Der große Erfolg von Spielbergs "Jaws" (Der weiße Hai, 1975) markierte in mehrfacher Hinsicht einen Wendepunkt im Kino. "Jaws" wurde zum ersten echten Hollywood - "Block-Buster" und bereitete den Weg zum massentauglichen Kino-Event, wie ihn die "Star Wars" - Trilogie ab 1977 erfolgreich fortsetzte. Zudem leitete er damit auch das Ende von "New Hollywood" ein, jene kurze Phase gesellschaftskritisch angelegter Filme, die von der Protestwelle gegen den Vietnamkrieg Ende der 60er Jahre ausgelöst wurde. Weitere Parallelen einer sich verändernden Filmlandschaft lassen sich auch im europäischen Kino feststellen, denn Mitte der 70er Jahre verlor das italienische Kino seine lange Zeit bestehende Vorbildrolle. Hatte der Neorealismus das Filmschaffen weltweit verändert und der Erfolg des "Italo-Western" - so wie in Folge davon, des "Giallo" und "Poliziesco" - auch das Horror-, Thriller- und Kriminal-Genre entscheidend beeinflusst, kehrte sich ab Mitte der 70er Jahre die Vorreiterrolle um.
Zunehmend versuchte der italienische Film, Erfolgsrezepte des US-Kinos mit schnell und billig abgedrehten Filmen nachzuahmen - dabei erheblich an der Gewalt-Spirale drehend - denn mit "Jaws" war es Spielberg gelungen, erfolgreiches Unterhaltungskino mit einer Horror-Story zu verbinden, was die einschlägigen Produzenten auf den Plan rufen musste. Nicht zuletzt Roger Corman, der schon seit den 50er Jahren in unzähligen billig abgedrehten Filmen ein Händchen für populäre Stoffe bewiesen hatte, aber auch italienische Produzenten wie Ovidio G. Assonitis oder Luciano Martino nahmen diese Vorlage auf, was zu einer Zusammenarbeit zwischen us-amerikanischen und italienischen B-Produktionen in den späten 70er Jahren führte. Nach Cormans "Piranha" (Piranhas, 1978), bei dem Joe Dante erstmals allein Regie führte, kam im Jahr darauf "Killer Fish - L'agguato sul fondo" (Piranhas II - die Rache der Killerfische, 1979) heraus - eine italienische Produktion, besetzt mit us-amerikanischen Darstellern, die aber nicht als Sequel von "Piranha" angesehen wird.
Als autorisierte Fortsetzung gilt stattdessen "Piranha Part two: the spawning" (Piranha paura / Fliegende Killer - Piranha II, 1981), eine italienisch/us-amerikanische Co-Produktion, produziert und abgedreht von Ovidio G. Assonitis, nachdem er Regisseur James Cameron kurz vor dem Ende der Dreharbeiten entlassen hatte. Parallel entstanden artverwandte Filme wie "L'ultimo squalo" (The last jaws - der weiße Killer, 1981) unter der Regie von Enzo G. Castallari oder "Il fiume del grande caimano" (Der Fluß der Mörderkrokodile, 1979), den Roger Corman und Luciano Martino gemeinsam produzierten, womit sich der Kreis an Filmen wieder schloss, die ohne "Jaws" nicht entstanden wären. "Piranha" kann für sich geltend machen, als erster Film Spielbergs Vorlage aufgenommen zu haben - von Corman als "Hommage an Jaws" bezeichnet - sieht man von dem einfallslosen Sequel "Jaws II" (Der weiße Hai 2, 1978) ab, der kurz zuvor die selbe Geschichte nur leicht variiert wieder auf die Leinwand brachte.
