Auf dem Gipfel seiner Poe-Phase angelangt, umgeben von „Die Verfluchten“ (1960), „Das Pendel des Todes“ (1961), „Der grauenvolle Mr. X“ (1962) und „Der Rabe – Duell der Zauberer“ (1963), führte es Roger Corman mit „Lebendig begraben“ ausgerechnet tief in den Erdboden. Der gezielte Appell an eine konkrete Urangst des Menschen, im vorliegenden Fall die Taphophobie, war eine der besonderen Spezialitäten des altmodischen Gothic-Schauerfilms, der sich aufgrund seiner ontologischen Reinheit besonders gut dazu eignete, Pionierarbeit für das Horrorkino zu leisten.
Entsprechend stark ist natürlich auch die Verfilmung der Poe’schen Kurzgeschichte „Das vorzeitige Begräbnis“ daraufhin konzipiert, eine subjektive Nacherlebbarkeit der besonderen Psychologie der Hauptfigur zu erzeugen, in der Hoffnung, dass sich die beschworene Furcht unmittelbar auf den Zuschauer projizieren möge. Dieser Ansatz, der in gewisser Weise durchaus artverwandt ist mit dem Gimmick-Kino eines William Castle, entspricht nicht nur der in der Vorlage genutzten Ich-Erzähler-Perspektive, sondern begünstigt auch das kollektive Erleben bei der Kinoaufführung, das sich American International Pictures unter Nicholson und Arkoff erhofft haben dürften, nachdem sie den Vertrieb Pathé Lab während der laufenden Produktion übernommen hatten.
Entsprechend liegt großer Druck auf Hauptdarsteller und Publikums-Projektionsfläche Ray Milland, zumal Corman ursprünglich mit Vincent Price geplant hatte, mit dem er in den vergangenen beiden Jahren bereits Poes Gedanken ins Audiovisuelle übertragen hatte. Milland ist natürlich kein gleichwertiger Ersatz für Price, wenn es darum geht, die Abgründe einer ausgeprägten Phobie in einer Fratze des Entsetzens zu spiegeln. Im Kern liefert er eine weitere Variation des charmanten Lebemanns mit dem „Handsome Face“ ab und würde gar nicht weiter auffallen, wäre seine Figur nicht zufällig von aristokratischem Blute und sähe sich, wie es in jenen Kreisen so oft der Fall ist, mit den Geistern seines genealogischen Erbes konfrontiert, hier in Form des eigenen Vaters, dessen Veranlagung und dessen Schicksal Ursprung der Ängste sind, die ihn umtreiben.
Cormans Vorgehen als Regisseur ähnelt dabei einem Therapeuten, der eine Konfrontationstherapie anwendet, darauf ausgelegt, den Patienten gewaltsam zu kurieren, was ins Filmische übersetzt nur bedeuten kann, dass es nicht gerade subtil zugeht. Gleich die erste Szene wird mit einem Shock Cut abgeschlossen, dessen nachhallendes Schlüsselbild einer Totenfratze auf die nachfolgende Paranoia einstimmen soll. Unterstützt von den bewährten Zutaten eines typischen Studio-Gruselfilms – Nebelmaschinen, die auf Hochtouren rattern, perfekt hergerichtete Kulissen, Matte Paintings, so nah an der Szene, dass sie mit den Händen greifbar scheinen – gelingt so auf Anhieb eine gemütliche Kaminfeuerstimmung aus wohligen wie schaurigen Wellen.
Dabei ist sicherlich auch die emotionale Komponente behilflich, denn angetrieben wird der Plot von der fragilen Beziehung zwischen Guy und seiner Frau Emily (Hazel Court), die ihm noch vor der Heirat Stein und Bein schwört, trotz seiner Ängste immer zu ihm zu halten. Das Publikum ist geschult genug, zu wissen, dass diese Verbindung im Laufe der Handlung auf den Prüfstand gestellt werden wird, was eine zweite Ebene hinter dem reinen Terror verspricht, in der die Emotionen zu einem seidenen Netz aus Konflikten verarbeitet werden, denn wo die Liebe verweilt, da ist auch der Verlust nicht fern.
Als die zwischenmenschlichen Komplikationen auf dem Weg zum finalen Gong immer augenscheinlicher werden, wendet sich die Narrative dann auch langsam den typischen Verschwörungen gewöhnlicher Murder Mystery nach Holmes’scher Tradition zu; geschmückt zwar immer noch mit der geisterhaften Fassade des Übernatürlichen, aber in letzter Konsequenz etwas zu vordergründig in der Auflösung, um die Gänsepelle auf dem Arm zu halten.
Stärker ist „Lebendig begraben“ da schon im Mittelteil, wenn er die inneren Gedanken des Protagonisten kunstfertig illustriert. Eine mit Bavaesken Farben und wolkigen Hintergründen ausstaffierte Traumsequenz gehört hier sicherlich zu den Highlights, aber auch in den nüchternen Momenten findet die Kamera immer wieder Wege, Guys verzweifeltes Dasein so wirken zu lassen, als sei der Scheintod bereits eingetreten; so etwa bei den Kontrasten zwischen festlichen Anlässen und düsterem Ambiente, oder wenn er schlafend in Perspektiven eingefangen wird, die ihn wahrhaftig tot wirken lassen. Hinzu kommt das enervierende, jenseitige Pfeifen der Friedhofsstreuner (John Dierkes und Dick Miller in Tradition von Burke & Hare), das den Terror auf der akustischen Ebene beachtlich intensiviert.
Dem Unterhaltungswert zuträglich ist auch die Unbeirrbarkeit beim Verhindern der befürchteten Situation des Begrabenseins bei lebendigem Leibe, gleichwohl bezweifelt werden darf, ob die komische Wirkung der Vorführung einer „narrensicheren“ Gruft mit all ihren Fluchtoptionen tatsächlich so gewünscht war. Es gibt jedenfalls Momente, da steigert sich der Hausherr derart in seinen Wahn, dass man kaum anders kann, als den Erfindergeist im Angesicht des drohenden Todes mit einem Schmunzeln zu quittieren, zumal Milland bei alldem irgendwo immer noch schauspielerische Contenance bewahrt, die eine auffällige Kluft zwischen Handeln und Ausdruck treibt. Das fügt der gespenstischen Stimmung zwar feine Risse zu, bringt sie aber nie zum Einbruch, weil eine Prise Humor, wie auch ein Vincent Price regelmäßig zur Schau stellte, sich bislang immer noch als geeignetes Ventil für den Horror erwiesen hat.
Als Literaturadaption wie auch als Corman-Werk birgt „Lebendig begraben“ jedenfalls ein Minimum an Überraschung, aber dafür ein Maximum an effektvollem, altmodischem Gothic Horror, der voll einschlagen kann, wenn man gerade nach genau dieser Art von Stimmung sucht. Psychologisch wie kriminologisch simpel gestrickt, gibt es für Corman eben auch wenig falsch zu machen, solange die Nebelmaschinen nur genug qualmen.