Review

1.2: Dreams in the Witch-House - 5/10

Es ist immer ein klarer Vorteil, wenn sich ein Regisseur perfekt mit der Materie auskennt, welche er in Form eines Projekts in Angriff nimmt – obwohl selbst das natürlich auch keine Erfolgsgarantie darstellt (ein gutes Beispiel hierfür ist in meinen Augen Mick Garris, welcher in schöner Regelmäßigkeit Stephen King Verfilmungen realisiert, die aber überwiegend nicht sonderlich eindrucksvoll ausfallen). Wesentlich ansehnlicher sind da die Ergebnisse der „kreativen Verbindung“ zwischen Stuart Gordon und seinem Lieblingsautor H.P.Lovecraft (1890–1937), welche in diversen Interpretationen seiner Werke (wie etwa „Re-Animator“, „Castle Freak“ oder „Dagon“) resultierte und nicht unerheblich zu der Bekanntheit jenes Schriftstellers auf cineastischer Ebene beigetragen hat. Nach zwei unterschiedlichen Produktionen außerhalb des Horror-Genres, nämlich der Psycho-Schocker „King of the Ants“ sowie David Mamet´s „Edmond“, kehrt Gordon nun im Rahmen der „MoH“-Reihe auf vertrautes Terrain zurück, indem er sich Lovecraft´s 1933er Geschichte „Dreams in the Witch House“ (dt.Titel: „Träume im Hexenhaus“) vornimmt, die er gemeinsam mit seinem langjährigen Weggefährten Dennis Paoli (“From Beyond“/“the Pit and the Pendulum“) Format-gerecht adaptierte…

Walter Gilman (Ezra Godden) ist ein Student an der Miskatonic University, der aktuell damit beschäftigt ist, seine Abschlussarbeit im Bereich der Quantenphysik zu schreiben, welche potentielle Verbindungen/Schnittstellen von Parallel-Universen zum Thema hat. Da er im Wohnheim auf dem Campus keine Ruhe zum Arbeiten besitzt, hat er es sich in den Kopf gesetzt, irgendwo in der näheren Umgebung ein günstiges Zimmer für diesen Zeitraum anzumieten. Aufgrund seines nicht gerade üppigen Budgets hat er kaum eine große Auswahl zur Verfügung – und so ist er letztendlich mit einer sehr rustikalen bzw einfachen Bleibe in einem 300 Jahre alten Haus durchaus zufrieden, zumal er den Verwalter (Jay Brazeau) selbst da noch förmlich anbetteln muss, ihn als Mieter zu nehmen (jener verfügt nicht gerade über eine hohe Meinung von Studenten, welche in seinen Augen viel zu gerne Partys feiern und außerdem meistens knapp bei Kasse sind). Optimal ist die Unterkunft zwar nicht, doch sie erfüllt ihren Zweck. Gleich in der ersten Nacht muss er allerdings feststellen, dass sich anscheinend ebenfalls irgendwelche tierischen Untermieter in den Wänden sowie auf dem Dachboden einquartiert haben, was für ihn gleichwohl kein größeres Problem darstellt – bis er plötzlich Geschrei einer Frau sowie eines Babys aus dem Nachbarraum vernimmt. Sofort eilt er ihr zu Hilfe und vertreibt die (jene Panik auslösende) Ratte, welche durch ein Fußleisten-Loch ins Zimmer gelangte. „Natürlich“ weigert sich der Verwalter, einen teueren Kammerjäger kommen zu lassen, also vernagelt Walter kurzerhand selbst den Zugang und lernt dabei die junge Mutter (Chelah Horsdal als Frances) besser kennen, die mit ihrem Sohn hier untergekommen ist, bis es ihr endlich gelingt, einen neuen Job zu finden. Beide verstehen sich auf Anhieb, doch er ist sowohl zu schüchtern als auch mit den Gedanken vorwiegend bei seiner Arbeit, um einen ersten Schritt über die platonische Ebene hinaus zu wagen.

