BODY SHOTS – ein unangenehmer, anstrengender, nervtötender Film. Er scheint vor allem interessant als Zeugnis der Dekadenz. - Dazu Worte des fundamentalistischen Predigers in mir, der auch mal FHM betrachtet.
Geehrte Zuhörerschaft! Wir leben bekanntlich am Ende einer Ära. Schon 1999, als BODY SHOTS entstand, befanden wir uns nahe „Peak-Everything“ (das ist noch die Steigerung von „Peak-Oil“, dem Zeitpunkt, an dem nur die globalen Ölreserven erschöpft sind). Eigentlich stehen wir damit vor den Alternativen „Verzweiflung“, „Radikaler Wandel“ oder „Nach uns die Sintflut“.
Der aufmerksamere Teil der Menschheit erkennt langsam, daß sich der Mensch nicht über Naturgesetze hinwegsetzen kann, daß die technologisch-industrielle Zivilisation auf Verschwendung, Raub und Mord (der menschlichen und nichtmenschlichen Umwelt) beruht und daß die USA Bannerträger, Vorreiter und Vorbild dieser (selbst-) zerstörerischen Zivilisation sind (***).
Passend dazu liefert BODY SHOTS ein Gesellschaftsbild zu diesem Zeitpunkt. BODY SHOTS betrachtet dabei allerdings nur den kulturell immer noch prägenden Mainstream, d.h. den weniger achtsamen Teil der Gesellschaft: Die Gruppe mit der Einstellung „Nach uns die Sintflut“.
BODY SHOTs Menschen können daher nichts anderes sein als US-Amerikaner. Sie wohnen natürlich in Los Angeles, sind zwischen 20 und 30 Jahre alt, kinderlose Singles, verfügen über perfekt gestylte Oberflächen, mindestens zwei sind Rechtsanwälte, einer Profisportler - typischere Vertreter dieser (zerstörerischen) Zivilisation konnte der Film nicht finden. Denn sie sind keine „durchschnittlichen“ Vertreter der Zivilisation, sondern sogar mehr noch: Deren Rollenvorbilder! So wie sie möchte der Durchschnittsmensch gerne sein (*). Sie sind, in übersteigerter Form, das allseits angestrebte Idealbild: jung, gesund, attraktiv, materiell abgesichert, ungebunden, eloquent, gebildet, in der Blüte ihres Lebens. Mit einem Wort „erfolgreich“ (**). "Doch", das fragt, voller guter Absichten, der Film: „Was machen sie daraus?“
Konsumfreudige, schnelllebige Genußmenschen, nehmen sie sich, was ihnen gefällt. Andersartige werden verspottet, Zukunft existiert nicht. Sie leben in einer Kunstwelt, Natur kommt nicht vor, ihnen ist die Nachwelt egal, sie sind sich selbst egal.
Entsprechend lügen sie, trinken sich bewußtlos, vergewaltigen sich und andere und pinkeln einer „Freundin“ das Badezimmer voll.
Und das ist kein Ausnahmezustand, wie in der OFDB „Wildstyles“ Inhaltsangabe suggeriert: Die acht Menschen bereiten sich nicht auf die eine „Nacht ihres Lebens“ vor, sondern auf ein ganz alltägliches Ausgehen, das zentraler Bestandteil ihres dekadenten, sinnfreien und hedonistischen Leben ist.
Im ausgiebigen Prolog werden die Bedürfnisse und Interessen der acht Figuren geschildert: Styling, Sex und Rausch. Sie geniessen ihre hemmungslose Selbstzurschaustellung. Wir erleben sie bei ihren Ritualen (mich beeindruckte besonders Penorisis detailliertes „Nach-der-Dusche“-Ritual mit dem großflächigen Auftragen eines krebserregenden Deodorants), wir folgen ihrer froh und munter vorgetragenen „Wortkotze“ (ein Begriff aus GIRLS CLUB [MEAN GIRLS]), mit der sie ihre zynischen, makabren, großsprecherischen Ansichten über Sex und Liebe verbreiten.
Während des Films arbeiten sie sich dann daran ab, diese Ansichten mit der Realität abzugleichen. Jede/r versucht, möglichst viel für sich selbst rauszuholen, es kommt zu Tanz, Gewalt, Sex, SM, Geschrei, Erbrechen, hilflosen Annäherungsversuchen (trotz aller Abgebrühtheit) und endlich Vergessen im Suff.
Natürlich entpuppen sich ihre großspurigen Reden als Illusionen. „Natürlich“, denn der Film hat durchaus noch den Anspruch zur Weltverbesserung. Doch das dekadente Milieu, das zu entlarven er sich auf die Fahne geschrieben hat, hat seine verführerischen Reize, denen auch der Film nicht entkommt.
Kurz nur wird das Scheitern einer vorsichtigen Annäherung vorgeführt, die Leere am Morgen danach, die Schwierigkeit, Lüge und Wahrheit zu unterscheiden (RASHOMON läßt grüßen), aber letztendlich dominieren flotte Bonmots, Tanzszenen, Prügeleien und Sexgerangel – das ist nur bedingt spannend, geht auch nicht zu Herzen, aber sieht wenigstens gut aus.
Scheitern mit Stil, Katzenjammer als Luxusproblem. Noch herrscht keine Panik auf der Titanic.
(*) Wenigstens zwei der Schauspielerinnen dienen dann auch in der Realität als „Role Models“: Amanda Peet taucht immer wieder in einschlägigen Rankings auf:
Amanda Peet's List Rankings/Appearances: 2000 - No.61, FHM's 100 Sexiest Women in the World2000 - listed, People Magazine's 50 Most Beautiful People in the World 2002 - No.44, Stuff magazine's 102 Sexiest Women in the World2006 - No.87, FHM's 100 Sexiest Women in the World 2007 - listed, People Magazine's 100 Most Beautiful People in the World.
Auch Tara Reid findet sich immer wieder auf den Seiten des FHM-Magazins, oder an der Seite eines anderen „Role Models“, Paris Hilton.
(**) „Erfolgreich“ natürlich nur innerhalb der Parameter einer selbstzerstörerischen „Zivilisation“, in der z.B. auch Zerstörung, Ressourcenraub und Versklavung als „Erfolge“ gelten. (***)
(***) Hey, ich höre mich ja an wie in diesem Murks-Film „Der Tag, an dem die Erde stillstand“! Siehe dort! - Und noch mehr zum Thema „Zivilisation“ und „Zivilisation als Problem“: siehe Derrick Jensens monumentales Buch „Endgame“.