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„Friedhof der Kuscheltiere“ gilt gemeinhin als einer der besten und tiefgründigsten Romane des großen Horror-Papstes Stephen King. Da sowieso alles, wo auch nur sein Name drauf stand, verfilmt werden mußte, war die filmische Umsetzung seines Bestsellers eigentlich nur eine Frage der Zeit. So nahm sechs Jahre nach dessen Veröffentlichung Mary Lambert auf dem Regiestuhl Platz, während King selbst sich an die schwere Aufgabe machte, die Vorlage in ein Drehbuch zu verwandeln. Leider tritt er nicht zum ersten Mal den Beweis an, daß er das mehr schlecht als recht kann.

Immerhin – ganz so mißglückt wie seine immerhin schwachsinnig-unterhaltsame One-and-Only-Regiearbeit „Rhea M“ ist „Friedhof der Kuscheltiere“ nicht geraten, aber das hat er einzig und allein der Leistung von Lambert zu verdanken, der in Zusammenarbeit mit Kameramann Peter Stein eine regelrecht erdrückend pessimistische Stimmung gelingt, wie man sie selbst in den unzähligen King-Verfilmungen selten erlebt hat. Hinzu kommt ein extrem wirkungsvoller Score von Elliot Goldenthal, der einen nicht zu vernachlässigenden Teil dazu beiträgt, daß sich beim Zuschauer ein unbehagliches Gefühl breitmacht. Hier werden phasenweise absolute Spitzenwerte erreicht, die den Film auch über das Ende hinaus erinnerungswürdig bleiben lassen.

Diese Elemente sind auch der Grund, daß die zahlreichen Schwächen, die wahrscheinlich sogar die Stärken überwiegen, „Friedhof der Kuscheltiere“ nie wirklich kaputtmachen können, selbst wenn die Grenze zur unfreiwilligen Komik an mehreren Stellen nicht nur gestreift, sondern sogar übertreten wird. Die deprimierende Geschichte einer Familie, die den tragischen Tod ihres jüngsten Kindes in Folge einer kurzen Unachtsamkeit verkraften muß, ehe es vom Vater auf einem Indianerfriedhof begraben wird, von wo es als mordlüsterner Toter wiederaufersteht, ist wohl unter Genrefans allgemein bekannt. Bis zu diesem Unglück benötigt der Film allerdings rund die Hälfte seiner Lauflänge. Die Zeit wird dazu genutzt, um die bleiern schwere Atmosphäre in jede Pore fließen zu lassen: die gefährliche Schnellstraße mit ihren ständig vorbeirasenden LKWs, der morbide Tierfriedhof, die bis auf den alten Nachbarn Jud (Fred Gwynne) verlassene Gegend, in der sich die Familie einzuleben versucht, und nicht zuletzt das Kindheitstrauma der Mutter Rachel (Denise Crosby), die noch immer Alpträume und Visionen von ihrer furchterregenden und mittlerweile toten Schwester Zelda (Andrew Hubatsek) durchlebt, weisen frühzeitig den Weg zur Hölle, den die Protagonisten werden beschreiten müssen. Dies kann alles nicht gut ausgehen, und der Film schreit es von der ersten Sekunde an dem Zuschauer laut entgegen.

Im langen Finale macht „Friedhof der Kuscheltiere“ dann auch keine Gefangenen mehr und gibt seine Zurückhaltung in punkto Gewalt auf. Es wird offensiv-brutal, ohne dabei zu eskalieren, was in Kombination mit der eh schon schwer zu verdauenden Stimmung wirklich kaum zu ertragen ist. Neben den Szenen rund um Zelda bekommt Lambert hier die stärksten Momente hin. Wem sich bei der Soundkulisse des scheinbar unschuldig lachenden Kindes, das sich irgendwo im Haus versteckt hat und Böses im Schilde führt, nicht die Nackenhaare aufstellen, kann kein Mensch sein. Und als alles schon gar nicht mehr schlimmer werden kann, fügt sich der verrückt gewordene Vater Louis (Dale Midkiff) seinem Schicksal, akzeptiert die Konsequenzen seines Handelns und leitet damit auch seinen eigenen Untergang ein. Etwas unglücklich die Entscheidung, nach dem Ende die Nachwirkung durch den (an sich guten) Titelsong „Pet Sematary“ von den Ramones radikal abzuschwächen.

