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Hier haben wir wieder einen der Filme, bei denen sich schnell die Frage stellen lässt, ob ein solches Machwerk überhaupt jegliche Qualität besitzt. Die Einen, nämlich die, die Filme wie "All Night Long" nicht ausstehen können, haben da ihre Antwort schnell gefunden und drücken nach 10 Minuten nicht enttäuscht, sondern völlig entsetzt die Stop-Taste und feuern die Kassette bzw. DVD in den nächsten Mülleimer. Andere jedoch, denen gleichartige Filme zusagen, haben mit diesem Werk hier wohl eines der besten gewalttäigen vor sich, das sich sofort im Gehirn eines jeden einwurzelt und von da nicht mehr so schnell weicht. Es ist gar nicht einmal die Gewalt, die speziell in "All Night Long 2" so schockiert, sondern eher die Tatsache, dass der Hauptdarsteller, der dem Zuschauer zunächst als schüchterner Einzelgänger bekannt gemacht wird, der hauptsächlich kleine Plastikfiguren bastelt, zu solch brachialen Taten fähig ist.
Gut, die oben genannten, an erster Stelle erwähnten, Zuschauer sprechen dem Film natürlich auch jeden Sinn oder Bezug zur Realität ab, was aber zweifelsohne nicht stimmt, denn "All Night Long 2" erscheint und ist auch übertrieben und extrem, die Ansätze zur Realität sind aber mit gewisser Sicherheit durchaus da. Dem Regisseur, der den Film mit dem Satz enden lässt, dass nur ganz wenige das eben Gesehene verstehen werden, liegt es nicht daran, einen vor Blut nur so triefenden Film abzuliefern, sondern ein Werk, das auch zum Nachdenken animiert. Dass "All Night Long" nur wenige Leute verstehen werden, soll nicht heißen, dass genau die über einen wahnsinnig hohen IQ verfügen, also großartig intelligent sind, sondern schlicht und einfach das, dass nur die Leute den Film verstehen werden, die in ihm nicht nur eine sinnlose, kommerzorientierte und tabubrechende Gewaltorgie sehen, sondern über das Geschehene hinaus etwas ihr Hirn einschalten und ein klein Bisschen Wahrheit, wenn auch nur ein ganz kleines Stück, erkennen werden.
Dass das, was in "All Night Long 2" passiert, tag täglich auf irgendwelchen Straßen in irgendwelchen Ländern passiert, muss ja deswegen nicht gleich bewiesen oder ausgesagt sein, doch wenn man schon bei der Schutzgelderpressung, die im Filme eine große Rolle spielt, anfängt, weiß ein Realist, dass ein Verlauf des Ganzen durchaus so ausgehen kann wie es dann letztendlich im Film auch dargestellt wird. Viele grausame und die Menschenwürde in Frage stellende Details sind da nur "Zugabe" und wandeln "All Night Long 2" vielleicht etwas ins Extrem ab, der Film an sich ist jedoch auch keine Doku, sondern ein Medium, die Gesellschaft oder zumindest Stücke davon zu kritisieren und das auf eine sehr provokante Art und Weise.
Horrorfilmfans, die "Scream" oder "Ich weiß, was du letzten Sommer getan hast" schon schlimm finden und die Menschenwürde in Frage gestellt sehen, sind mit "All Night Long" - sowie mit allen ähnlichen, hauptsächlich Japan-Filmen - völlig auf dem falschen Fuß erwischt. Auch Genrefans müssen in diesem Film nicht unbedingt wahnsinnige Unterhaltung finden, da das Blut nicht so groß geschrieben wird wie dem Ganzen oft nachgesagt wird. Schockierend, brutal und erniedrigend ist das allemal, aber das Blutbad epischen Ausmaßes, als das es angepriesen wird, ist es garantiert nicht.
Aber um das geht es ja auch gar nicht, vielmehr ist es die Tatsache an sich, die schockieren und den Zuschauer zum Denken anregen soll. Mit solch einem Film ist das leichter getan als mit irgendeinem Hollywood-Film, der die Gesellschaft ein wenig kritisieren möchte und in dem die technischen Aspekte wie Schnitt, Kamera und Aufmachung allgemein dennoch sehr beachtet werden. So ist es bei "All Night Long 2" nicht, bei dem alles einen recht spärlichen EIndruck hinterlässt, was die Aufmachung angeht. Keine sagenumwobenen Kamerafahrten, keine schnellen Schnitte und auch keine namhaften Schauspieler. Aber genau diese Punkte machen den Film intensiver als alle Hollywood-Produktionen, da alles - wie schon die "Guinea-Pig"-Filme auch - ein wenig dokumentarisch wirkt. Nicht der Film selbst, sondern eben die Aufmachung dessen.
Auch die Story spielt mit keinen großen Wendungen, es geht um besagten Streber, der eines Tages von ein paar Homosexuellen zusammengeschlagen und sexuell misshandelt wird, ehe dieser bald darauf eine recht komische Beziehung zum Anführer dieser Bande aufbaut. Dieser zeigt dem Streber, Shinichi sein Name, allerlei Grausamkeiten an anderen Personen, bis Shinichi dann einmal selbst einen Mord begehen soll. Doch da spielt er nicht mit und er macht sich über die Bande her.
Wie gesagt, nur gezielt sollte man sich diesen Film ansehen, wer zufällig auf "All Night Long 2" stößt - oder allgemein auf einen Teil dieser Reihe -, ohne vorher zu wissen, um was es denn eigentlich geht, wird enttäuscht, schockiert und entsetzt sein. Auch Leute, die eher Filme wie "Braindead", "Bad Taste", "Premutos" oder "Violent Shit" bevorzugen, werden mit dieser japanischen Produktion nichts anfangen können. Somit können hauptsächlich Fans von Japanfilmen, denen auch schon die "Men behind the Sun"- und "Guinea Pig"-Filme gefallen haben, bedingungslos zugreifen und sicher auch auf ihre Kosten kommen. Der Film ist es auf jeden Fall Wert. 9/10 Punkte

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