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Jetzt sind sie alle beisammen, der Kreis hat sich geschlossen. Die ungewöhnliche Familie, bisher nur von dem Vater "Mr." und dem "Boy" bevölkert, wird nun durch das Eintreffen der Frau Mama, "Lady", komplettiert. Ihre Geschichten sind drei völlig unterschiedliche, allerdings lassen sie sich leicht durch das Wort "Rache" motivisch zusammenfassen. Doch nicht nur das hält sie zusammen, sondern auch Park Chan-wook, der jedem einzelnen der Familienmitglieder seinen unverwechselbaren Stempel aufgedrückt hat.

Park, einer der wenigen kreativ Überlebenden aus der Welle vermeintlich hochbegabter, junger Regisseure Südkoreas, die über die internationalen Lichtspielhäuser im Ende des 20. Jahrhunderts hereinbrach, ist nun nicht weniger als ein gefeiertes Wunderkind. Nach seinem Erfolg in Cannes und den lobenden Worten Quentin Tarantinos, blieb selbst in unseren, sonst dem asiatischen Kino eher zwiespältig gegenüber stehenden Breitengraden, die "Oldboy"-DVD nicht lange in den Regalen der Filialen der Entertainmentbunker liegen. Nun, zwei Jahre nach "Oldboy" muss Park seinen Nachfolgerfilm abgeben und beweisen, dass all jene Lobeshymnen gerechtfertigt waren.

Glücklicherweise hat er sich nicht angeschickt, "Oldboy" ästhetisch zu kopieren oder gar zu versuchen ihn zu toppen. Nein, das Gleichnis mit der Familie passt zu gut auf Parks Rachetrilogie: "Sympathy for Mr. Vengeance" war ein kaltblütig-nihilistischer Männerfilm, ein Schlag in die Magenkuhle, so kräftig, dass man ihn immer noch spürt und ein klein Wenig Angst hat, Park könne noch einmal so sehr ausholen. "Oldboy" hingegen war der hyperaktive Sohn, experimentell, flippig, überdreht, absolut theatralisch und vollkommen irre. Nun kommen wir zu dem dritten Teil, zur "Lady": "Sympathy for Lady Vengeance" heißt er, und es wird der Teil sein, mit dem diejenigen, die "Oldboy" blind abgefeiert haben, am meisten Probleme haben werden.

Denn es ist Park Chan-wooks Frauenfilm geworden. Ein sozialanthropologisches Drama, das sich mehr um seine Heldin kümmert, als um ihre Blutrache. Vergleicht man "Sympathy for Lady Vengeance" mit "Oldboy" könnte man ersteren sogar als introvertiert bezeichnen – und das obwohl es auch hier genug Bizarrerien und schwarzhumorige Seitenhiebe gibt. Jene cineastischen Verzierungen sind dennoch recht heruntergeschraubt, um der Charakterisierung Geum-jas (Lee Yeong-ae, die wir bereits in "Joint Security Area" gesehen haben) den Platz zu bieten, den es bedarf. Die erste halbe Stunde ist komplex erzählt, springt in den Zeiten herum und zeigt Geum-ja als eine starke Frau, die nach 13 Jahren Gefängnis, Rache plant.

Sie saß, weil sie einen Jungen, den sie gekidnappt haben soll, erstickt hat. Im Gefängnis vergiftete sie eine weitere Frau, die Hexe der Vollzugsanstalt, die durch Androhung von Gewalt ihre Mitinsassen sexuell versklavt hat. Und nun soll es einen dritten Mord geben. Dass sie unschuldig eingesperrt wurde, und dass der eigentliche Kindermörder Mr. Baek (Choi Min-sik) noch frei herumläuft und somit er Ziel der Blutrache ist, wird uns mit der Zeit klar.

Natürlich führt das alles zu einem blutigen, grausamen Finale, auch wenn zu einem, das wir so nicht gesehen haben und das innerhalb der "Rache"-Trilogie wirklich unerwartet war. Und doch endet "Sympathy for Lady Vengeance" nicht mit der post-mortalen Katharsis, sondern mit der Entdeckung, dass es keine Erlösung für Geum-ja geben wird. Egal, wie sehr sie psychologisch ihre Gerechtigkeit und Sicherheit wieder hergestellt hat, sie hat ihre Unschuld verloren und 13 Jahre ihres Lebens ans Gefängnis geopfert. Ihre Tochter, die sie als Baby deshalb zur Adoption freigeben lassen musste, wirft ihr ihre Abwesenheit vor, spricht sogar in einem intimen Brief davon, selbst mit Rachegedanken gespielt zu haben. Und so ist das Ende dieser Rachetrilogie ein moralisches: Es stellt den Racheakt als unsinnige Fantasie dar, die den Schaden weder gutmachen, noch ausbalancieren kann. Es gibt hier keine hämische Plotpointe, sondern nur der Blick in die Seele einer Frau, die sich selber die Erlösung nicht schenken kann.

War die Rachetrilogie Parks das verfilmte Talionsprinzip, so wird es in den letzten Minuten schließlich in Frage gestellt. Und das völlig ohne die Gefahr auf eine Kettenreaktion oberflächlich als einzige herauszustellen, sondern die erfolglose Hoffnung auf emotionale Reinwachsung durch Rache. Und somit expliziert Park Chan-wook hier endgültig als ganz singuläres Charakterdrama, das sich nicht irgendwelchen universalisierten Behauptungen hingibt, sondern nur eine Geschichte erzählen will, die in einer moralischen Aussage endet. Dass Park Chan-wook öfter Gefahr läuft, die Geschichte an seiner Tricktechnikverliebtheit zu ersticken, mag stören, aber nicht über die Qualitäten von "Sympathy for Lady Vengeance" hinwegtäuschen.

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