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Dil Ka Rishta- Nur dein Herz kennt die Wahrheit

Diese Inder sind schon ein lustiges Völkchen. Da versucht der global tätige MTV- Konzern dort Fuß zu fassen und geht dort mit seinem Tochterunternehmen beinahe pleite- doch erst nachdem das Programm auf einheimische Musik umgestellt wurde, erzielte man die benötigten Quoten. Eine schallende Ohrfeige ins Gesicht jener, die glauben, die Jugend wäre auf der ganzen Welt gleich gepolt. Mit der zweitgrößten Filmindustrie der Welt verhielt es sich genau anders herum: Die Filme waren zwar in Teilen Asiens und vielleicht noch Kanada erfolgreich, doch darüber hinaus war ihnen kein Publikum beschieden. Das wird sich jetzt wohl ändern, und nachdem immer mehr Bollywood- Filme einen hiesigen Verleiher finden, kommen auch wir vollkommen amerikanisierten Deutschen so langsam in den Genuß des indischen Filmschaffens.
Das deutsche Label Rapid Eye Movies, die bisher überwiegend japanische Filme im Programm hatten, stürzten sich auf die Marktlücke und brachten bereits andere indische Gassenhauer in unsere Gefilde, z.B. „Ich bin immer für dich da“ (2004), der sogar seine deutsche TV- Premiere zur Prime Time bei RTL 2 feierte. Man darf sich also schon auf mehr in der Richtung einstellen. Es sei REM Erfolg gewünscht mit diesem alles andere als todsicheren Projekt. Zu unterschiedlich von unserer durch amerikanische Filme beeinflussten Wahrnehmung dessen, was man als eine gute Inszenierung erkennt, werden dort Filme in Szene gesetzt. Da mag es harte Actionhelden geben, doch lassen auch diese es sich nicht nehmen, plötzlich Lieder von Liebe und Freundschaft anzustimmen. Filme wie „Monsoon Wedding“ oder „Salaam Bombay“, die keine Gesangseinlagen enthielten und den Fokus eher auf eine realistische Inszenierung der gesellschaftlichen Zustände legten, mögen zwar international für Aufsehen gesorgt haben, doch im einheimischen Markt wurden sie durch die Zensur verfolgt und vom Publikum geschnitten. Irgendwie auch verständlich, denn wer in der DDR aufwuchs, wollte auch nicht im Kino die doch teilweise recht kritischen Filme aus eigener Produktion sehen (Filme wie „Spur der Steine“ oder „Die Legende von Paul und Paula“ waren da wohl die berühmte Ausnahme).
Der vorliegende Film mag ein zuckersüßer Liebesfilm sein, bewahrt sich jedoch immer Ecken und Kanten, die man in einem Liebesfilm mit Julia Roberts nicht vorfinden würde. Er handelt von einem reichen und gutaussehenden (ich möchte nicht sagen: schmierig) Schnösel namens Jai, der sich in die Lehrerin einer Taubstummen- Schule, Tia, verliebt. Dort heuert er als Mädchen für alles an, und alle schließen ihn ins Herz. Zu seinem Leidwesen muß er feststellen, dass Tia bereits eine Beziehung zu einem lockeren Motorrad- Hallodri eingegangen ist. Deswegen ist Jai todunglücklich und fängt mit dem Trinken an, kein Wunder, denn sein Vater (die Mutter ist tot) liegt ihm dauernd in den Ohren, wann er denn endlich eine Frau nach Hause brächte. Währenddessen heiraten Tia und ihr Motorrad- Rocker, und sie wird schwanger. Eines Nachts, als Jai in betrunkenem Zustand mit seiner Cousine Auto fährt, verursacht er einen tragischen Unfall, bei dem er mit dem Wagen zusammenstößt, in dem die hochschwangere Tia und ihr Mann auf dem Weg zum Krankenhaus waren. Dieser und die Cousine kommen dabei ums Leben. Tia leidet danach an Gedächtnisverlust. Jai kümmert sich um sie, auch, wenn er weiß, dass sie eines Tages ihre Erinnerung zurück erlangen wird...
