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Bei seinem zweiten geplanten Tonfilm ging Hitchcock äußerst interessante Wege. Das Problem beim Tonfilm war nämlich die Vermarktung im Ausland. Eine echte Synchronisation gab es noch nicht. Beim Stummfilm konnte der Verleiher lediglich die Texttafeln austauschen und in die jeweilige Landessprache übersetzen, was beim Tonfilm eben nicht gegeben war. Um trotzdem auf den deutschen Markt zu kommen, lies er die deutschen Darsteller nach London kommen und drehte die Szenen zweimal. Einmal mit der englischen Besetzung, dann wieder mit der Deutschen. Dies war nach seinen Angaben problematisch, da er zwar ein wenig Deutsch sprach, aber nicht so gut, dass er ein Gefühl für die Dialoge gehabt hätte. Dazu später noch ein wenig mehr.

Der Theater-Mogul Sir John ist Geschworener in einem Mordprozess. Die Angeklagte kennt er zufällig ein wenig, da sie sich beim ihm mal beworben hatte und er ihr zunächst empfahl sich erstmal in der Provinz zu versuchen, um Erfahrung zu sammeln. Bei der Theatergruppe, an die sie sich angeschlossen hatte, geschah nun ein Mord und sie saß regungslos mit dem Opfer im Zimmer, die Mordwaffe zu ihren Füssen. Trotz Zweifel von Sir John im Prozess, lässt er sich dazu überreden sie schuldig zu sprechen. Dennoch fällt ihm hinterher ein Detail auf, was nicht ins Bild passt. Er beschließt zu ermitteln.

Handwerklich befinde ich den Film nicht zu seinen Großtaten gehörend.

Nicht unbedingt durch die Dramaturgie, sondern eher am ziemlich groben Schnitt und an der Abfolge der Szenen. Vieles wirkte eben wie eine Aneinanderreihung von Bühnenauftritten. Der Tatort, die Befragung der Polizei, die Gerichtsverhandlung sowie das Geschworenenzimmer ist für mich etwas zu episodenhaft aneinander gereiht. Als aber die Ermittlungen beginnen, nimmt der Film richtig Fahrt auf und macht eine Menge Spaß.

Auch ist Hitchcocks Lieblingsmotiv, des zu Unrecht beschuldigten Menschen, klar zu erkennen. Nur aus einer ungewohnten Perspektive, da die eher teilnahmslose Hauptverdächtige, eine Nebenrolle inne hat. Somit entwickelt sich ein "Whodoneit", ein Feld das Hitchcock eher weniger mochte und gegenüber Truffaut als langweilig bezeichnete. Dies merkt man dem Film zumindest zu Beginn ein wenig an. Wäre nicht die erstklassige Performance von Herbert Marshall allgegenwärtig, würde er möglicherweise schwächer abschneiden. Somit greift Sir John nicht nur in den Fall ein, sondern gibt ihm auch noch die entsprechende Würze. Sein deutsches Pendant, Alfred Abel, macht seine Sache ebenfalls richtig gut. Alfred Abel hat somit unter Hitchcock, Fritz Lang und F.W. Murnau gespielt, was einfach nur bemerkenswert ist. Leider hat er nie erfahren, wie großartig diese Regisseure heute gesehen werden, da er bereits 1937 verstarb.

Trotzdem hat die deutsche Variante zu kämpfen, was einfach daran liegt, das er partiell unglaubwürdig erscheint. Nur die Darsteller auszutauschen erwies sich als falsch, da der Rest zu britisch war. Allein die Gerichtsverhandlung mit Geschworenen passte einfach nicht in eine deutsche Handlung. Die Fehler hat Hitchcock später bemerkt und auch eingesehen. Insgesamt mag ich den Film sehr gerne, bevorzuge aber klar und deutlich die britische Variante, die ich diesmal auch im O-Ton geschaut habe. Wenn der sprung- und bruchstückhafte Beginn nicht wäre, würde er bei mir aber deutlich höher im Kurs liegen. Er wirkt nicht wie aus einem Guss, wie es bei "The Manxman", "Der Weltmeister", "Blackmail" oder "Der Mieter" der Fall war. Zudem mochte ich seine Co-Ermittler nicht sonderlich und auch die Szene mit den Kindern im Bett fand ich persönlich einfach befremdlich und unlustig. Das sah nebenbei bemerkt auch Alfred Abel so, der die Szene nur widerwillig spielte. In der deutschen Version wurde übrigens auch das Motiv für die Verschleierung des Täters umgeschrieben, was für mich auch nicht sonderlich gelungen war. Trotz allen Kritikpunkten macht der Film Freude aber er wird nicht in einer Hitchcock Top 30 bei mir zu finden sein.




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