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Wenn es Spielberg-Filme gibt, an denen selbst seine großen Kritiker wenig bis gar nichts zu meckern haben, dann sind es „Indiana Jones“ oder dieser hier.
Schon die Auftaktszene schrieb Filmgeschichte: Eine einsame Schwimmerin paddelt des Nächtens in einer menschenleeren Bucht des Badeortes Amity herum. Etwas packt sie und zieht sie unter Wasser, doch noch sieht man die Bedrohung nicht – eine der späteren goldenen Regeln für Monsterfilme. Stattdessen greift man hier auf Kameraführung und Musik zurück, um Spannung zu erzeugen. Die Musik von John Williams ist sowieso phänomenal, allen voran natürlich das weltbekannte „Jaws“-Theme.
Am nächsten Morgen werden die Überreste der Schwimmerin an den Strand gespült. Der Polizeichef Martin Brody (Roy Scheider) lässt nach dem Befund Tod durch Haibiss die Strände sperren, doch die Stadtleitung funkt ihm dazwischen: Kurz vor dem Auftakt der Saison darf so etwas nicht sein, also kehrt man den Vorfall unter den Teppich und lässt nur erhöhte Wachsamkeit am Strand walten. Schon wieder eine Gesetzmäßigkeit des Monsterfilms, dass die Obrigkeit aus Geldsucht nie die richtigen Vorsichtsmaßnahmen ergreift, die erst durch „Der weiße Hai“ so richtig geprägt wurde.

Doch es kommt zu einer weiteren Hai-Attacke und nun wird die Sache publik. Die Stadtväter versuchen zwar immer noch die Sache herunterzuspielen, aber Brody und dem angereisten Haiexperten Matt Hooper (Richard Dreyfuss) ist klar, dass man etwas unternehmen muss…
Im reiferen Alter hat „Der weiße Hai“ immer noch viel Spannung zu bieten, doch die Faszination und große Leistung von Spielbergs erstem großen Blockbuster liegt sicher daran, wie er Generationen von Kindern und Jugendlichen Angst vorm Schwimmen im offenen Meer macht. Durch geschickten Einsatz von Kamera und Musik, mit wenigen gezielten Schockszenen (z.B. die Wasserleiche im Boot) und einigen blutigen Momenten (abgebissenes Bein etc.) erzielt „Der weiße Hai“ eine Art von Horror, die ohne Nacht und Nebel funktioniert und stattdessen mit Urängsten spielt.
Von diesem Effekt profitiert der erste, etwas längere Part des Films, der von diversen Nachahmern (und auch den offiziellen Sequels) immer wieder kopiert wurde. Seltener lehnen sich Filme jedoch an die zweite Hälfte von „Der weiße Hai“ an, welche die Jagd auf den monströsen Hai beschreibt. Zu Anfang hat die maritime Hatz zwar noch etwas wenig Drive, aber mit zunehmender Lauflänge steigert sich hier die Dramatik. Das Dreiergespann aus Brody, Hooper und dem Haifänger Quint (Robert Shaw) wächst nach anfänglichen Querelen zusammen (die Anekdoten in der Kajütenszene sind der beste Beweis) und gibt denkwürdige Sprüche wie „Wir brauchen ein größeres Boot.“ zum Besten. Der Hai, der (ironischerweise vor allen aus technischen Schwierigkeiten) auch hier kaum gezeigt wird, sorgt mit seinen Attacken immer wieder für Nervenkitzel, wobei vor allem das Finale noch mal ein echter Adrenalinhammer ist.

Doch neben diesen Qualitäten auf Spannungsebene bietet „Der weiße Hai“ noch genug Blockbusterelemente und sense of wonder, um mehr als nur beinharte Horrorfans anzusprechen (ähnlich wie z.B. später auch „Jurassic Park“). Die Trickeffekte sind nicht zahlreich, sehen aber heute immer noch gut aus und der richtige Schuss Humor fehlt auch nicht. Schon allein die Tatsache, dass Brody als Polizeichef auf einer Insel Angst vor Wasser hat, sorgt für Witz, ohne dass dieser aufgesetzt oder unpassend wirken würde, und Oneliner an den richtigen Stellen gibt es natürlich auch.
Roy Scheider war auch selten so gut wie hier und spielt den aufrechten Polizeichef im Konflikt mit den gewinnsüchtigen Stadtvätern sehr überzeugend. Richard Dreyfuss als Haiexperte ist ebenso gut und auch Robert Shaw als mürrischer Seebär liefert eine sehr gute Performance. Die Nebendarsteller kommen dabei etwas kurz, sind aber auch gut, vor allem Lorraine Gary als Brodys Frau Ellen und Murray Hamilton als Bürgermeister. Einen Gastauftritt als Reporter hat auch Peter Benchley, der Autor der Romanvorlage.

„Der weiße Hai“ ist ein ganz großer Klassiker des Horror- und Blockbusterkinos, der trotz minimaler Hänger für Hochspannung sorgt. Kaum verwunderlich, dass drei stetig schwächer werdende Sequels und unzählige, meist miese Nachahmer folgten. Nur Renny Harlins „Deep Blue Sea“ kann in der gleichen Liga wie das Original mitspielen, der ist aber mehr Action als Horror.

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