Review

Das Sujet des rachsüchtigen Geistes hat filmhistorisch betrachtet eine lange Tradition. Dies gilt insbesondere auch für das japanische Kino - und nicht etwa erst seit Genrebeiträge wie "Ringu" oder "Ju-On" vermeintlich eine Schwemme an asiatischen Grusel- und Horrorfilmproduktionen auslösten. Sicherlich war der kommerzielle Erfolg der genannten Filme alles andere als hinderlich, um eine Vielzahl thematisch ähnlich gelagerter Produktionen einem westlichen Publikum zugänglich zu machen (und einmal ganz zu schweigen von den zahlreichen remakes aus dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten, die jedoch wirkungstechnisch meist deutlich hinter den Originalen zurückblieben). Anstatt jedoch von einer Flut auszugehen, also einem singulären, ja originären Ereignis, wäre es wohl deutlich zutreffender, lediglich von einer neuen Welle derartiger Filme zu sprechen - ein Phänomen, welches in der Vergangenheit jedoch keineswegs ohne Vergleich dasteht.

Dass die Originalität innerhalb der unzähligen Variationen des immer gleichen Themas bei den Epigonen bisweilen auf der Strecke bleibt, ist demnach nicht zwangsläufig ein Indiz für eine inflationäre Zunahme entsprechender Gruselfilme. Vielleicht mutet die Anzahl an Asia-Shockern vielmehr nur deshalb so unüberschaubar gigantisch an, weil sich die Aufmerksamkeit des europäischen Publikums in den letzten Jahren eben auch verstärkt auf eine Kategorie richtete, deren Wurzeln gerade im Land der aufgehenden Sonne bis ins Neolithikum der Filmkunst zurückzuverfolgt werden können. Nicht ohne Grund waren unter den ersten Stummfilmen zur Zeit des Fin de siècle bereits Vertreter des Schauerkinos, die mit den gleichen Topoi und Motiven daherkamen, wie etwa "Ringu" fast 100 Jahre danach.

Aus dem Jahr 1972 stammt "Seidan: Botandoro", aka "Immortal Love" oder auch "Hellish Love" und auch hier ist der Titel programmatisch für den Inhalt: Ein junger Mann verliebt sich in eine mysteriöse Dame, bis er - allerdings zu spät - entdeckt, dass seine Angebetene aus dem Reich der Toten stammt. Nicht nur sein Schicksal wird sich im Laufe der Ereignisse erfüllen...

Der Film ist stilistisch dem Genre des sogenannten "Roman (i.e. romantic) Porn" zuzuordnen, eine Kategorie des erotischen Films, die sich von den sogenannten "Pinku" Filmen durch eine wesentlich solidere Produktionsweise unterscheidet. Mit anderen Worten bedeutet dies in erster Linie ein entsprechend hohes Budget, welches sich sowohl optisch, als auch qualitativ niederschlägt (z.B. durch die Beteiligung "echter" Schauspieler). Die japanische Nikkatsu Corporation war in diesem Genre in den 70er und 80er Jahren wegweisend.

Dennoch sollte sich niemand aufgrund des Porno-Begriffes ein falsches Bild machen, denn die gezeigten Darstellungen sind deutlich harmloser, als so manche Softcore-Filmproduktion im Nachtprogramm der privaten Sender. Die diesem Review zugrundeliegende DVD von Pagan Films war noch zudem in einer Szene digital "verblubbert", eine Szene, welche mutmaßlich das unbekleidete Hinterteil einer Dame beim Geschlechtsakt zeigt. Zwar wird der Beischlaf für einen gerade mal 70-minütigen Film zugegeben recht häufig vollzogen, viel mehr als eine nackte Damenbrust ist bei den korpulierenden Paaren aber kaum zu erkennen. Wer sich ergo andere Darstellungen wünscht, wird sie hier nicht finden.

Auch der Horrorfaktor ist anno 2008 entsprechend niedrig anzusiedeln. Zwar sind ein, zwei durchaus blutige Szenen vorhanden - etwa als bei einem Streit eine Dame mit dem Katana niedergestreckt wird - abgesehen von der grundsätzlichen Komponente des Übernatürlichen sind jedoch kaum Elemente vorhanden, welche aufgrund moderner Sehgewohnheiten und Konventionen "Seidan: Botandoro" als Horrorfilm klassifizierten. Zutreffender wäre die Umschreibung der Geistergeschichte in den Begriffen eines tragischen Liebesdramas (wobei die Inszenierung trotz bisweilen verhältnismäßig guter Spezialeffekte auffallend oft an traditionelles Bühnentheater erinnert).

Die Motive der Nebendarsteller könnte man unverändert auch in einer Tragödie von Shakespeare finden. Keiner der Beteiligten hat überdies eine rein funktionale Verwendung innerhalb der Handlung. Ergo finden am Ende der Geschichte auch alle Figuren ihr moralisches Schicksal: Gier wird grausam bestraft, wahre Liebe dagegen findet Erfüllung. Der Soundtrack fällt überraschend westlich orientiert aus. Die Titelmelodie ist eine melancholische Komposition auf der Akustikgitarre, bisweilen sind sogar jazzige Töne zu vernehmen, die an so manchen Film noir erinnern.

Fazit: "Seidan: Botandoro" ist eine weitere Variation einer der ältesten Geistergeschichten der Welt. Seine nachhaltige Wirkung erzielt der Film nicht als schmuddeliger Erotikfilm oder als Horrorschocker, sondern als ästhetisch sicheres Drama, das durchaus einige erinnerungswürdige Bilder enthält. (7 / 10)

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