Auch wenn das Original-Cover der DVD auf eine Variante von „Hostel“ und Konsorten hindeutet, sollte man sich davon nicht täuschen lassen, denn es handelt sich hier um ein Kammerspiel, welches am ehesten mit Polanskis „Der Tod und das Mädchen“ vergleichbar ist.
Innerhalb eines isolierten Schauplatzes versuchen zwei Figuren der Wahrheit ein Stückchen näher zu kommen.
Da haben wir das „Opfer“ Martijn (Ryan Phillippe), einen holländischen Pianisten, der nach Marokko reist, um hier in wohlwollender Absicht ein Ernährungsprogramm durchzuziehen und den potentiellen „Folterer“ Ahmat (Laurence Fishburne), der dafür verantwortlich ist, dass Martijn und sein Reiseführer Gavin kurz nach der Ankunft in Marokko von Handlangern entführt und in eine leerstehende Lagerhalle verschleppt werden.
Gavin wird, weil pöbelnd und aggressiv, kurz darauf erschossen und Martijn von Ahmat und seinen beiden Helfern einem Martyrium von Verhör unterzogen.
Da stellen sich dem Zuschauer natürlich sogleich viele Fragen: Wer sind die Terroristen, was wollen sie von Martijn, was hat es mit Martijns marokkanischer Freundin daheim auf sich, gibt es einen dunklen Fleck in der Vergangenheit, liegt womöglich eine Verwechslung vor?
Nach und nach werden diese Fragen beantwortet, der Zuschauer wird mit zahlreichen Wendungen konfrontiert und die Annäherung an die Realität erfolgt ausschließlich durch Gespräche, was im ersten Moment weniger spannend klingt, als es sich tatsächlich gestaltet.
Nachdem Reiseführer Gavin erschossen wurde, erfolgt ein derber Schnitt. Wir sehen Martijn und Ahmat an einem Tisch sitzen, in der Mitte ein Schachspiel, dem sie nachgehen.
Was zunächst wie eine offene Unterhaltung zwischen einem Westler und einem Moslem über Schwule, Kopftücher, „Lawrence von Arabien“ und Traditionen erscheint, weicht schnell einer deutlichen Zurschaustellung von Macht.
Ahmat gibt sich cool, überlegen, aber deutlich in seiner Forderung: Er will von Martijn Fakten hören, ansonsten riskiere er sein Leben.
Martijn reagiert mit Zynismus, schwarzem Humor und allgemeinen Ausflüchten, auf private Fragen weicht er aus und gibt sich völlig ahnungslos, doch die vermeintlich lockere Situation ändert sich, als Martijn der kleine Finger abgetrennt wird.
Es folgt ein Flashback in glückliche Zeiten mit seiner Freundin und alsbald wiederholt sich die Prozedur. Martijn windet sich, eine verschleierte Frau kommt hinzu, angeblich nur, um seine Wunde zu versorgen und entpuppt sich schnell als Mitterroristin, die kurz darauf einen weitern Finger abtrennt, weil die Antworten nicht zufrieden stellen.
Nach dem Schmerz erfolgt grundsätzlich ein Flashback, nach jedem Finger, den Matijn verliert, folgen Rückblenden, die ihn und Freundin zeigen und damit weitere Hintergründe zum Geschehen liefern.
Aber was hat es nun mit dem Spiel Ahmats und zugleich Martijns auf sich?
Grob angedeutet geht es um Terrorismus im Globalen, um Finanzierung desselben, um Mittelsmänner, um die CIA, um Spionage und vor allem um Identitäten.
Umso überraschender erfolgt dann die Auflösung, mit der man in dieser Form nicht unbedingt rechnen kann. Im Nachhinein ein wahrlich diskussionswürdiger und sozialkritischer Punkt.
Der Weg dorthin ist für den Zuschauer nicht nebenher konsumierbar, es wird eine Menge behauptet, sehr viel gelogen, Macht demonstriert und Angst gezeigt, was aufgrund der hervorragenden Darsteller durchaus unterhaltsam erscheint.
Fishburne ist in jeder Einstellung überzeugend und besticht durch Präsenz, Phillippe ist zwar nicht annähernd so markant wie sein Gegenüber, verkörpert Angst und Sarkasmus aber hervorragend in einem, so dass das Verhalten seiner Figur nachvollziehbar ist.
Auf den Punkt: Es geht hier nicht um einen Folterfilm (das Fingerabtrennen zeigt sich nur durch Andeutungen und dem schreienden Gesicht des Opfers), sondern um einen Psychothriller, der einen zumeist wohl durchdachten Schlagabtausch zweier geheimnisvoller Figuren bietet.
Da bleiben zwar auch nach dem Finale ein paar Fragen offen, kleinere Logiklöcher werden nicht geschlossen und einige angedeutete Aspekte bleiben ein wenig schwammig, doch bei einem Streifen, der fast ausschließlich aus einem Mix aus Dialogen und Flashbacks besteht, ist der erreichte Unterhaltungswert doch nicht zu verachten, - denn den kann man „Five Fingers“ durchaus attestieren.
Thematisch hochaktuell und durchaus brisant, kitzelt er zwar nicht komplett die mögliche Sozialkritik heraus, bietet auch einige Unwahrscheinlichkeiten, weiß aber mit spannender Entwicklung der Figuren zu überzeugen.
Endlich mal wieder ein Psychothriller, der mit wenig auskommt, aber am Ende einen zufrieden stellenden Eindruck hinterlässt.
7 von 10