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"Das nackte Gesicht" ist die Verfilmung des gleichnamigen Bestsellers von Sidney Sheldon, Erfinder der US-Kultserien "Bezaubernde Jeannie" und "Hart aber herzlich", sowie Verfasser diverser Filmdrehbücher und sehr erfolgreicher Thriller, die ihn zeitweilig zu einem Eintrag ins *Guinness-Buch der Rekorde* als meistübersetzter Autor der Gegenwart verhalfen.
Der Film wurde von Bryan Forbes für die Leinwand adaptiert und in Szene gesetzt, während  die Cousins Yoran Globus und Menahem Golan, seinerzeit die wichtigsten unabhängigen Produzenten und bekannt für triviale Actionfilme und Komödien, den Thriller mit Roger Moore und vielen weiteren namhaften Stars produzierten.

Trivial ist dann auch das passende Adjektiv, mit dem man die hochkarätig besetzte Romanverfilmung "Das nackte Gesicht" bezeichnen kann, was weniger an Drehbuchautor und Regisseur Forbes liegt, sondern vielmehr an der Romanvorlage, denn auch die aufwändige Verfilmung des Jet-Set-Thrillers "Blutspur" war nichts weiter als eine kitschige und starbespickte Thriller-Schmonzette ohne Sinn und Verstand.

Ein Glück, dass "Das nackte Gesicht" bodenständiger wirkt und die Handlung nicht im versnobten Jet-Set-Milieu der Schönen und Reichen spielt, dennoch leidet auch diese Verfilmung an ihrer profanen und doch arg konstruierten Story mit teilweise riesigen Logiklöchern.
Roger Moore, der schon zwischen seinen Geheimdienstaufträgen als 007 immer wieder in erfolgreichen Produktionen wie "Die Wildgänse kommen" oder "Sprengkommando Atlantik" mitgewirkt hatte, versuchte sich ein Jahr vor seinem letzten Einsatz in "Im Angesicht des Todes" an einem Imagewechsel und kommt ungewohnt ironiefrei und trocken als verwitweter Psychiater Dr. Stevens daher, der in eine mysteriöse Mordaffäre verwickelt wird und sich selbst mehreren Anschlägen ausgesetzt sieht. Einen Mordversuch entgeht er nur aufgrund einer Verwechslung, aber die Killer geben nicht auf.
Bei den Ermittlungen der Polizei sieht er sich den unbequemen Fragen von Rod Steiger als Detective ausgesetzt, der wegen einer - in seinen Augen - ungerechten Haftstrafe für einen Mörder aufgrund Dr. Stevens Gutachten auf den Psychiater schlecht zu sprechen ist. In seiner Not wendet sich der zu Unrecht verdächtigte Mann an einen Privatdetektiv, doch bevor er Licht in das Dunkel bringen kann, wird es ihm selbst ausgeknipst.

Die Handlung und des Rätsels Lösung sind schnell durchschaut und das Verwirrspiel um Dr. Stevens ergibt im nachhinein überhaupt keinen Sinn. Ebenso erscheint es unglaubwürdig, dass es mehrere Killer nicht schaffen, einen unscheinbaren Mann aus dem Weg zu räumen. Der Zufall einer Verwechslung mag ja noch nachvollziehbar erscheinen, doch wenn mindestens drei weitere Mordanschläge fehlschlagen, ist das mindestens ein Zufall zuviel.
Vor allem das Attentat mittels eines an einem Motorrad montierten Rollstuhls sorgt für unfreiwillige Komik (obwohl die Idee direkt aus dem Roman stammt) und gleichzeitig beweist Forbes Film Mut zur Selbstironie, indem er diesen bizarren Mordanschlag von Rod Steiger mit süffisanten Sprüchen kommentieren lässt.

Es sind vor allem die hochkarätigen Nebendarsteller, die hier in bester Spiellaune agieren und das Salz in der Suppe sind.
Während Roger Moore mit übergroßer Brille als schwächlicher Psychoanalytiker gegen sein Helden-Image ankämpft und dabei sehr blass bleibt, sind es vor allem Rod Steiger mit schlecht sitzendem Toupet und Art Carney als kauziger Privatschnüffler, die den behäbigen Thriller vorwärts bringen.
Rod Steiger brilliert als cholerischer Bad Cop und liefert sich mit Roger Moore ein hitziges Duell, während Elliot Gould als Good Cop ebenso unauffällig bleibt wie Roger.

Und dennoch ist "Das nackte Gesicht" ein durchweg unterhaltsamer Thriller, der gegen Ende - zumindest wenn man den Film zuvor noch nie gesehen hatte - mit einem netten Plott-Twist überrascht, der zwar unvorhersehbar ist, gleichzeitig aber die Logik der gesamten Story mit einem Paukenschlag ad absurdum führt.
Nach heutigen Maßstäben sicherlich kein Film für die große Leinwand, denn die geschwätzige Roman-Adaption kommt über das Niveau einer hochwertigen TV-Produktion nicht hinaus, doch für Freunde des altmodischen, aber gepflegten Thrills sicherlich eine Empfehlung.

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