Woody Allen ist ein Neurotiker! Er ist alt, etwas grotesk und sehr griesgrämig...er wird gefeiert als einer der größten Genies, die das 20. Jahrhundert hervorgebracht hat. Er ist ein Tausendsasser, er führt nicht nur Regie, sondern schreibt seine Drehbücher selbst, ist zudem noch Schauspieler und spielt Jazz-Klarinette. Nebenbei schreibt er Kolumnen in Tageszeitungen und gilt in Amerika als einer der besten Standup-Comedian...ein ganz netter Lebenslauf, wie ich finde.
Ich selber allerdings halte nicht so viel von Woody Allen. Mich hat bis jetzt noch keiner seiner Filme wirklich inspiriert. Ich bin wirklich kein Fan von diesem alten Knacker, der seine Protagonisten meist in unendlichem Gefasel auf der Leinwand oder auf der Bühne zu Grunde gehen lässt. Auch die meisten Witze nötigen mir oft nicht einmal ein Grinsen ab. Das ist jedoch eine subjektive Meinung, die ich so nicht in meine Bewertung einfließen lassen möchte...
Match Point ist kein gewöhnlicher Allen-Film. Er trägt nicht so viel Schwermut in sich. Aber er hat auch irgendwann mächtig viel Dramaturgie aufgebaut, die sich am Schluß in einer etwas absurden und nicht ganz nachzuvollziehenden Art und Weise entlädt.
Match Point erzählt eben eine andere Story als die Geschichten, die Woody Allen sonst so zu erzählen pflegt. Sie ist einfach gestrickt, jedoch vermittelt sie irgendwann eine gewisse Eigendynamik in ihren Geschehnissen, so dass diese klar erzählte Geschichte doch noch gewisse Verstrickungen erfährt, die jedoch meines Erachtens den Film sinnlos aufbauschen. Dieser endgültige Höhepunkt ist dann so absurd und an den Haaren herbeigezogen, einfach nicht glaubhaft...es gibt so viele näher liegende Dinge, die passieren hätten können. Stempel wir es jedoch unter Eigenwilligkeit von Woody Allen ab!!
Diese Eigenwilligkeit, für die Woody Allen so geliebt wird, sieht man in Match Point zum Glück dann doch eher recht selten. Wahrscheinlich hat deswegen dieser Film so viel gutes Feadback bekommen, weil er eben nicht der gewöhnliche Woddy-Allen-Streifen ist.
Ich weiß aber immer noch nicht genau, was Match Point eigentlich sein will. Er ist ein Drama, so viel ist sicher, aber darüber hinaus ist mir dann doch vieles unklar. Ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung, was uns Woody Allen mit diesem Film auf den Lebensweg geben will. Klar, er stellt uns irgendwo vor die Frage: Reich und langweilig oder arm und aufgeregt...doch wie oft gibt es solche Extreme in einem Leben? Wie oft muss man sich solchen Entscheidungen stellen?? Braucht man da dann wirklich einen solchen Film dazu?? Ich sage: NEIN! Mir fehlt einfach die Bindung zu diesem Film. Bei mir springt der Funke nicht über...
Match Point ist mit Sicherheit kein schlechter Film, aber für das, was aus ihm in der Presse gemacht wurde, halte ich ihn auch nicht. Er ist vielleicht der beste Film von Woody Allen, das kann ich nicht entscheiden, denn mir sind, wie gesagt, die alten Filme von Allen nicht im Gedächtnis geblieben, weil ich diese Filme nicht leiden kann. Nebenbei habe ich mir von vorne herein auch nicht viele angesehen...
Scarlett Johansson ist keineswegs so sinnlich, wie es von allen Seiten propagiert wurde. Sie hat ganz am Anfang in der ersten Szene ein gewisses Sexappeal, das man ihr nicht absprechen kann, danach wirkt sie jedoch sehr blaß. Emily Mortimer hat da für mich ausstrahlungsmäßig schon wesentlich mehr auf dem Kasten. Johansson wirkt zum Teil so unnatürlich, dass sie im Punktduell gegen Mortimer klar verliert. Da helfen ihre aufgespritzen Lippen und ihre wasserstoffblonden Haare auch nicht mehr. Gerade die so wichtige Natürlichkeit, die in einer langen glücklichen Beziehung ein Hauptaugenmerk ist, kann Scarlett Johansson nicht erfüllen. Hier hat ihre Gegnerin Mortimer alle Trümpfe in der Hand. Sie wirkt zwar oft wie eine graue Maus, auch ihre Neurosen sind nicht immer einfach, aber unter dem Strich ist sie wesentlich gefühlsechter als Johansson.
Allein aus diesem Grund stellt sich für einen halbwegs intelligenten Mann von Anfang an schon nicht mehr die Frage, wofür er sich zu entscheiden hat, denn nebenbei hat Chloe auch noch das nötige Kleingeld, mit der man über gewisse kleine Fehler hinwegsehen kann.
Wenn man sich mal überlegt, dass das Hauptthema eigentlich schon von vorne herein vergeigt worden ist, weil die eine von den beiden Protagonisten der anderen so haushoch überlegen ist, dann frage ich mich doch ernsthaft über die Glaubwürdigkeit des Films. Die Aussagekraft ist doch schon von vorne herein beim Teufel..oder???
