Es ist mir vollkommen unverständlich, wie Wesley Snipes (auch unabhängig der Tatsache, dass er mit seinen letzten Projekten ohnehin in bestenfalls mäßige B-Film-Gefilde abgerutscht ist) seine Teilnahme an „the Marksman“ zusichern konnte – schließlich war die Qualität dieses Drehbuchs wiederum eine Klasse schwächer als seine vorherigen Karriere-Fehltritte (“Unstoppable“/“7 Seconds“). Dabei hatte ich mir im Vorfeld selbst erneut einen Funken Hoffnung eingeredet (ja, ich weiß: My bad!), denn mit Marcus Adams („Octane“) stand ein interessanter und fähiger Regisseur am Ruder, das Skript wurde u.a. von Routinier J.S.Cardone („Forsaken“) verfasst. Vollkommen misslungen ist der Streifen letztendlich gar nicht unbedingt – aber über das untere Mittelmaß kommt er ebenfalls nicht hinaus.
Irgendwo in Russland besetzen tschetschenische Terroristen ein stillgelegtes Atomkraftwerk und drohen damit, jenes mit Hilfe von aus dem Ausland beschafften radioaktiven Materialien zur Kernschmelze zu führen. Da sich aber 7 ausländische Wissenschaftler zum Zeitpunkt der Übernahme in der Anlage befanden, von denen gar 4 aus den USA stammen, ist die amerikanische Regierung daran interessiert, das Problem auf ihre Art zu lösen – zumal die Russen „die Kontrolle über die Lage“ verloren zu haben scheinen. Aus diesem Grund entsendet man eine „Ranger“-Einheit, die von einem „Painter“ (Snipes) begeleitet wird, welcher neben der Befreiung vorrangig die Schwachstelle des Reaktors auskundschaften sowie für einen gezielten Luftschlag markieren soll. Die Operation verläuft überraschend zügig, glatt und mit wenig Feindkontakt – obwohl sich die Wissenschaftler recht schnell als schon lange tot herausstellen – das Leitsignal wird am effektivsten Punkt des Gebäudes angebracht, das Team zieht sich zur Extraktionsstelle zurück. Auf dem Weg beschleicht dem Painter jedoch so ein merkwürdiges Gefühl – und tatsächlich gerät die Einheit kurz darauf in einen Hinterhalt, wonach es hauptsächlich an ihm liegt, seine Kameraden zu befreien sowie eine neue, noch akutere und bedrohlichere Facette der Situation zu neutralisieren…
Ich weiß gar nicht so recht, wo ich mit der inhaltlichen (negativ-) Kritik beginnen soll. In der Realität hat sich ja gezeigt, dass der Kreml gerade in Bezug auf tschetschenische Terroraktion wenig zimperlich vorgeht, doch hier greift man sogar auf US-Hilfe zurück, da man nicht mehr „Herr der Situation“ ist (was vermutlich anhand einer ziemlich zusammenhangslosen Sequenz ganz am Anfang veranschaulicht werden sollte, in der ein einzelner (!) russischer Soldat von einem Panzer durch die Gegend gehetzt wird). Logikpatzer offenbaren sich in regelmäßigen Abständen (einige davon zudem unfreiwillig komisch), wie zum Beispiel eine manipulierte Aufnahme eines russischen Spionagesatelliten, die man zum Glück aber mit dem Bild eines US-Gegenstücks vergleichen kann (passenderweise aus dem exakt identischen (gar noch seitlichen) Winkel aufgenommen!), die Beschattung eines verdächtigen LKWs mit einem knallroten Kleinwagen, welcher sich auf einer langen Fahrt durchs Land die meiste Zeit als einziges Fahrzeug auf der Straße hinter dem Zielobjekt in einem Abstand von nur rund 100 Metern (also extrem „unauffällig“) bewegt, oder dass der Painter mit einem alten russischen Feldtelefon problemlos seine Chefin im Hauptquartier übers Handy aus dem Krisengebiet anrufen kann (um nur einige Beispiele zu nennen). Hinzu kommen noch etliche Fehler (ein Kampfflugzeug feuert eine Rakete ab, doch als kurz darauf vor einem zweiten Abschuss die Anzeige der verfügbaren Waffen erneut eingeblendet wird, werden dort noch alle Flugkörper als vorhanden angezeigt) sowie Klischees en masse (der (farblose) Oberbösewicht wird „standesgemäß“ mit einer Szene eingeführt, in welcher er erst einmal einige Gefangene hinrichten lässt, die Bewacher der Geiseln trinken zwischendurch mal eben etwas Wodka, wobei sie sich natürlich besonders leicht erschießen lassen, es gibt korrupte Politiker im Kreml etc).
