Review

„Genetische Veränderung durch Bestrahlung: Sie nannten es ‚Operation Rasierzähne‘!“

Nachdem Kitsch-Meister Steven Spielberg im Jahre 1975 mit seinem äußerst ambivalenten „Der weiße Hai“ im Tierhorrorbereich das Subsubgenre der Fishploitation losgetreten hatte, dauerte es nicht lange, bis auch andere auf den Zug aufsprangen. Einer der populäreren Vertreter ist „Piranhas“ aus dem Jahre 1978. Und wenn Low-Budget-Ikone Roger Corman als Produzent den damals noch jungen Joe Dante („Gremlins – Kleine Monster“) für dessen erste eigenständige Regiearbeit verpflichtet, kann es eigentlich nur besser werden als in Spielbergs familientauglicher Urlaubsidylle.

Zwei lebenslustige, etwas unvorsichtige junge Menschen springen zur Abkühlung in ein Schwimmbecken, nichtsahnend, dass es dort vor durch genetische Veränderungen extrem aggressiven und widerstandsfähigen Piranhas nur so wimmelt. Nachdem die beiden unfreiwillig zu Fischfutter verarbeitet wurden, suchen Detektivin Maggie McKeown (Heather Menzies, „Sssssnake Kobra“) und der sich ihr widerwillig anschließende Einsiedler und Alkoholiker Paul Grogan (Bradford Dillman, „Guayana – Kult der Verdammten“) nach den Vermissten – und entdecken ein geheimes Militärlabor, in dem Dr. Robert Hoak (Kevin McCarthy, „Matinee“) die Tiere züchtete, um sie im Vietnamkrieg zur Verseuchung der Flüsse zu verwenden. Das Militär ist bemüht, die Angelegenheit zu vertuschen, doch als die Tiere entkommen und in die umliegenden Gewässer gelangen, kommt es zur Katastrophe…

Fishploitation erfreut sich bis heute großer Beliebtheit, wofür Dantes jüngst von Alexandra Aja neuverfilmter Film mitverantwortlich sein dürfte. Schon im Prolog lässt Dante nackte weibliche Tatsachen sprechen (kurz bevor sie weggeknabbert werden) und unmittelbar nach dem Vorspann lässt man augenzwinkernd die den gesamten Film durchziehende Selbstironie durchblicken, wenn eine Frau sich am „Jaws“-Spielautomaten vergnügt. Die allesamt der Realität etwas entrückt wirkenden Charaktere finden im ungleichen Paar aus Maggie und Paul ihren frühen Höhepunkt, beispielsweise wenn Einsiedler Paul seinen Fisch mitsamt Kopf und Schwanz nur kurz anbrät und ihn ohne jegliche Beilagen verzehrt. Viel schwerer wiegt aber, dass unser „heldenhaftes“ Duo Infernale vorrangig dafür verantwortlich ist, dass die Fischlis überhaupt in die freie Wildbahn gelangten. Das hindert die beiden dennoch nicht daran, sich wie Bullen respektive die Axt im Walde (oder auch der Elefant im Porzellanladen) aufzuspielen und sogar den just verstorbenen Jack auf eigene Faust beerdigen zu wollen – klarer Fall von Kompetenzüberschreitung. Der Militär-Colonel schaut sich derweil gerne schwarzweißen Monster-Trash (vermutlich Corman-Produktionen) im Fernsehen an, während die Piranhas zu manch Attacke blubbern – filmisch zunächst recht simpel als unkenntliches Gewusel in rotem Wasser umgesetzt. Beeindruckender sind da die liebevoll per Stop-Motion-Technik animierte, kleine Kreatur in Dr. Hoaks Labor und die herrliche Tierfreakshow in all den dort gelagerten Gläsern und Aquarien.

Mit zunehmender Spielzeit werden die Piranha-Attacken indes immer expliziter und wurden dann doch ganz gut getrickst. Makabre Ideen wie die eines Jungen, der mit ansehen muss, wie sein Vater erst totgebissen und sein Leichnam anschließend den Fischen zum Fraß vorgeworfen wird, fischen eindeutig ebenso im Kruden wie eine ganze Kinderschar, die zur Fleischeinlage in der Suppenmahlzeit wird. Gegen Ende wird’s ein wahrhaftiges Badesee-Massaker inkl. herumschwimmender Plastikköpfe, ein Blutbad im wahrsten Sinne des Wortes. Man bekommt garstig zugerichtete Tote und Verletzte zu sehen; der Grad grafischer Gewalt ist nicht ohne, die Make-up- und SFX-Abteilungen konnten sich austoben. Einige komödiantische Einsprengsel sowie leider auch ein paar Längen mit Dummschwätzerei und Zeitschinderei lockern das ganze jedoch auf und tragen bewusst dazu bei, dass die Sause nicht ernstzunehmen ist – was bedauerlicherweise auch zu Lasten der Atmosphäre geht, die kaum bedrohliche, morbide Stimmung erzeugt.

Neben schönen Unterwasseraufnahmen punktet man dafür aber mit unmissverständlicher, wenn auch satirisch überspitzter Kritik am US-Militär und dem von ihm verübten Vietnam-Überfall und nimmt zudem die Ferienlager-Kultur aufs Korn. Auch in Sachen Wasserski- und Boot-Stunts ließ man sich nicht lumpen. In Nebenrollen entdeckt man neben dem obligatorischen Dick Miller („Das Kabinett des Professor Bondi“), der fortan in jedem Joe-Dante-Film auftauchen sollte, die Euro-Gothic-Ikone Barbara Stelle („Die Stunde, wenn Dracula kommt“), was manch Film- und Genrefreund wohlwollend zur Kenntnis nehmen dürfte. Fazit: Eine unterhaltsame, typische Corman-Mischung aus Schauwerten, Trash und Aussage, selbstironisch, satirisch, blutig und kurzweilig – und damit für meinen Geschmack bereits genießbarer als die Spielberg‘sche Inspirationsquelle.

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