„Last Boy Scout“ ist einer der am meisten unterschätzten Filme aller Zeiten. Beim Kinostart spielte er ‚nur’ seine Kosten wieder ein und wurde von der Kritik zerrissen. Dabei ist es eine der besten Arbeiten aller Beteiligten, wie des Regisseurs Tony Scott, des Produzenten Joel Silver, des Drehbuchautoren Shane Black sowie der Schauspieler Bruce Willis und Damon Wayans..
Schon zu Beginn zeigt sich die Brillanz von Regisseur Tony Scott und Drehbuchautor Shane Black. Während der Credits wird gezeigt wie die Amerikaner Footballspiele zelebrieren – laut und heroisch. Doch kurz darauf zeigt Tony Scott die andere Seite dieses Profisports: Bei miesem Wetter und wenig Zuschauern richtet der von Drogen zerstörte Quaterback Billy Cole (Billy Blanks), nach der Aufforderung eines Unbekannten via Telefon ein paar Touchdowns zu machen, ein Blutbad an: Er erschießt zwei andere Spieler, verwundet einen weiteren und begeht anschließend Selbstmord. Zusammen mit Scotts packender Inszenierung offenbart diese Eingangssequenz den abgrundtiefen Zynismus des Films, aber auch eine unterschwellige Gesellschaftskritik. Auch das Können von Shane Black tritt hier offen zu Tage: Die Tatsache, dass der geheimnisvolle Anrufer Billy mit William anspricht, wird auch im Film wieder aufgegriffen.
Kurz darauf wird Joe Hallenbeck (Bruce Willis) eingeführt, der Held des Films und der letzte Boyscout. Aus seinem Job als Bodyguard für Regierungsbeamte gefeuert, weil er einschritt, als Senator Calvin Baynard (Chelcie Ross) ein Mädchen verprügelte, betreibt Hallenbeck eine Privatdetektei. Er säuft, schläft in seinem Sachen im Auto und hat jede Selbstachtung verloren. Willis spielt den Verlierer auf eine großartige Weise, auch wenn Hallenbeck eigentlich nur eine heruntergekommenere Variante von John McClane aus „Stirb langsam“ ist.
Ebenfalls tief gefallen ist der ehemalige Quaterback Jimmy Dix (Damon Wayans), der wegen illegalem Glücksspiel aus der Liga geworfen wurde und seinen Kummer verdrängen will, indem er sich dauernd betrinkt, Drogen schluckt und seine ihn liebende Freundin Cory (Halle Berry) betrügt. Auch Wayans spielt den schwarzen Sidekick, dessen Rolle ihm auf den Leib geschrieben ist. Beeindruckend ist auch die Tatsache, dass ein ehemaliger Saturday Night Live Komiker wie Wayans es auch schafft, die ernsten Aspekte seiner Figur sehr gut rüberzubringen.
Bei sich zu Hause muss Hallenbeck feststellen, dass seine Frau Sarah (Chelsea Field) ihn mit seinem Detektivpartner Mike betrügt. Hallenbeck macht diesen zwar zur Sau, aber übernimmt trotzdem noch einen ihm angebotenen Auftrag: Cory beschützen! Kurz darauf wird Mike von einer Autobombe getötet. Dieser Teil ist kennzeichnend für den ganzen Film. Zuerst beweist Scott uns die detektivischen Fähigkeiten von Hallenbeck: Ein hochgeklappter Toilettensitz, Dampf im Badezimmer und die trockenen Haare seiner Frau lassen ihn sofort erkennen, was Sache ist. Sein folgender Wutausbruch offenbart Hallenbecks Idealismus, aber auch seine Schussfähigkeiten (Zielgenau wird ein Hochzeitsfoto zerschossen). Ebenfalls tritt der strenge Ehrenkodex von Hallenbeck zu Tage: Er lässt seinem Partner und Freund die Wahl, ob ihm auf die Nase oder in den Magen schlagen soll. Dieser Kodex wird sich immer wieder im Film finden, auch bei Jimmy Dix: So riskiert auch sein letztes bisschen Ansehen in der Liga, um einen Mädchen zu helfen. Eine Eigenschaft, welche die beiden Hauptfiguren verbindet.