Und was trägt Wesley so zum Erfolg oder Misserfolg des Films bei? Hauptsächlich sein Name sowie Abbild auf dem Covermotiv, denn schauspielerisch gibt es hier rein gar nichts abzuleisten – und davon macht der Herr dann auch ausgiebig Gebrauch, denn derart blass sah man ihn schon lange nicht mehr, was angesichts seiner vergangenen schwachen Leistungen einen erneuten Tiefpunkt markiert. Seine Rolle ist strikt nach dem Genre-Baukasten-Prinzip zusammengesetzt worden: Mit einer Trainingssequenz wird er als Profi auf seinem Gebiet eingeführt, ist ein Einzelgänger, der in der urigen Strip-Bar seines Standortes (Wiesbaden!) abseits der Truppe sitzt und daher vom Team nicht gerade begeistert im Rahmen des gemeinsames Einsatzes aufgenommen wird (eher unbeabsichtigt in diesem Zusammenhang: Während er den Sender am Zielpunkt anbringt, sichern sie ihn nicht einmal, sondern ziehen sich bereits zurück!). Aber es ist halt so, dass es (O-Ton der Befehlsführer) „nur einen Mann mit genügend Erfahrung für den Job“ gibt, und so erhält er schließlich, trotz eines Traumas (beim Einsatz in Bosnien hat er versehentlich das falsche Ziel markiert – Unschuldige starben), den Auftrag, in dessen Verlauf er das Vertrauen seiner Männer gewinnt sowie ihre Leben, den Tag und die Weltordnung rettet. In Nebenrollen verdienen sich Tim Abell („the Base“) und William Hope („Submerged“) routiniert ein paar Dollar, Produzent Andrew Stevens („Pursued“) gibt sich mit einem Cameo die Ehre. Alle anderen Beteiligten sollte man lieber nicht erwähnen – vor allem die Darsteller der „Rangers“ nicht, welche nahezu allesamt fehlbesetzt wirken.
Das Drehbuch ist dermaßen weit von „originell“ oder „kreativ“ entfernt, dass man sich ernsthaft fragen muss, wie ein (noch) einigermaßen hoch eingeschätzter Actionstar wie Snipes sich bloß dafür hergeben konnte. Liest er das Material im Vorfeld überhaupt noch? Wirft ein solches Projekt wirklich genügend Geld ab, dass es ihm egal sein kann? Es wäre problemlos möglich gewesen, „the Marksman“ mit minimalen Abänderungen auch als „U.S. Seals“ (Teil X) oder „Operation Delta Force“ (Part Y) umzusetzen – für die Hauptrolle hätte man getrost Michael Dudikoff, Joe Lara oder Frank Zagarino verpflichten können, derart gesichtslos und austauschbar wirkt sie. Dem Zuschauer ist es irgendwann schlichtweg egal, was aus den Leuten wird, denn es gibt nicht einmal einen Ansatz von Charakterentwicklung zu erspähen. Der gesamte Verlauf gestaltet sich vorhersehbar sowie nach dem bekannten 08/15-Schema, von Snipes´ beeindruckenden Kampfkünsten wird (erneut) kein Gebrauch gemacht (Warum eigentlich nicht?! Das wollen die Leute schließlich sehen! In einer Szene ist zumindest ein Funke Hoffnung vorhanden, bevor aber wiederum zur Waffe gegriffen wird…), die Dialoge sind mau und abgegriffen („Are your nerves shaking? Good. That means that your instincts are turned on!“). Zusätzlich ist anhand der Tatsache, dass die Bezeichnung „the Painter“ im Film zigmal Verwendung findet, leicht zu erkennen, dass man genau jenen ursprünglichen Titel nachträglich zu „the Marksman“ abgeändert hat – der tatsächliche Ausdruck klang wohl nicht cool oder spektakulär genug…
Wenn ich jetzt noch anführe, dass es einige nicht optimal eingefangene Stunts (ein explodierender, sich überschlagender Jeep), teils nervige, abrupte Zeitraffer-Übergänge, ärgerlichen „Stock Footage“-Einsatz (zwar mit Farbfiltern verfremdet, aber trotzdem eindeutig etwa aus „Navy SEALs“ oder „Top Gun“ (letzteres Beispiel ist richtig ärgerlich!) zu erkennen) sowie recht ruhige erste 50 Minuten gibt, kann man sich zurecht fragen, warum ich den Film abschließend nicht deutlich schlechter bewerte. Die Antwort lautet: Die Optik und das letzte Drittel! Regisseur Marcus Adams´(“Long Time Dead“) erster Ausflug ins Action-Genre kann man zwar als „gescheitert“ bezeichnen, doch seine Handschrift (eine professionelle, atmosphärische Inszenierung, die vor allem bei einer Krankenhaussequenz zum Tragen kommt, bei der er den Stil seines Horror-Backgrounds ausnutzt) rettet den Film vor dem totalen Absturz. Gedreht in einem verlassenen Industriegebiet Rumäniens (als Russland-Ersatz), hatte man viele alte, halb verfallene Gebäude zur Verfügung, die man bedenkenlos für die Produktion sprengen/zerstören konnte – und von dieser Option haben die Macher ausgiebig Gebrach gemacht! Panzer, die durch Mauern fahren, Fassaden, die von hunderten Kugeln durchsiebt werden, verschiedene Arten von Explosionen – da lacht das Herz eines Actionfans und tröstet ansatzweise über den Gesamteindruck hinweg, dass man hier (vor allem in den ersten 2/3) nur leidlich und letztendlich unterdurchschnittlich unterhalten wurde. Schade, denn mit einem besseren Skript als Fundament hätte man angesichts der zur Verfügung stehenden Location, jenem Stunt-Team, Hauptdarsteller und Regisseur einen echten B-Film-Knaller schaffen können – so wird man jedoch mit einem recht unbefriedigenden Eindruck zurückgelassen.
Fazit: „the Marksman“ bildet das neuste Bleigewicht an Wesleys Fuß im „Direct to Video“-Karrieresumpf, welches mich meine persönliche Hoffnung auf Besserung in seinem Fall für die nahe Zukunft erst einmal begraben lässt … 4 von 10.