Wo Drogen im Spiel sind, sehen wir nur die Opfer, während die Täter unsichtbar bleiben. Irgendwo in einer endlosen Distributionskette verborgen, die sich über den ganzen Erdball erstreckt, namenlos im Verborgenen operierend, so weit vom konkreten Wirkungsrahmen entfernt, dass kein direkter Bezug mehr möglich ist. Filme wie „Traffic“, „Blow“ oder „Barry Seal“ und Serien wie „Narcos“ oder „Breaking Bad“ ziehen uns vor allem deswegen in ihren Bann, weil sie versuchen, die Spuren zurückzuverfolgen und die Wurzel allen Übels für das bloße Auge sichtbar zu machen, dem Drogenhandel ein Gesicht zu geben… oder eben letztlich unter Beweis zu stellen, dass ein solches Gesicht gar nicht existiert.
Regisseur Sidney J. Furie kennt sich mit unsichtbaren Bedrohungen aus. Schließlich ist er unter anderem im Spionagefilm verwurzelt und realisierte später außerdem mit „The Entity“ den Überlebenskampf einer Frau, die von einer unsichtbaren Präsenz terrorisiert wird. Wie Barbara Hershey kämpft auch Billy Dee Williams im 1973er Drogenthriller „Hit!“ in der Rolle des Nick Allen gewissermaßen gegen eine formlose Bedrohung, die sich vor der Öffentlichkeit zu verbergen weiß. Als Cop und Vater einer durch Heroin zu Tode gekommenen Tochter verfügt er allerdings über ganz andere Mittel als eine alleinstehende Mutter, die Verantwortlichen ins Rampenlicht zu zerren… und anstatt des psychologischen Terrors von „The Entity“, der durch den Affekt des Moments lebt, liefert „Hit!“ über mehr als zwei Stunden hinweg ein taktisch ausgeklügeltes Slow-Burn-Feuerwerk, das seine Lunte sehr lange brennen lässt, bis sein ultimatives Ziel endlich erreicht ist.
Strategisches Denken und emotionale Raserei ringen währenddessen natürlich trotzdem permanent miteinander, wobei der kühle Kopf am Ende fast immer die Oberhand behält. Furie entscheidet sich besonders in den ersten Minuten dafür, Distanz zu wahren, um nicht vorschnell die einfach zugänglichen Trigger des klassischen Revenge-Kinos auszulösen. Der Tod von Nicks Tochter wird beinahe schon dokumentarisch inszeniert, so wie überhaupt nahezu alles ohne intensive emotionale Beteiligung vonstatten geht, was auf der Straße passiert. Die rauen Methoden eines alternden Agenten zur Beseitigung von Drogendealern werden von der Kamera aus der Ferne im Weitwinkel eingefangen, die Verarbeitung und Verbreitung des Opiums läuft in einer langen Schnittmontage durch unzählige anonyme Hände. Anstatt des persönlichen Dramas der Hauptfigur steht das globale Gesamtbild im Vordergrund. Die Schiffsmeilen zwischen dem französischen Handelszentrum Marseille und der US-Hauptstadt Washington D.C. spannen den internationalen Geltungsrahmen der Handlung, die sich zunächst so trocken und entzündlich gibt wie der Stoff aus einem John-le-Carré-Roman. Mit den Händen ungreifbar eben. Nick Allen steht vor keiner dieser Problemstellungen, die ein einzelner Mann mit einer Schrotflinte lösen könnte.
Billy Dee Williams wäre für den Rampage-Modus mit seinem immerzu zynisch lächelnden Lando-Gesicht auch der falsche Mann, doch wo er beim Tod seiner Filmtochter vielleicht noch die nötige Emotionalität vermissen lässt, gerät ihm sein in Stein gemeißelter Gesichtsausdruck mit zunehmender Laufzeit zum Vorteil. Wo es nämlich ein komplexes Rätsel wie dieses zu lösen gilt, braucht es jemanden, der seine Rachegelüste im Zaum zu halten weiß, bis der richtige Moment gekommen ist. Zugegeben: Mit der nun folgenden Rekrutierungsphase des Films, die sich ein wenig anfühlt wie die Zusammenstellung von Sylvester Stallones Altherrengarde aus den „Expendables“-Filmen, wirft „Hit!“ jeglichen Anspruch an ein ambitioniertes Epos über Bord. Auf köstliche Weise wird das sogar in einer späteren Szene visuell sichtbar, als die Dinge ausgerechnet in einer Kino-Vorstellung von „Der Pate“ eskalieren – ein eindeutiges Bekenntnis zum grobschlächtigen Genrefilm, der sich zu diesem Zeitpunkt längst gegenüber den ersten Anklängen eines erzählerisch anspruchsvollen Autorenwerks durchgesetzt hat.
