Sarah (Shauna Macdonald) hat ein traumatisierendes Erlebnis hinter sich: Durch einen Autonunfall sind ihr Ehemann und ihr Kind grausam ums Leben gekommen, was eine große Lücke in ihr Leben reißt. Ein Jahr danach bricht sie mit ihren Freundinnen zu einem Trip auf, der schrecklicher sein wird als alles, was die abenteuerlustigen Frauen bis dahin erlebt haben. Juno (Natalie Jackson Mendoza) will mit ihren Begleiterinnen eine bis dahin unerforschte Höhle erkunden. Was nach einem interessanten Abenteuer in unberührter Natur klingt, kippt allerdings schnell ins unvorstellbar Bedrohliche: Als durch ein Erdstoß der Einstieg in die Höhle zugeschüttet wird, ist dieser Rückweg einmal versperrt. So bleibt den Frauen also nur, weiter in das Höhlenlabyrinth vorzudringen und nach einem anderen Ausgang zu suchen. Und als ob das unbekannte Terrain nicht schon genug wäre, ist offenbar in den Höhlensystem noch etwas ganz anderes anwesend, etwas viel Gefährlicheres und Grausames lauert in den dunklen Abgründen der Höhle und trachten den Frauen nach dem Leben.
Die Struktur von "The Descent" ist ein straffes Unterfangen und auf eine durchgehend geniale Schockwirkung hin kalkuliert. Die klaustrophobische Situation innerhalb der Höhle ist dermaßen eindrucksvoll und beeindruckend in Szene gesetzt, das man mit Angst und Schrecken die unausweichliche Situation der sechs Frauen mit ansehen muss. Zudem wird die Situation nach der Vorgeschichte über Sarah und den Autounfall konsequent und ohne breit angelegte Einführung vorangetrieben. Anders als in Genrefilmen wie "Gabin Fever" oder "Wrong Turn", die auch in abgelegener Natur fernab des als sicher geglaubten Großstadtterrains spielen, sind die Personen hier keine jugendlichen Charaktere, denen man bei ihren ausgedehnten Ritualen wie Sauf- und Balzwettkämpfen zuschauen darf. Die gesamten Charaktere von "The Descent" sind erwachsene Frauen, und dementsprechend fallen die psychologischen Spannungen innerhalb der Gruppe auch etwas subtiler und gemeiner aus.
Der eigentliche Fokus von "The Descent" liegt auf der mit allen hohen filmischen Mitteln vorangetriebenen Spannung. Wenn die Frauen in den oft genug stockdunklen Höhlengängen umherirren und vor allem, als sich mysteriöse Wesen auf ihre Fersen heften, folgt ein gnadenloser Schock auf den nächsten, man hat beinahe das Gefühl, der Regisseur Neil Marshall ("Dog Soldiers") habe seinen Film nach dem Motto Viel hilft viel gedreht. Was die konstant hohe, ja fast schon unerträgliche Spannung und auch die handwerkliche Seite des Streifens angeht, hat sich Neil Marshall auf jeden Fall ein großes Kompliment verdient. Verwässernden Witz wird man in diesen Abschnitten ganz und gar nicht finden, stattdessen dominieren hier etliche Schocks und auch der rote Lebenssaft fließt in den äußerst brutalen Splatterszenen nicht zu wenig.
Wie in "Creep" so wirkt auch in "The Descent" das Auftauchen von mysteriösen Wesen am Ende zwar ein wenig unbefriedigend, was aber in dem Fall nicht weiter schlimm ist, da hier an der Spannungsschraube um einiges höher gedreht wurde und die Inszenierung auch schneller, heftiger und härter ausgefallen ist. Anders als in "Creep", leistet sich der Film einen effektreichen und genialen Schluß-Twist, dem man seine filmische Wirkung auf keinen Fall absprechen kann.
Wird gegen Ende des Streifens mehr Wert auf blutiges Gemetzel gelegt, so konzentriert sich der Regisseur im Mittelteil auf Grusel- und Schockmomente, denn wenn die Frauen durch das furchteinflößende, dunkle Labyrinth umherirren und einem als Zuschauer kaum eine Ruhepause gegönnt wird. Gerade das im Dunklen liegende, Geheimnissvolle zeigt in diesen Passagen sein Bedrohungspotential – ein echter Evergreen unter den Horrofilm-Stilmitteln. Interessanterweise ist gerade die Andeutung des Mysteriösen oftmals gruseliger als das endgültige Zeigen.
Fazit: "The Descent – Abgrund des Grauens" hat jede Menge hervorragend umgesetzte Abschnitte, in denen die Regie mit sichtbarem Vergnügen Vollgas gibt. Und dies merkt man an allen Stellen des Films, sei es der Anfang der schon mit einer faustdicken Überraschung loslegt, der extrem spannende und schockierende Mittelteil in dem die Frauen ihre Verzweiflung in klaustrophobischen und dunklen Spalten bewältigen müssen, und der äußerst brutale Schlussteil das mit harten und blutigen Splattereinlagen auf sich aufmerksam macht. So hat das Genre neben Alexandre Aja, der ja schon mit "High Tension" und "The Hills Have Eyes" grandiose Horrorstreifen inszenierte, auch mit Neil Marshall einen weiteren talentierten Regisseur hervorgebracht, der es versteht wie man Filme in dieser Richtung zu machen hat. Ein erstklassiger Horrortrip!