Man kann es herauslesen: „Friedhof der Kuscheltiere“ hätte ein einzigartiges Stück beklemmendes Horrorkino werden können, ein großer Höhepunkt der King-Verfilmungen, aber vor allem King, offensichtlich mit der Adaption seiner Vorlage hoffnungslos überfordert, torpediert das Projekt nach Kräften. Er setzt die Schwerpunkte völlig falsch und eröffnet Nebenkriegsschauplätze, anstatt zu vertiefen und die Entscheidungen der Figuren glaubhaft zu machen. Die Episode mit der sich erhängenden Haushälterin führt ins völlige Nichts, der gute Geist Pascow ist nicht unwillkommen, sorgt er doch mit etwas Humor für sanfte Auflockerung, bekommt aber viel zu viel Screentime (etwa beim rätselhaften Vermutlich-nicht-Traum, in dem er Louis auf den Friedhof führt) und trägt letztlich ebenso wenig zur Handlung bei wie Zelda, die wiederum mit purer Bösartigkeit und ihrem grauenvollen Aussehen punktet. Dies führt nicht selten zu akuter Verwirrung beim Zuschauer, weil dieser sich ständig fragt, was das jetzt wieder sollte und was uns der Meister wohl damit sagen wollte.

Im Gegenzug bleiben die Gedankenwelten unserer Protagonisten viel zu fragmentarisch und erscheinen so nicht selten lächerlich. Louis’ unhinterfragter, scheinbar stundenlanger Spaziergang mit Jud zum Indianerfriedhof, wo er die Katze vergraben soll, ist schlichtweg dämlich, wie Juds Motivation, Louis überhaupt von dem Platz zu erzählen, obwohl er weiß, was der Friedhof anrichtet, äußerst vage ist. Auch Louis’ Entscheidung, auch seinen Sohn Gage dort zu begraben, kann zu keinem Zeitpunkt richtig vermittelt werden. Klar, er ist verzweifelt und emotional angeschlagen, aber es kommt einfach nicht rüber. Zugegebenermaßen ist es nicht ganz leicht, das Innenleben einer Figur auf Film zu bannen, aber das Drehbuch hat in der Hinsicht zu wenig Futter auf den Rippen, bleibt jederzeit oberflächlich und füllt die Akteure nicht mit Leben. Das hat dann auch zur Folge, daß man ihr Verhalten im Finale kaum noch nachvollziehen kann.

Ein weiterer zentraler Schwachpunkt des Films ist überdies Hauptdarsteller Dale Midkiff. Ob traurig, ob verzweifelt, ob zornig – er verhaut wirklich alles, wenn er schauspielerisch gefordert wird. Wenn ihn am Ende die Wut packt und er wild entschlossen über die Straße geht, um Kater und Sohnemann zu erledigen, hat das schon was von Anfängerkurs, ganz zu schweigen von der ohnehin peinlichen Zeitlupe unmittelbar nach dem Tod des Sohnes, wenn Midkiff mehrfach laut „Nein“ schreiend auf der Straße hockt. Das trägt nicht unbedingt zu einem Einfühlen bei. Nicht viel besser macht es leider auch Fred Gwynne, der als alter Nachbar chargiert, als gäbe es kein Morgen mehr. Wenigstens verfügt er über ein gewisses Charisma, das in der deutschen Synchronisation dank Arnold Marquis noch einmal potenziert wird. Ganz okay Denise Crosby, aber besondere Erwähnung verdient Kleinkinddarsteller Miko Hughes, beim Dreh erst drei Jahre alt. Der wohl niedlichste Killer aller Zeiten leistet Beachtliches, auch wenn er – verständlicherweise – als Untoter meistens von einer Puppe gedoubelt wird, was man manchmal deutlich erkennen kann.

So ist „Friedhof der Kuscheltiere“ ein seltsamer Film, bei dem Plus und Minus ganz dicht beieinander liegen: manchmal geradezu erschütternd schlecht und doof wie Stroh, im nächsten Augenblick überragend bis meisterhaft, mitunter alles gebündelt innerhalb einer Szene, aber glücklicherweise immer schwer atmosphärisch. Uneinheitlichkeit ist hier Trumpf, so daß zwischen 1/10 und 10/10 eigentlich alles dabei ist. Ich verbleibe im leicht positiven Bereich: 6/10.

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