Viele amerikanische Kinofilme der letzten Zeit- und damit auch die deutschen Epigonen- verfolgen eine künstliche visuelle Strategie, mit bewusst dunkel gehaltenen, blau eingefärbten, beinahe monochrom wirkenden Bildern. Von Anfang an ist das Bild hier dem komplett entgegengesetzt, von einer bonbonfarbenen Künstlichkeit, wie sie bunter schon fast nicht geht. Dieselbe Strategie verfolgt die Spannungskurve des Filmes: Während in einem herkömmlichen Liebesfilm, wie wir ihn kennen, die wirklich heftigen Schicksalsschläge doch eher ausgespart bleiben, schlägt das Schicksal hier erbarmungslos zu. Der heftige Unfall wird graphisch explizit dargestellt, und dass zwei der Hauptcharaktere dabei wirklich sterben, war so nicht vorauszusehen- allerdings die einzige Möglichkeit für Jai, noch einmal in Tias Nähe zu gelangen, nachdem sie ihm vorher in unmissverständlicher Manier einen Korb gegeben hatte. Und natürlich kommen die für einen richtigen indischen Blockbuster so wichtigen Gesangseinlagen nicht zu kurz- immerhin fünf Songs hat die Karaoke- Funktion auf der DVD vorzuweisen. Und gesonderte Credits für den „Music Director“, „Background Music“, „Lyricist“ etc. machen deutlich, wie wichtig die Musik für einen solchen Film ist.
Womit wir bei der DVD- Ausstattung gelandet wären. Daß der Film selbst in ausgezeichneter Bild- und Tonqualität zu genießen ist, sollte sich langsam von selbst verstehen (ist es aber nicht, sonst könnten wir uns solche Besprechungen ja sparen). Was aber nicht immer selbstverständlich ist, ist die wirklich astreine Kinosynchronisation, die mit professionellen Sprechern aufgenommen wurde und damit besser klingt als viele der von Pseudopromis „verzierten“ Synchronisationen der letzten Zeit. Klasse! Oberflächlich gesehen mag das wie ein wenig wichtiger Punkt anmuten. Das täuscht jedoch, denn wie soll ein Film wirken oder ein deutsches Publikum finden, wenn er eine dilletantische Synchronisation aufzuweisen hat wie manche japanischen Filme der letzten Zeit? Dazu gibt es noch TV Clips und einen Kinotrailer, die jedoch mehr wie ein Musikvideo gestaltet sind, mit vielen Zeitlupen und Tanzeinlagen. Das beste Feature dürfte die Karaoke- Funktion sein, bei der man die Songs des Filmes gesondert anwählen und dann mitsingen kann, denn die Texte werden dazu eingeblendet. Für jeden Nichtinder dürfte sich der Versuch jedoch als fatal erweisen, denn unsere Stimmbänder sind für solcherlei Frequenzen wohl eher nicht ausgelegt. Aber es käme auf den Versuch an. Ich freue mich jetzt schon auf den Tag, wo man bei mir in der Straße die Leute indische Hits aus den Fenstern krähen hört.
Indische Filme dürften zunächst einmal etwas mehr Gewöhnung beim deutschen Publikum erfordern, und die Gewöhnung beginnt erst mal mit der Verfügbarkeit. Rapid Eye Movies sorgen dafür, nun ist es an uns, das Angebot wahrzunehmen. Übrigens lief auf dem Fantasy Film Festival letzten Monat mit „Kaal“ dank desselben Labels ein aktueller indischer Film, den man sich in der nächsten Zeit ins heimische DVD- Regal stellen können wird. Der wurde im Programm mit „Der erste indische Geisterfilm“ beworben, was natürlich bei der Masse an Filmen nicht zutrifft, die diese Filmindustrie jährlich auf den Markt wirft. In der „Aurum Encyclopedia Of Horror“ (Herausgeber: Phil Hardy) wird man eines Besseren belehrt.
Wer über das Thema Bollywood Genaueres wissen will, der sollte mal einen Blick in das Magazin „Splatting Image“ Nummer 62 (siehe unser Bericht über diese Ausgabe) werfen, in der es einen Abriß der Geschichte dieser faszinierenden Filmindustrie gibt. Morris

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