Beim Schutz von Cory gerät Hallenbeck lernt er Dix kennen, zum anderen wird er in ein Komplott verwickelt, als Cory von ein paar Killern getötet wird. So werden er und Dix zu unfreiwilligen Partnern. Dass mehr hinter dem Beschützerjob steckt, wird dem Zuschauer bereits bei der Ermordung von Hallenbecks Partner bewusst. Trotzdem offenbart „Last Boy Scout“ auch an dieser Stelle noch nichts von den Hintergründen des Attentats, was wieder mal von der Geschicklichkeit Scotts und Blacks zeugt. Nebenbei gibt der Überfall auch Raum für eine Actioneinlage der Extraklasse: Willis räumt mit zwei Pistolen á la John Woo unter den Killern auf.
Auch wenn die Action in „Last Boy Scout“ nicht so häufig auftritt; die vorkommenden Actionszenen gehören zu den besten die je gedreht wurden. Zum Repertoire gehören Shoot-Outs, Fights und Verfolgungsjagden via Auto, per Pedes und einmal kurz sogar zu Pferd. Es verwundert, dass „Last Boy Scout“ ohne Schnittauflagen sowohl das R-Rating als auch FSK 18 bekam. Denn „Last Boy Scout“ ist einer der härtesten Actionfilme und dazu noch einer im Mainstreambereich: Blutige Treffer, harte Prügeleien sowie brennende Menschen, und im Finale wird kommt eine wahrhaft heftige Todesszene. Trotzdem wird Gewalt nicht auch immer nur cool und positiv dargestellt; die Konfrontation von Chet (Kim Coates) und Hallenbeck am Pool wirkt auch abschreckend.
Der zynische Witz von „Last Boy Scout“ ergibt sich vor allem aus der Interaktion von Willis und Wayans. Denn ohne auf gewollt witzig getrimmt zu sein, ergeben sich viele der Gags, ähnlich wie bei „Stirb langsam“, einfach aus dem Kontext. Die Sprüche sind dermaßen genial, dass man in der imdb-Sektion ‚Denkwürdige Zitate“ eigentlich das komplette Drehbuch eintragen könnte.
Die Story ist komplex, spannend und immer logisch. Dem Zuschauer werden immer nur so viele Details enthüllt, wie er wissen muss, ohne ihn komplett im Dunkeln tappen zu lassen. Die Hintergründe des Komplotts sind ausgefallen, aber stimmig. Vor allem aber gibt es bei „Last Boy Scout“ einige Themen, die immer wieder aufgegriffen werden, so dass der Film eine wunderbare Einheit bildet.
Tony Scotts Inszenierung, bei Kritikern oft als „Videoclip-Ästhetik“ verschrieen, ist bei „Last Boy Scout“ oscarreif: Mit seinem ausgeprägten visuellen Stil schafft er es perfekt die jeweilige Stimmung einer Szene zu treffen (siehe Anfangsszene), egal ob das nun lockeres L.A.-Feeling ist oder eine bedrohliche Atmosphäre wie kurz vor Corys Ermordung.
Schauspielerisch ist der Film ebenfalls auf höchstem Niveau. Obwohl es sich hier 'nur' um einen Actionfilm handelt, zeigen sich sowohl Wayans und Willis sowie die bekannten Nebendarsteller von ihrer besten Seite.
Insgesamt kann man sagen, dass Joel Silvers inoffizielles „Stirb langsam“-Sequel nicht ganz an Willis’ ersten Einsatz als Actionheld herankommt, aber einer der besten Actionfilme aller Zeiten ist. Es stimmt einfach alles: Schauspieler, Drehbuch und Regie – ein Film voller Spannung, Action und zynischem Humor.