Es war einer dieser so genannten „Magic Moments“, als Roberto Benigni bei der Oscar-Verleihung im Jahre 1999 voller Freude, mit den Armen ausgebreitet, auf seinem Sitz stand und frenetisch gefeiert wurde. Kurz zuvor wurde er überraschend zum Gewinner der Kategorien bester Hauptdarsteller und Regisseur gekürt. Mit dem Film „La Vita è bella/ Das Leben ist schön“ verbindet man unwillkürlich jene magische Momente, die Roberto Benigni den Weg zu einer internationalen Größe ebneten.
Verdient hat es sich der italienische Regisseur und Schauspieler allemal, denn „La Vita è bella“ ist ganz großes Kino.
Bi sogna prendere la vita cosi com’ è… (Man muss das Leben nehmen wie es ist...)
Mit diesem italienischen Sprichwort lässt sich die Aussage von „La Vita è bella“ kurzum beschreiben. Im Wesentlichen ist es jene Weisheit, die Benigni vermutlich unterschwellig im Geiste schwirrte, als er seiner Darstellerriege die Anweisungen gab.
Statt einer konventionell dramatischen Note, die mit der NS-Zeit verbunden ist, bewegt sich „La Vita è bella“ auf einem schmalen Grat zwischen Drama und Komödie. Depressives Gedankengut und Nihilismus ist hier völlig deplatziert.
Die Geschichte von einem jüdischen Italiener namens Guido (Roberto Benigni), der sich Ende der dreißiger Jahre in die Lehrerin Dora (Nicoletta Braschi) verliebt und Jahre später seinen Sohn vor dem anbahnenden Holocaust schützen möchte, klingt eigentlich höchst dramatisch. Die Drehbuchautoren Cerami und Benigni lassen den Rassenhass allerdings nie als dominanten Aspekt des Plots erscheinen und lenken subtil mit einem Kontrastprogramm der besonderen Art ab. Slapstick, Zynismus und Sarkasmus prägen vor allem den ersten Teil des Films, wenn Guido das Herz von Dora erobert.
Unvergessen ist beispielsweise die Sequenz, als der Hauptdarsteller einen faschistischen Schulinspektor vortäuscht und den Schülern sarkastisch erklärt, weshalb die arische Rasse über allen anderen steht! Lachen darf man allgemein unerwartet viel, speziell mit Dialogen und Slapstick wird die groteske Fröhlichkeit gefördert.
Unglaublich schockierend ist es dann dennoch, wenn Systemanhänger im Rahmen eines Festes am Tisch, ganz nebenbei, darüber fabulieren, wie viel Geld sich durch Eliminierung von Juden sparen lässt.
Erst im zweiten Teil des Films zieht dann vollends der zuerst angedeutete, düstere, nationalsozialistische Schatten über das Familienglück. Gemeinsam mit seinem Sohn Giosuè wird Guido in ein Konzentrationslager verschleppt. Den Lebensmut verliert er allerdings auch in der Hölle nicht, im Gegenteil. Um seinen Sohn zu beschützen, kaschiert der Lebenskünstler die dramatische Lage, indem er ein Spiel inszeniert. Selbst in einer aussichtslosen Situation wird darauf hingewiesen, wie schön und wertvoll das Leben ist.
Einprägende Momente sind ein fester Bestandteil des Films. Wenn der Protagonist seinen alten Freund Dr. Lessing (Horst Buchholz) plötzlich im Konzentrationslager begegnet, kann man selbst als Betrachter die entstehenden Gefühle nicht definieren. Jedenfalls wartet man gespannt auf die weitere Entwicklung.
Der Initiator ist zumeist Benigni selbst. Mit seiner Rolle als Guido verkörpert er eigentlich alle Finessen des Films. Naiv ignoriert der jüdische Italiener die Anfeindungen und lebt trotzdem als Frohnatur weiter, denn eines ist trotz aller Unmenschlichkeiten gewiss: Das Leben ist schön! Der Italiener überzeugt auf ganzer Linie und vermittelt die beabsichtigte Aussage zu jederzeit. Man könnte von einem Klischee sprechen, wenn der Lebenskünstler typisch italienisch, einerseits hektisch, andererseits mit stoischer Ruhe und Gelassenheit sowie Sinn für Humor die Aufmerksamkeit des Betrachters auf sich zieht. Allerdings ist jene Mentalität in Verbindung mit einer unmenschlichen Rassenideologie, ohne Zweifel eine erfrischende Rarität.
Nicoletta Braschi ist nicht nur eine charismatische Erscheinung, auch ihr darstellerischer Wert ist für „La Vita è bella“ ein Segen. Sie ließ sich von ihrem Ehemann Benigni offensichtlich für ein außergewöhnliches Projekt begeistern und zeigt dem Betrachter, wie sehr ihr das Vorhaben behagte. Horst Buchholz spielt mit Dr. Lessing einen sehr interessanten Charakter, der zunächst sympathisch wirkt, später aber als kalte Erscheinung in Erinnerung bleibt.
Visuell orientiert man sich angemessen an der datierten Zeit. Wunderbar ist auch die musikalische Begleitung von Nicola Piovani, der für den Film signifikante Klänge zwischen Melancholie und Fröhlichkeit wählte. Benigni ist trotz aller Leidenschaft und Hingabe für den schauspielerischen Part generell um Perfektionismus in allen Bereichen bemüht.
Am Ende staunt man über ein gelungenes Sortiment aus Romantik, Drama und Komödie.
Es erscheint schon sehr grotesk, dass ausgerechnet ein zeitlich der NS-Zeit zugeordnetes Werk uns daran erinnert, wie schön das Leben doch eigentlich ist. Das spricht für einen außergewöhnlichen Film, was „La Vita è bella“ zweifelsohne auch ist. (9/10)