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Inmitten einer Zeit, in der das gängige Kino meinte, nur noch mit nackten Brüsten und permanenten Sexereien das Publikum anzulocken, inmitten dieser Zeiten drehte Regisseur Giorgio Stegani mit ICH WAR IHM HÖRIG ein intensives Zwei-Personen-Drama, das zwar ebenfalls nicht mit nackten Tatsachen geizt, diese aber immer der Geschichte unterordnet, und vor allem niemals exploitativ inszenierte. Es geht um die junge Anna, die sich in den einige Jahre älteren Marco verliebt. Sie ist Schülerin und lernt Schreibmaschineschreiben, er hat eine eigene Firma, lebt mit Frau und Tochter in einer Villa, und ist ein Zyniker wie er im Buche steht. Liebe ist für Marco nicht existent, Beziehungen zwischen Mann und Frau sind für ihn ausschließlich Kriege. Feldzüge, die einer gewinnen muss, damit ein gemeinsames Leben erfolgreich ist. Dinge wie Leidenschaft oder gar Hingabe existieren in seiner Welt nicht, Sieg oder Niederlage sind für Marco die passenden Begriffe für das Zwischenmenschliche. Anna allerdings verliebt sich in diesen desillusionierten Mann und ist bereit, alles für ihn zu tun. Alles! Wärst Du bereit für mich zu sterben? Ja. Anna setzt sich ein Messer an die Brust und beginnt, es in ihr Fleisch zu drücken. Marco, dem dies mehr imponiert als er jemals zugeben würde, versucht auszutesten, wie weit Annas Liebe geht. Er verlangt von ihr auf den Strich zu gehen und mit anderen Männern zu schlafen. Die Geschichte, die Anna dann etwas später vom römischen Straßenstrich erzählt, spielt in einer Halbwelt zwischen Realität und Fantasie, und Marco beginnt ganz allmählich ebenfalls, Gefühle zu entwickeln für diese Frau, die tatsächlich bereit scheint sich ihm rückhaltlos hinzugeben. Als seine Frau sich von ihm scheiden lassen will, würde eine Möglichkeit bestehen, mit Anna zusammenzuleben. Die allerdings ist mittlerweile schwanger von Marco – Ein Umstand, der von Marcos Welt so weit entfernt wie nur vorstellbar ist, weswegen er diese Tatsache schlichtweg nicht zur Kenntnis nimmt. Anna flüchtet nach Venedig. Und Marco? Der seine Theorien vom Krieg der Geschlechter in diesem Augenblick mehr als bestätigt sieht? Und der gleichzeitig in genau die Abhängigkeit geraten ist, in der Anna lange Zeit war? Die Rollen beginnen sich umzukehren …

In einer gewalttätigen und materialistischen Zeit gedreht, schildert ICH WAR IHM HÖRIG nichts anderes als den Zusammenprall einer idealistischen Weltanschauung (Annas Glaube an die wahre Liebe) mit einer materialistischen (Marcos Zynismus, basierend auf dem in Reichtum und Luxus geführten Eheleben, das mit Liebe nichts zu tun hat). Anna die sanftmütige ist bereit sich dem vermeintlich harten Marco hinzugeben, sich für ihn aufzugeben, ihre Unschuld zu verlieren und zu Wachs in seinen Händen zu werden. Was Anna nicht oder nur mit einer rosaroten Brille sieht, wohl aber der Zuschauer, ist Marcos versteinerte Gefühlswelt. Auch wenn die beiden miteinander schlafen blicken seine Augen teilnahmslos, ist Leidenschaft für ihn nur eine Worthülse, die er kritisch zu hinterfragen gedenkt. Der Zuschauer ist voll und ganz auf Annas Seite, schaut der Bosnier Bekim Fehmi doch bereits von seiner Physiognomie aus wie ein hedonistischer Lebemann. Wie jemand, dessen Leben aus boshaften Vergnügungen und dem genussvollen Zerstören anderer Existenzen besteht. Was nicht so ist, aber in diesem grausamen Lächeln und den lange Zeit teilnahmslosen Augen zeigt sich oft ein Blick auf die Welt, der so auch Eroberern und Gewalttätern zu eigen sein könnte. Ein Umstand, der vor allem am Ende etwas unbefriedigend wird, da uns das Los Marcos auf diese Weise eigentlich ziemlich egal ist. Anna ist es, die unser Herz bewegt, und mit Anna leiden wir und Anna begleiten wir in ihr Schicksal. 
Doch gerade die Idee, dass Anna und Marco die Gefühlswelten tauschen, dass Marco von Anna abhängig wird während Anna immer selbständiger wird, ist ein kluger Kniff des Drehbuchs. Die kleine blasse Anna, die Schreibmaschineschreiben lernt, trifft eigenständig die Entscheidung, ab sofort Stewardess zu werden. Ein Umstand, der Marco zutiefst verwirrt, läuft dies doch dem Bild zuwider, welches er sich von den Frauen im Allgemeinen und von Anna im Besonderen gemacht hat. Ob dies der Moment ist, in dem er sich tatsächlich in Anna verliebt? Als sie Selbständigkeit beweist und ihm damit eine ebenbürtige Partnerin bzw. Feldherrin sein könnte? 

Zwischen den herausragenden Schauspielern und der unauffällig-zweckorientierten Kamera entfaltet sich ein Drama, an dem der Zuschauer schnell teilnimmt. Dessen Wechsel zwischen Traum und Wirklichkeit nicht immer als solche zu erkennen sind (was der Sache sehr viel Reiz gibt). Und das bei allem Realismus in seinen Bann zieht und auf eine bestimmte grausame Art und Weise fasziniert. Dass Eleonora Giorgi ihren perfekt geformten Körper der Kamera dabei gerne mal ausgiebig präsentiert mag da ein weiterer Pluspunkt sein, aber wie gesagt ordnen sich diese Szenen immer der Geschichte unter, ist das starke Spiel zwischen den Akteuren immer das, was im Vordergrund steht. Und dazu gehört auch, dass der Zuschauer sich durchaus seine eigenen Gedanken machen muss, wenn er die Zwischentöne dieses Dramas richtig einordnen will. 

In Summe ist ICH WAR IHM HÖRIG also ein faszinierendes Schauspiel mit vielen Facetten, das die Tiefen und Höhen (in dieser Reihenfolge!) zwischen den Geschlechtern auslotet und dabei nicht zu überraschenden, wohl aber zu stimmigen Ergebnissen kommt.

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