei jetzt mal dahingestellt). Es passiert auch relativ viel, aber es plätschert einfach weiter. Der Zuschauer kann keine richtigen Beziehungen zu den Personen aufbauen, und an dieser Stelle muss die Dramatik einfach versagen. Dass beispielsweise Trujillo dem General Vinas in aller Öffentlichkeit Hörner aufsetzt ist unschön, aber es berührt nicht. Genauso wenig wie das Schicksal des Bruders des Senatspräsidenten (David Zayas), woraufhin dieser vom „Chief“ (der historische Trujillo liess sich tatsächlich Jefe nennen) schwer enttäuscht ist und Rachegedanken hegt. So what?

Einzig Uranita (Stephanie Leonidas), die bildschöne Tochter des Staatssekretärs Cabral berührt ob ihrer Unschuld, und man ahnt sehr früh was ihr blüht (auch dank des Spoilers im Sprachmenü der 3L-DVD …). Aber auch hier wird keine wirkliche Beziehung aufgebaut, auch hier bleibt die Dramatik schwachbrüstig und dümpelt vor sich hin, die großen Gefühle bleiben einfach aus. Und wenn es zum Höhepunkt kommt, zu dem Fest des Ziegenbocks, dass zumindest einige der Hauptdarsteller schicksalhaft zusammenführt und ihr Leben nachhaltig verändert, dann wird das erzählt wie bei einem Unfall zweier Kleinwagen mit Blechschaden: undramatisch, uninspiriert, unspannend.
Vor allem den Punkt mit den großen Gefühlen habe ich in diesem als Drama ausgewiesenen Film doch sehr vermisst. Dass Tomas Milian seinem Diktator keine dämonischen Züge gibt, sondern diesen in weiten Strecken recht menschlich ausstattet, könnte ein unterschwelliges Gefühl der Bedrohung auslösen, aber auch hier mangelt es an transportierten Gefühlen. Um noch mal auf COMEDIAN HARMONISTS zurückzukommen: Wenn das Musikgeschäft zerstört und geplündert wird, dann kochen im Zuschauer die Emotionen hoch, wächst die Wut auf solche Unmenschen. Wenn in DAS FEST DES ZIEGENBOCKS hingegen der Bruder der Geliebten erschossen wird, dann ist das unschön für den Protagonisten, aber eben auch nicht mehr. Es berührt nicht. An den Schauspielern dürfte es nicht liegen, die machen ihre Sache eigentlich recht gut. Meiner Meinung nach ist der Regisseur hier einfach zu schwach, um aus einem mäßig inspirierten Drehbuch das Höchstmaß an Spannung und Dramatik herauszuholen.

Somit bleibt ein nicht uninteressanter Historienfilm über eine in Europa weitgehend unbekannte Epoche eines fernen Landes, der seine erzählerischen Möglichkeiten leider weitgehend verschenkt und sich hinter hübschen Bildern versteckt. Wahrscheinlich sollte man von einem Regisseur, der Filme wie ANACONDA oder SNIPER – DER SCHARFSCHÜTZE in seiner Vita stehen hat, wahrscheinlich sollte man von so jemanden nicht allzu viel erwarten. Aber das gleiche Thema, mit den gleichen Schauspielern, von einem Regisseur wie Steven Soderbergh oder Fernando Meirelles, das hätte den Zuschauer wahrscheinlich wesentlich mehr in den Sessel gedrückt.

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