Diesen Vorwurf kann man - trotz der eindeutigen Parallelen zu „Jaws“ - Joe Dantes Film nicht machen. Das liegt weniger an den gefräßigen Tierchen aus dem Amazonas, die hier den Riesenhai hinsichtlich ihrer Fresssucht adäquat ersetzten, als am Charakter des Films, der gröber, direkter und humorvoller daher kommt. Zwar beginnt „Piranha“ ganz im Stil des Vorbilds mit einer Szene, in der ein nackt badendes Pärchen bei Mondschein dahin gerafft wird – bei Spielberg kam der Mann noch dank seines hohen Alkoholspiegels davon - aber danach treten mit Paul Grogan (Bradford Dillman) und Meggie McKeown (Heather Menzies-Urich) zwei Protagonisten auf, die in einem Spielberg-Film schwer vorstellbar sind. Meggie McKeown, beauftragt das verschwundene Pärchen wieder zu finden, löst selbst die Katastrophe aus, als sie das Becken mit den lieben Tierchen, ohne lange darüber nachzudenken, leer laufen lässt, und Grogan ist ein mürrischer Säufer, der den Verlust seiner Frau nicht verkraftet hat. Darüber hinaus bemüht sich der Film glücklicherweise um keine weiteren charakterlichen Vertiefungen - nicht einmal die Sorge um Grogans kleine Tochter, die unmittelbar von den Piranhas bedroht wird, wird übertrieben emotional in Szene gesetzt - sondern versetzt seine beiden sympathischen Zeitgenossen in einen dauerhaften Aktionismus, der den Piranhas immer etwas hinterher hinkt.
Ähnlich lässig entwickelt „Piranha“ den Hintergrund seiner Story. Die Idee, dass die US-Army resistente und besonders aggressive Piranhas züchten ließ, um damit im Vietnamkrieg die Herrschaft über die Flüsse zu erlangen, ist so verrückt wie überzeugend. Autor John Sayles, der hier sein erstes Drehbuch verantwortete, gelang damit ein kritischer Seitenhieb auf Rüstungsgepflogenheiten der USA, ohne die Angelegenheit allzu ernst zu nehmen. Auch das Auftreten des Militärs und der Polizei, die versuchen Grogan und McKeown daran zu hindern, ihr Wissen von den Piranhas in die Öffentlichkeit zu tragen, nimmt keinen gefährlichen Gestus ein, ebenso wie der Geschäftsmann, der sich von angeblichen Raubfischen nicht sein Geschäft vermiesen lassen will – eine unmittelbare Anspielung auf die Rolle des ignoranten Bürgermeisters in „Jaws“ – der schon optisch eher an eine Witzfigur erinnert. So humorvoll der Film mit diesen Elementen umgeht, so ernst ist er hinsichtlich der Gefahr durch die Piranhas. Anders als in „Jaws“, der nur wenige Opfer zuließ, lässt Dante die Raubfische rücksichtslos auf im Wasser spielende Kinder oder eine große fröhliche Badeschar los, dabei auch vor expliziten Bildern nicht zurückschreckend.
Trotzdem wurde „Piranhas“ kein typischer Horrorfilm, sondern blieb immer im Gleichgewicht zwischen Schrecken und Humor, womit er schon auf Dantes zukünftiges Werk hinwies. Dass die Story im Detail nicht immer schlüssig ist, spielt angesichts des hohen Tempos nur eine untergeordnete Rolle, so wie es dem Film entgegenkommt, dass er gar nicht erst versuchte, charakterliche Tiefen auszuloten, womit er das meist unglaubwürdige Schüren von Emotionen vermied. Stattdessen punktet er mit einer überzeugenden Atmosphäre – allein die plantschenden Beine, kombiniert mit dem die Piranhas ankündigenden Geräusch sorgen für angenehmes Gruseln – und verbreitet 70er Jahre Feeling, auch wegen seines unverkrampften Verhältnisses zu Nacktheit und Sexualität. Mit einem Hollywood-Glanzprodukt wie „Jaws“ hat Dantes Film entsprechend wenig gemeinsam, aber auch die Einordnung als B-Picture im Sinn eines billigen Abklatschs ist nicht gerechtfertigt. Zwar orientierte sich die Anlage des Films am großen Vorbild, aber „Piranha“ konnte mehr riskieren und wirkt trotz seiner fantastischen Story näher an der damaligen Realität. (7/10)