"In Hollywood gibt es keinen schlimmeren Karriereschachzug, als das Zeitliche zu segnen", schreibt Peter Biskind in seiner epischen Anekdotenaneinanderreihung Namens „Easy Riders, Raging Bulls", die trotz ihrer fragwürdigen Quellenlage noch immer eine der lesenswerteren Gesamtdarstellungen der Geschichte des New Hollywood ist. Besagter Satz leitet einen Abschnitt zum Leben Hal Ashbys ein, der - als er 1988 eben jenes Zeitliche segnete - mit seinem Dahinscheiden sozusagen den Mantel des Vergessens, der sich bereits um sein Werk gelegt hatte, noch mal zurecht zupfte. Ashbys Glanzzeit begann mit dem Schnitt- Oscar für In the Heat of the Night 1967 und endete mit seinem letzten großen Film Being There 1979.
In The Last Detail traf Ashby nun auf zwei andere große Exzentriker des New Hollywood: Jack Nicholson und Robert Towne. Letzterer lieferte das pessimistische Drehbuch nach einem optimistischen Roman von Darryl Ponicsan und würde ein Jahr später Chinatown aufs Papier bringen. Ersterer übernahm die Hauptrolle des Billy Buddusky, genannt „Bad Ass", der den Auftrag erhält, den 18jährigen Meadows mit seinem Navy-Kollegen „Mule" Mulhall (Otis Young) ins Gefängnis zu überführen. Meadows, gespielt von Randy Quaid, dessen Physiognomie der eines zu groß geratenen Babys nicht unähnlich ist, erwarten acht Jahre Freiheitsberaubung, weil er einer Spendendose 40 Dollar entnommen hat.
Schritt für Schritt entwickelt sich eine freundschaftliche Beziehung zwischen den drei Matrosen. Der Trip der etwas anderen Art wird künstlich verlängert, damit der unerfahrene Meadows noch ein Stück Leben nachholen kann (in diesem Falle bestehend aus Pot, Alkohol und einem Bordell), doch am Ende steht dieselbe Frage, wie am Anfang: Werden sie ihn im Gefängnis abliefern?
Die „Helden" dieses Roadmovies in Zug und Bus sind nicht einmal Anti, auch wenn Bad Ass und Mule sich mit ihren Schimpfwörtertiraden gern so sehen würden. Anti hieße: sie, die gebrochenen Zyniker oder Vagabunden der Vietnamkriegszeit rebellieren gegen das Establishment, auch wenn das Scheitern - wie in Easy Rider - inklusive ist. Mule und Bad Ass betrinken sich, erfreuen sich an der ein oder anderen Schlägerei und spielen Meadows einen antiautoritären Lebensstil vor, zu dessen Aufrechterhaltung sie nicht imstande sind. Der Unterschied zwischen den beiden: Mule macht sich im Gegensatz zu Bad Ass keine Illusionen darüber.
Nicholsons Oscar-nominierte Darstellung gehört zu den Glanzpunkten seiner Karriere. Er spielt Bad Ass vergleichsweise zurückhaltend, verzichtet auf seine diabolischen Manierismen und zeichnet das Bild eines Mannes, der gern ein überlebensgroßer Charakter sein würde, doch durch einen Blick in den Spiegel immer wieder auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt wird. Die Konfrontation mit dem unschuldigen, naiven Kleptomanen Meadows bietet ihm die Möglichkeit zur Grenzüberschreitung, doch Bad Ass wird kapitulieren, nach wenigen Minuten hegt man daran keinen Zweifel mehr.
Der wahre Schatz dieses Films aber ist Randy Quaid. Ein Blick in sein Gesicht und es zerreißt einem fast schon das Herz, denkt man an das Schicksal seiner Figur, der die besten Jahre ihres Lebens wegen einer Lappalie genommen werden.
Das Dreipersonenstück lebt von kleinen, nebensächlichen Momenten, die Ashby in fast schon neorealistischer, auf jeden Fall von Godard beeinflusster Art und Weise inszeniert, etwa wenn Bad Ass in einem heruntergekommenen Hotel Flaggensignale erklärt. Das über allen Ereignissen und Nicht-Ereignissen schwebende Ende der Dienstfahrt verleiht dem Film eine melancholische, jedoch niemals sentimentale Stimmung, die ihn zu einer Tragikomödie werden lässt, nicht zum Tränenzieher.
Zwei Jahre vor Ende des Vietnamkrieges dreht Ashby diesen Film, der sowohl die militärischen Autoritäten, als auch die Diener des Vaterlandes entmystifiziert. Sein ungeschönter Blick auf die amerikanische Gesellschaft der frühen Siebziger ist ohne jede Romantik der Revolte. Man hört kein lautes Born to be Wild, denn keiner ist Rebell genug, es zu spielen. Die Freiheit des Motorrads ist der konventionellen Enge in Bus und Bahn gewichen. Die linksintellektuelle Pose der wenigen Studenten, die im Film vorkommen, erscheint mehr als lächerlich. Der Protest hält sich in den Hinterzimmern versteckt.
The Last Detail ist ein - im besten Sinne des Wortes - unauffälliger Film, der mit seinen dokumentarischen Nuancen, dem beeindruckenden Schauspielertrio und der immer an der Grenze zur Tragik aufleuchtenden Komik ohne große Attraktionen zu bezaubern weiß und nie sein Ziel verfehlt: Einen kritischen Blick zu werfen auf das Amerika nach 1968.
Hal Ashby beweist in seiner dritten Regiearbeit - auch dank seines Drehbuchautors und dessen Sinn für Dialoge - einmal mehr seine Stilvielfalt, die ihm nie den Blick für das Wesentliche verstellt. Er entlarvt den moralischen Verfall einer Nation ein Jahr nach Watergate. Die Jugend ist nicht mehr auf der Straße. Man begegnet ihr im Bordell oder auf dem Weg zum Gefängnis. Trotz all der düsteren Aussichten findet Hal Ashby die einnehmende Magie seiner Außenseiterballade in der Beiläufigkeit.
„I hate this detail. I hate this mother-fucking, chicken-shit detail!"