Der dritte Akteur im Bunde ist dann noch Jonathan Rhys Meyers aka Chris Wilton. Er wird uns angepriesen als Ex-Pro-Tennisspieler, der sich mit den Besten der Welt gemessen hat. Hier fließen dann auch zu allem Überfluss auch noch die Namen von bekannten Pro-Spieler wie André Agassi und Tim Henman ein. Wenn man dann, was zugegebener Maßen nur ein Nebenaspekt für die Handlung ist, die Tenniskünste des Jonathan Rhys Meyers sieht, dann zieht das den Film doch eher ins Lächerliche. Ich frage mich, wodurch sich Jonathan Rhys Meyers die Rolle als Chris Wilton erschlichen hat, denn mit seinen Künsten kann er nicht mal in der Kreisklasse bestehen, geschweige denn im Pro-Tennis. Vielleicht sollte man das auch als Eigenwilligkeit von Woddy Allen abtun und diesem Punkt nicht wirklich Aufmerksamkeit schenken. Für mich und für die plausible Handlung ist dieser Aspekt allerdings sehr wichtig, denn es zieht die Geschichte ungewollt ins Lächerliche...Allen wäre doch besser beraten gewesen, wenn er die sportlichen Leistungen von einem angemessenen Tennisspieler doubeln hätte lassen!! Man stelle sich mal vor, wenn Any Given Sunday mit Leihen auf dem Gebiet American Football auskommen hätte müssen!! Unvorstellbar...
Doch wie gesagt, der Punkt ist nur nebensächlich und fällt wahrscheinlich einem Tennisignoranten nicht wie Schuppen von den Haaren. Was allerdings viel schwerer ins Gewicht fällt ist der Umstand, dass Meyers nicht in geringster Weise seiner vorgegebenen Rolle gewachsen ist. Er wirkt wie ein unbeholfener Pubertierender "beim ersten Mal". In gewisser Weise ist dies wohl beabsichtig, da so ein Unschuldsfaktor zum Tragen kommt, doch dieser Unschuldsfaktor ist nur für den Supergau am Schluß sinnvoll. Dem Rest von Match Point kann man den Chris Wilton einfach nicht abnehmen. Er wirkt nicht wie ein herzensbrechender Super-Gentleman. Er wirkt eben genau so wie er auch ist: unbeholfen und jungfreulich. Man müsste ihn nur mal mit der geballten Kraft eines Jude Law oder Johnny Depp vergleichen, dann würde man sofort erkenne, wie schlecht die Leistung von diesem Meyers wirklich ist...er hat sich zwar in den vergangenen Jahren mit vielen Projekten seine Sporen verdient, dass er allerdings plausibel einen Charakter wie Chris Wilton spielen kann, dafür fehlt ihm einfach das Charisma...
So um jetzt mit der langen Faselei abzuschließen:
Match Point ist ein Film, der einen nicht fesseln kann. Das liegt zum Großteil an der Besetzung. Jonathan Rhys Meyers hat einfach nicht das Format, um dieser Aufgabe, in die er von Woody Allen gesteckt worden ist, gewachsen zu sein. Scarlett Johansson ist eine Schauspielerin, deren aufsteigenden Stern man in den letzten Jahren regelrecht verfolgen musste. Man konnte nicht mehr an mir vorbei. Sie ist mit Sicherheit eine klasse Schauspielerin. In Match Point hat sie mich allerdings nicht überzeugt, da sie gegen die wesentlich greifbarere Emily Mortimer hoffnungslos schwach und blass aussah. Sie ist wirklich nur eine Affäre wert oder noch weniger einen Seitensprung, dass man ihr jedoch gänzlich verfällt, wie es dieser Chris Wilton macht, das wage ich dann doch sehr zu bezweifeln...man stelle sich mal eine junge Sharon Stone in dieser Rolle vor, da würde der Fernseher vor Sex und Leidenschaft brennen. Dieses Flair bekommt die stets bemühte Johansson einfach nicht hin...
Die anderen Schauspieler, für die in gewisser Weise nur noch die Statistenrolle übrig blieb, machen ihren Job so gut es eben möglich war, oder soll man eher sagen, so gut es das Drehbuch zu lässt!
Match Point ist also ein Film, der mit vielen Vorschusslorbeeren in den Ring ging. Er hatte es wohl auch sehr einfach durch seinen berühmten Macher Woody Allen, denn was Allen macht, das kann nicht schlecht sein, jede Unstimmigkeit kann man als Eigenwilligkeit eines alten Neurotikers abtun. Doch so einfach darf man es Match Point nicht machen. Der Film ist zwar flüssig erzählt, was man auch nicht so gewohnt ist von Woody Allen, aber er kann einfach nicht die Erwartungen erfüllen, die er eigentlich bei so einem Genius erfüllen müsste...
Match Point kommt bei mir nicht über ein durchschnittliches Drama hinaus. Er ist oft zu unwirklich, ihm fehlt das Feuer, das für ein Liebesdrama so wichtig ist. Man kann die Schauspieler zum großen Teil nicht ernst nehmen. Es ist oft so unwahrscheinlich, dass ein Mensch diese Taten in Wirklichkeit vollbringen würde...
Match Point ist also ein Film, den man anschauen kann, man aber auch noch weiter existieren kann, falls er einem nicht durch die Hände gleitet...es gibt sehr viel bessere Filme, die in etwa das Thema aufgreifen und wo die Protagonisten einfach näher an den Zuschauern sind, als sie es in Match Point schaffen...Hautnah, Untreu usw....
5.5/10 Punkte