Die Stimmung ist ausgelassen und unbekümmert. Eine kleine Gruppe Männer und Frauen in einem Zimmer beim entspannten Zeitvertreib. Man lümmelt herum, genießt den Moment, es wird gefummelt, Drogen werden konsumiert, und auf der Tonspur krächzt der Sänger der Band East-West Pipeline, daß du weißt, was du bist. Wir, die Zuschauer, wissen hingegen sofort, wo bzw. wann wir sind. Das sind die wilden Siebziger, kreischt einem die grandiose Eröffnungsszene dieses obskuren Streifens in die Fresse. Sex, Drugs & Rock 'n' Roll. Make Love Not War. Free Like a Bird. Yeah, Baby, Yeah. Man inhaliert den Zeitgeist dieses Jahrzehnts, das längst vergangen ist und niemals mehr wiederkehren wird, genießt die kleine Zeitreise in eine Epoche, die aus heutiger Sicht kaum mehr vorstellbar ist, wenn man sie nicht selbst miterlebt hat, suhlt sich im Lebensgefühl der jungen Menschen, die noch nicht wissen, daß es nur von kurzer Dauer sein wird und daß sie bald auf dem harten Boden der Realität aufprallen werden. Bury Me an Angel ist ein Kind seiner Zeit (mit einem großartigen Soundtrack, by the way). Ein Film, der fünf Jahre vorher ebenso wenig möglich gewesen wäre wie fünf Jahre später.
Die Geschwister Dennis (Dennis Peabody) und Dag (Dixie Peabody, Night Call Nurses) verabschieden sich von der Party, ziehen sich in ihre Wohnung zurück. Dag hängt ihren Gedanken nach. Welche Träume sie auch immer haben mag, wenige Sekunden später zerplatzen sie alle wie die Rübe ihres Bruders. Ein schnauzbärtiger Mann (Stephen Whittaker) drängt sich durch die Hintertür, legt mit seiner Schrotflinte an, drückt ab und gibt Fersengeld. Aus die Maus. Der Grund für diese perfide Bluttat: schrecklich banal. Für Dag bricht die Welt zusammen, sie lebt nicht mehr, sie funktioniert nur noch. Doch die in ihr brodelnde Wut ist der Treibstoff, der sie schließlich weitermachen läßt. Wut auf den gemeinen, hinterhältigen Killer. Der Mistkerl muß sterben, dann kann sie - vielleicht - noch was aus ihrem Leben machen. Zusammen mit ihren Kumpeln Bernie (Clyde Ventura) und Jonsie (Terry Mace) macht sie sich auf den Weg Richtung Kanada, wohin sich der Killer abgesetzt haben soll. Am Ende der Reise wird sie den Mörder in seinem Versteck aufspüren und ihm Auge in Auge gegenüberstehen, das Gesicht von Haß verzerrt, die Schrotflinte im Anschlag.
Barbara Peeters' zweiter Spielfilm ist ein galliges Biker-(Road-)Movie, das aus verschiedenen Gründen ungewöhnlich ist und sich beharrlich weigert, in eine Schublade gepreßt zu werden. Der reißerische Trailer ("A howling hellcat humping a hot steel hog on a roaring rampage of revenge") und das nicht minder knallige Poster Artwork tun es trotzdem, kündigen Bury Me an Angel als knallhartes Revenge-Movie an, versprechen Action, Sex und heftige Gewaltexzesse am laufenden Band. Klar, daß da die Enttäuschung vorprogrammiert ist, wenn man sich den Film selbst zu Gemüte führt. Zwar gibt es in Bury Me an Angel durchaus Action, Sex und heftige Gewaltexzesse, aber diese Momente nehmen nur einen verschwindend kleinen Teil des Gesamtwerkes ein, obwohl ich zugeben muß, daß die unerbittliche Inszenierung der Gewalt mit ihrer In-Your-Face-Direktheit mächtig Eindruck hinterläßt. Beim Kopfschuß zu Beginn, obwohl spottbillig umgesetzt, zuckt man unwillkürlich zusammen, und die Traumszene, in der Dag ihre Rachephantasie auslebt und die Kugeln aus ihrer Schrotflinte ihrem Opfer in Superzeitlupe in den Körper fetzen, sorgt für ein unangenehmes Kribbeln in der Bauchgegend.
Aber Bury Me an Angel ist wesentlich mehr als plumpe Exploitation, was bestimmt damit zusammenhängt, daß der mit einer feministischen Note versehene Streifen von einer Frau geschrieben und inszeniert wurde. Peeters' Filmographie ist leider sehr überschaubar. Mit The Dark Side of Tomorrow legte sie 1970 ihr Regiedebüt vor. Es folgten Bury Me an Angel, Summer School Teachers (1974), Starhops (1978) und Humanoids from the Deep (Das Grauen aus der Tiefe, 1980), ihr letzter Spielfilm, bei dem sie mit Produzent Roger Corman gewaltig zusammenkrachte. Danach arbeitete sie nur noch fürs Fernsehen. Was sehr schade ist, wie ich finde, ist ihr Talent für ungewöhnliche Ideen, das Spielen mit der Erwartungshaltung und dem Schüren von Emotionen gerade in Bury Me an Angel mehr als offensichtlich. In welchem anderen Bikerfilm begegnen die Helden einer (guten) Hexe oder nimmt man sich die Zeit, einer Träne beim Herunterkullern über die Wange zu folgen? Darüber hinaus schlägt die Stimmung immer mal wieder und ohne Vorwarnung um. So werden ausgesprochen grimmige Momente kurz darauf mit albernem (und etwas deplaziertem) Humor konterkariert (der Redneck Sheriff, WTF?), und ein poetisch schöner Augenblick endet unvermittelt in Schmerz und Unverständnis.
Was uns zum pikanten Ende bringt (welches ich nicht spoilern werde, keine Sorge). An manchen Stellen des Filmes sind Hinweise auf eine bestimmte Begebenheit verstreut, welche einiges in ein anderes Licht rückt. Ich dachte, daß es Barbara Peeters dabei beläßt, so nach dem Motto: wenn es jemandem auffällt, gut; wenn nicht, auch okay. Insofern hat es mich dann doch etwas verblüfft, daß sie in den letzten Momenten ebenjene Begebenheit dem Publikum mit Schmackes ins Gesicht klatscht, was die Auflösung nicht nur kräftiger und wuchtiger macht, sondern ihr auch eine ambivalentere Note verleiht. Die feine Klinge ist das nicht, aber der Zweck heiligt bekanntlich die Mittel. Hauptdarstellerin Dixie Peabody ist leider keine gute Aktrice, eine gewisse Präsenz kann man ihr jedoch nicht absprechen. Und da einem ihr Schicksal nicht gänzlich egal ist, muß sie doch einiges richtig gemacht haben. In einer kleinen Nebenrolle ist "der Mann in den Bergen" Dan Haggerty (The Life and Times of Grizzly Adams) zu sehen, und wer mit Argusaugen gesegnet ist, kann vielleicht sogar James Whitworth (The Hills Have Eyes) erspähen. Dies nur am Rande. Denn im Mittelpunkt dieses starken, sehenswerten Streifens steht immer Dag. Bis zum bitteren Ende.