Und mag Nick Allen bei der Rekrutierung auch so gleichförmig vorgehen wie ein Stapelverarbeitungsprogrammierer, was dem Spannungsbogen im Mittelteil nicht gerade förderlich ist, so folgt man jeder kleinen Geschichte innerhalb der großen Geschichte aufgrund der einfühlsam geschriebenen Nebenfiguren trotzdem mit großem Interesse. Gerade Richard Pryor und Gwen Welles überzeugen weit über die Erwartungen hinaus, zumal ihre Rollen jeweils mit soliden Hintergründen ausgestattet sind und sich ihnen im Laufe der Geschichte viel Gelegenheit bietet, um den eingangs erwähnten Ringkampf zwischen Rationalität und Emotionalität auszutragen. Aber auch Paul Hampton als Scharfschütze und Warren J. Kemmerling als alternder Detective haben ihre Momente. Einen ganz besonderen davon dürfen Sid Melton und Janet Brandt für sich verbuchen, die als altes Ex-Special-Forces-Pärchen bei aller Brutalität einen herzerwärmenden Höhepunkt setzen, bevor sich langsam alles dem Ende neigt. Dieses wiederum wirkt dramaturgisch erneut etwas langgezogen, da es im Grunde die Probleme des Mittelteils nochmals wiederholt – nicht aber ohne doch auf einer gewissen Ebene die Narrative zu verdichten, denn während die Operation voranschreitet, lastet der Suspense doch zunehmend auf den Schultern der Ziele, die sich vom Leben weiter bauchpinseln lassen, ohne zu bemerken, wer ihnen da gerade auf die Pelle rückt. Darüber hinaus ist „Hit!“ zumindest streckenweise in einen Rahmen von hochklassiger Cinematografie gefasst, die in einigen Einstellungen dann doch gewisse Schatten der Klasse von „Der Pate“ erahnen lässt. Auch das ist Teil der Erklärung, weshalb sich die Intensität trotz der gleichförmigen Struktur zunehmend erhöht.
Williams wacht derweil als First Lead über das Treiben und sorgt dafür, dass die einzelnen Episoden nicht zu einer losen Zusammenstellung von Kurzgeschichten geraten. Bei allem Ernst, der sich angesichts der bitteren Thematik auf der Leinwand niederlegt, ist sich weder die Hauptfigur noch ihr Film zu schade, hin und wieder leise Noten schwarzen Humors in die Abläufe einzustreuen, selbst wenn er sich mal auf eine knappe Dialogzeile kurz vor dem Schnitt zur nächsten Szene beschränkt. Überhaupt könnte man sagen, dass die angeschlagene Tonalität zu den größten Stärken des Films gehört. Weder wirkt er er verbittert noch lässt er sich zu unangemessenem Klamauk hinreißen, vielmehr entsteht im Zusammenspiel der Figuren eine organische Chemie, die Unangenehmes nicht ausspart und doch an der Menschlichkeit festhält.
Ein „Hit!“ im eigentlichen Wortsinne lässt sich aus diesen Zutaten natürlich nicht zimmern. Dafür bleibt das Drehbuch zu schematisch, wo es drauf ankommt. Die stattliche Laufzeit von über 130 Minuten kann im Grunde nur deswegen erreicht werden, weil abgesehen von Nick Allen selbst auch jedes Mitglied seiner Crew ausgiebig vorgestellt wird und im Finale seine eigene Schlussnote setzen darf. Weil die Figuren aber interessant genug sind, dass man ihnen diesen Raum gönnt, wird aus einem vermeintlichen Defizit schließlich eine Stärke, was nicht zuletzt der stilsicheren Regie Sidney Furies zu verdanken ist, dem man eine gewisse Ausbildung in Sachen Thrill und Suspense durchaus anmerkt, trägt seine vorliegende Arbeit das Erbe der komplexen Spionagefilme aus den 60ern doch immer noch mit mehr Überzeugung im Herzen als den sich bald darauf als Welle bildenden Rachefilm. Und was Billy Dee Williams’ Lächeln angeht, nimmt man es als letzte Pointe gerne mit in den Abspann.