Ein beknackter Cop, ein ausgestorbenes Kaff mitten in der Wüste Nevadas, allerlei Viehzeugs und wilde Bestien - "Desperation" ist eines von Stephen Kings besten Werken innerhalb der 90er. Der Bestseller erschien zeitgleich mit "Regulator", einem ähnlichen Roman, den der Meister unter seinem Pseudonym Richard Bachmann schrieb. Im Grunde geht es um das Wesen TAK, das sich aus einer alten Mine befreien konnte und Menschen befällt, um durch sie schreckliche Taten zu begehen. So weit, so gut.
Daraus wurde dann eine zweistündige Miniserie für's Fernsehen gedreht, Regisseur mal wieder Kings Liebling Mick Garris, der bisher der Regisseur mit den meisten Verfilmungen des Horrorkönigs im Katalog ist. Damit es auch richtig Spaß macht schrieb King auch noch das Drehbuch und war als ausführender Produzent zu Gange. Bisher führte das zu eher mäßigen Filmchen, beispielsweise der grotekste Brüller "Schlafwandler" oder auch das ziemlich überraschungslose Remake von "Shining". Aber Gott sei Dank, Desperation hebt sich ein bisschen von alldem ab und liefert endlich mal gute (lange) Unterhaltung...
... Zumindest die erste Stunde. Ron Perlman spielt den offenbar beknackten Provinzcop Collie Entragain, der aus einer Laune der Natur Passanten in der Nähe abfängt und sie in seinen Knast sperrt. Nicht etwa aus diabolischer Freude, sondern weil er - bzw. TAK - weitere Leihkörper für seine Existenz braucht, da menschliche Körper in der Regel ziemlich schnell abnutzen. So befasst sich die erste Hälfte überwiegend mit der Einführung der Opfer und deren Spekulation, was der Hühne von Sherrif mit ihnen vorhat. Doch leider leider spielt Perlman nunmal nur einen Leihkörper, und der ist nach rund 60 Minuten aufgebraucht und einfach weg. Aber für die zweite Hälfte haben wir ja den jungen David Carver...
...der sich als ziemlich gläubig erweist. Sonst ist man von King ja immer fanatische Furien gewohnt. Das fing an bei der Mutter von Carrie aus dem gleichnamigen Film, die ihrer Tochter das Leben zur Hölle machte, und endete jüngst im Kinofilm "Der Nebel" bei der ebenfalls fanatischen Mrs. Carmody. Nun haben wir das ganze mal andersrum. David Carver steht für Gott, fungiert fast schon als Sprachrohr, und wirklich keine Minute vergeht ohne ein Gebet oder der Versicherung, dass alles Gottes Wille ist. Berechtige Fragen von allen Charaktern, was für ein Gott zulassen würde, dass ein Cop Amok läuft, der übrigens selbst den jungen David fragt, wo denn Gott war als Jesus "am Kreuz hing mit Fliegen in den Augen". David hat keine richtige Antwort parat, ein paar Szenen weiter sagt er dann wieder "Gott segne uns". Hallelulja.
Leider geht deswegen dem bis dahin ansonsten wirklich guten Film ein ganzes Stück Spannung ab. Plötzlich wird wieder viel zu viel geredet, und man vermisst deutlich die zynische Ader von Perlman, der seine Rolle offenbar wirklich genoss. Als Ausgleich wird die letzte Stunde alles etwas ekliger. TAKs neuer Wirt (eine Mutter mittleren Alters) verliert im Kampf das halbe Gesicht und später noch den Arm, überall lauern Spinnen, Skorpione und Schlangen, ein Puma springt durch's Fenster und zerfleischt einen unserer Helden. Schlecht ist das alles nicht, nur wirkt es vergleichsweise wirklich schon unglaublich nervig, wenn David jede Situation mit Gott zu beantworten weiß.
Es wäre jetzt auch schön zu sagen, dass Mick Garris vielleicht nach nun schon zwanzig Jahren Filmerfahrung das ein oder andere gelernt hätte. Nein, hat er nicht. Immer noch vertraut der Regisseur mit dem Knautgesicht auf seine wirre Kamerahandhabung. Meistens konnte er sich wohl nicht entscheiden, ob er eine Szene simpel, spektakulär oder einfach nur zweckerfüllend filmen wollte, und hat stattdessen alles miteinander vermischt, was zu unfreiwillig lachhaften Schwenks führt. Mal zoomt die Kamera so nah an Perlmans Gesicht ran, dass man seinen Schweißgeruch förmlich riechen kann, viel öfters sehen wir eine Szene aus einer unschicken Froschperspektive.
Das tut aber keinen Abbruch, wenn wirklich etwas sehenswertes passiert. Wenn nun überall Leichen liegen oder aufgehangen sind, oder eine Kompanie Hunde an der Straße steht und Wache hält, genau da hat "Desperation" seine lobenswerten Momente. Gruselig in dem Sinne wird es dagegen vielleicht etwas selten, eigentlich nur, wenn Perlman an Bord ist. Einige typische Querverweise von Kings gibts dann auch noch (an einer Wand steht REDRUM), genau wie die Szenen von King, die man dem Autor beim verfassen von Drehbüchern wohl nie ausreden kann. Allen voran solchen Brüllern wie das magische Filmgerät, durch das Gott seinem Jüngling David zeigt, wie TAK aus der Mine entkommen konnte (Möchtegern-Stummfilm mit bescheuerten Texttafeln. Wenn Gott so mächtig ist, warum zeigt er David dann keinen Farbfilm mit Ton?), oder der späteren Szene, in der Autor John Marinville ins Kino geht und seine Vergangenheit auf der Leinwand sieht (Ja ne...).
"Desperation" ist ein unterhaltsamer Samstagabend-Film mit guten Momenten, einem grandiosen Ron Perlman und einem nervenden Kind. Gläubige werden den Film wahrscheinlich lieben, gerade gegen Ende, wenn der Todesschlag für jeden normalen Zuschauer kommt und David mitsamt seiner Gruppe wirklich einen Kreis zum beten bildet (nachdem er vorher schon beim Essen ein Tischgebet aufsagen musste). Das machen gute Sachen wieder wett, aber peinliche Momente gibts dann doch wieder an unerwarteten Stellen (wie der Orgasmus, ausgelöst durch eine Steinfigur). Auf den Punkt gebracht: King-Liebhaber werden wieder genug Gründe finden, warum sie den Autor einfach lieben, King-Gegner dagegen werden wieder darin bestätigt, warum sie ganz bewusst einen Bogen um den Mann machen.
6,5/10