Review

Das tolle am Popcorn-Heimkino ist, dass niemand neben mir sitzt, der Popcorn ist - essen im Kino, eine echt Unsitte.

Wenn Höhle und Hölle dasselbe meinen.

Nun zum Film. The Descent hat mich nahezu perfekt unterhalten. Zum Inhalt wurde hier genug gesagt. So undurchschaubar das Höhlensystem ist, in dem er spielt, so wenig Klarheit möchte ich in Sachen Inhalt liefern. Gleich zu Beginn macht der Film klar, worum es geht: Abenteuer, Splatter und psychische Härte. Die Einführung zu The Descent ist sehr gelungen, komprimiert sie doch alles, was einen in den folgenden knapp 100 Minuten erwartet.

Und nachdem sich das Mädelsgelagere in der Hütte dankenswerterweise recht schnell erledigt hat, begeben wir uns mit den Protagonistinnen auf die Reise in den Abgrund. Zu Beginn gestaltet sich ein lustiger Abenteuertrip, der zwar die jungen Damen herausfordert, aber nicht zu überfordern scheint. Diese langsame Einführung in den zweiten Teil des Films ist ebenfalls sehr gelungen, denn umso heftiger wirkt das, was dann kommt. Und als die erste Dame in einem Schacht hängen bleibt und nur kanpp vor den herabstürzenden Gesteinsmassen gerettet wird, nimmt der Film Fahrt auf. The Descent wird deutlich schneller und baut auch die bedrückende, beengende Atmosphäre auf, die den Zuschauer durchaus erschauern lässt. Zwar hält die Ausleuchtung der Höhle nicht ganz, was uns zu Beginn versprochen wird, nämlich die absolute Dunkelheit, dennoch hat sich das Filmteam für eine sehr spartanische Ausleuchtung entschieden. Somit wird das Gefühl des Unbekannten, das hinter jedem Felsvorsprung lauern kann, sehr gut transportiert und wir bekommen sehr schöne, atmosphärische Bilder geliefert.

Den Abenteuerinnen wird klar, dass sie sich nicht auf einem relativ abgesicherten Trip befinden, sondern unbekanntes Terrain betreten und völlig auf sich gestellt sind. Anstatt zusammenzuwachsen, bricht die Truppe mit der Zeit immer mehr auseinander. Der (Zusammen-)Halt geht im wahrsten Sinne des Wortes verloren - die Figuren stürzen sowohl psychisch wie auch physisch in einen Albtraum. Geschickt baut das Drehbuch Misstrauen zwischen den Figuren auf und führt langsam die Gefahr von "außen" - also eher innen - ein, die nicht auf das Tageslicht angewiesen ist, um töten zu können. Die schlabberigen Monster sind geschickte Kletterer und machen sich auf die Jagd nach Opfern, die bei weitem nicht so gut an die Höhlenwelt angepasst sind wie sie selbst. Das garantiert Spannung, die Sympathien liegen klar bei den Damen, man fiebert mit ihnen, dass sie trotz dieses Mankos überleben werden.

So macht es Spaß, den Figuren zuzusehen, wie sich zum Teil in (Überlebens-)Kampfmaschinen verwandeln. Die Kämpfe zwischen Mensch und Monster sind sehr schnell geschnitten, manchmal weiß man gar nicht, wer gerade gegen wen kämpft. So transportiert der Film auch auf der inszenatorischen Ebene die Orientierungslosigkeit sehr schön und baut dabei Spannung und Tempo auf.  Durchbrochen wird dies immer wieder durch ruhige Momenten, in denen die Damen nach Orientierung und Sammlung suchen, sowohl individuell als auch als Gruppe, denn das Misstrauen untereinander steigert sich von Minuten zu Minute weiter.

Schön zu sehen ist auch, dass hier die Frauen in einem Horrorfilm nicht nur schreiende Opfer sind, sondern dieses Klischee - wenigstens zum Teil - durch- und den Monstern das Genick und andere Körperteile brechen.

Und nach rasanter Action, relativ sparsamen, aber gut gemachten und effektvoll eingesetzten Splattereffekten kommt mit das beste des ganzen Films: das Ende. Und das ist nicht etwa deshalb so gut, weil man das Ganze nicht mehr sehen mag, sondern weil es hammermäßig ist. Das Drehbuch verführt den Zuschauer zum Aufatmen, denn es präsentiert zunächst ein Happy End, falls das noch möglich ist, nachdem die Truppe fast komplett ausgelöscht wurde. Die Hauptfigur scheint sich retten zu können, sie ist wieder im Licht, rast mit ihrem Auto davon und dann: Kommt doch alles anders, als gedacht. Zum Glück können wir uns dieses Unrated-Ende ansehen. Es zeigt, dass es wohl doch keinen zweiten Ausgang aus dem Höhlensystem gibt, den die Ladys suchen, nachdem der erste ja verschüttet wurde. Zudem zeigt das Ende, dass das Höhlensystem auch als inneres System, als psychischer Abgrund der Hauptfigur selbst zu sehen ist. Denn hier schließt sich der Kreis zu Exposition des Films. Ein Jahr nach dem herben, persönlichen Verlust, hat die Hauptfigur ihr Trauma nicht überwunden, den Ausgang dort heraus nicht gefunden. Sie öffnet die Augen und findet sich weiterhin in ihrem Abgrund wieder, den sie doch mit diesem Höhlentrip, der sich zum Höllentrip entwickelte, zu überwinden versuchte. Sie ist der Höhle und den Monstern sprich ihren eigenen Dämonen, ihrer Geschichte ausgeliefert - perfekt. Hier wird der Film sogar "philosophisch" - haben die Begriffe Höhle und Hölle doch einen gemeinsamen Ursprung.

Fazit: Ein sehr spannender, rasanter, blutiger und hervorragend mit Urängsten spielender Film. Popcorn-Kino auf sehr hohem Niveau. Wenn man dies berücksichtigt und weiß, was einen in solch einem Film erwartet, wird man sicher nicht enttäuscht, sondern sehr positiv überrascht. Denn The Descent spielt mit klassischen Horrormotiven und variiert diese. Der Film ist handwerklich perfekt umgesetzt. Einziger Wehrmutstropfen ist, dass die Figuren doch recht stereotyp sind, bis auf zwei vielleicht. Und an einigen Stellen war es mir dann für Leuchtstäbe und Taschenlampen dann doch zu hell.

9/10

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