Ein weiterer Bewohner des Hauses ist ein älterer Mann im Erdgeschoss (Campbell Lane als Mazurowitz), der nachts lautstark betet (inklusive Selbstgeißelung per Schlagen des Kopfes auf einen Stuhl) und ihm beim Erwähnen der Ratte die eigenartige Frage stellt, ob jene ein menschliches Gesicht besessen hat. Als er sich dann das nächste Mal schlafen legt, erscheint ihm just jener Nager tatsächlich, verkündet die Botschaft „She´s coming for you!“ und verschwindet im Anschluss wieder durch einen Zugang in den Bereich hinter der Wand. Während Walter das anfangs noch als einen durch die Worte des Mitmieters hervorgerufenen Traum abtut, stellt er (erfreulich) verwundert fest, dass genau jene merkwürdige Zimmerecke nahezu dieselbe Winkelanordnung besitzt, welche in seinen Berechnungen vorkommt. Inspiriert fällt das Arbeiten gleich viel leichter – und in Folge dessen willigt er zudem ein, für einige Stunden auf Frances´ Baby aufzupassen, während sie ein Vorstellungsgespräch wahrnimmt. Als ihn dabei allerdings die Müdigkeit übermannt, nickt er kurz weg, worauf die Mutter seines kleinen Schützlings plötzlich nackt vor ihm steht und ihn verführt – sich kurz vorm Vollziehen des Aktes jedoch in eine alte Frau verwandelt, worauf er geschockt in seinem Zimmer erwacht, das Baby weinend nebenan. Wie es der Zufall so will, kommt Frances gerade in dem Moment zurück und ist natürlich wenig erfreut darüber, dass Walter ihr Kind allein gelassen hat, was er vehement verneint bzw als eventuelle Form des Schlafwandelns zu erklären versucht. In der nächsten Nacht geschieht das erneut – nur findet er sich dieses Mal in einem eigentlich verschlossen Raum der Uni-Bibliothek wieder, vor ihm das berühmt-berüchtigte Necronomicon auf dem Tisch. Aus dem Buch (und später ergänzend von Mazurowitz) erfährt er, dass in dem Haus tatsächlich eine Schnittstelle zu einer anderen Ebene/Dimension existiert, aus welcher eine Hexe mitsamt ihrem kleinen Helfer stammt. Seit Errichtung des Gebäudes taucht die Frau anscheinend immer wieder auf, um Seelen zu sammeln, indem sie einen Mann in ihren Bann zieht sowie diesen dazu veranlasst, Babys für sie zu opfern – und aktuell ist Walter der Auserwählte, der ihr die Seele des Kindes seiner Nachbarin zukommen lassen soll…

„Dreams in the Witch House“ wird vor allem H.P.Lovecraft-Fans gefallen, schließlich ist Gordon, wie bereits erwähnt, hier voll in seinem Element, was man dem fertigen Produkt positiv anmerkt – alles wirkt harmonisch zusammengefügt und im Sinne des Ausgangsmaterials umgesetzt (obwohl jenes natürlich in die Gegenwart verlegt wurde). Kenner werden mit einem freudigen Lächeln viele bekannte Motive des Schriftstellers sowie Regisseurs wiederentdecken – angefangen bei der Stadt Arkahm, der Miskatonic University, Dimensionsübergänge, die Quelle des Bösen in Gestalt einer verführerischen Frau, das Gefühl, den Verstand verlieren zu können, bis hin zum Buch der Toten, dem Necronomicon, welches (komplett in menschlicher Haut gebunden, inklusive ritueller Praktiken als Inhalt) erneut ziemlich cool ausschaut. Walter kann schon bald nicht mehr zwischen Traum und Realität unterscheiden – bildet er sich das alles nur ein (immerhin passt es ja, wie es der „Zufall“ so will, gerade genau zu seinen Studieninhalten) oder geschehen diese merkwürdigen Dinge wirklich? Meiner Meinung nach liegt die Wahrheit irgendwo dazwischen: Zwar handelt es sich keineswegs um einen Traum, doch die Erscheinungen manifestieren sich aus seiner Psyche heraus – die Winkelanordnung der Zimmerecke ist nicht wirklich ein Realitätsebenen-Schnittpunkt, er sieht jenen Wandabschnitt nur als solchen an, weil es zu seiner These passt. Die Hexe ist untrennbar mit dem Haus verbunden, hat ihre Opferstätte auf dem Dachboden, sammelt die Kinderleichen hinter den Wänden – sie erscheint unabhängig dieser geometrischen Anordnung und benutzt diese Elemente nur, um Walter in ihren Bann zu ziehen, ihn mit Hilfe seiner Interessen anzulocken (deshalb bedient sie sich auch der Gestalt von Frances, um Gefühle anzusprechen, auszulösen bzw zu manipulieren).

Stuart verleiht dieser Episode einen angenehm altmodischen Touch, welcher fast „klassisch“ anmutet: Keine F/X-Ausschweifungen, keine wüsten oder hektischen Kamera- und Editing-Spielereien – nur eine ruhige, sich konstant vorwärts bewegende Handlung, verpackt in düsteren, nett arrangierten Bildern, unterlegt mit einem stimmungsvollen, aber unaufdringlichen Score von Gordon-Regular Richard Band, der die angenehm dunkele Atmosphäre wohlig abrundet. Trotzdem ist der Film nun keineswegs „trocken“ bzw vollkommen ernst, denn etliche Momente zeugen davon, dass ein gewisses Augenzwinkern bei der Sache durchaus beabsichtigt war, was mich zeitweise an den „Re-Animator“-Stil erinnerte: Die Dimensionsschnittstelle wird in leuchtenden violetten Farbtönen dargestellt (damals war es neongrünes Serum), die Ratte besitzt ein menschliches Gesicht (eine Kreuzung aus zwei Lebewesen) und Walter weist bestimmte Verhaltensähnlichkeiten zum unerreichten Dr.Herbert West auf. Ezra Godden (“Band of Brothers“/“Dagon“) gefiel mir gut in der Hauptrolle, denn es gelingt ihm, die Bandbreite der verschiedenen Emotionen und Facetten (vom netten, einigermaßen schüchternen Nachbar, der gerne hilft, wo es ihm möglich ist, bis hin zum entsetzten Opfer der Umstände, welcher an seinem Verstand zu zweifeln beginnt) recht treffend zu präsentieren – allerdings wird man das Gefühl nicht los, der Part wäre eigentlich mit einem jungen Bruce Campbell oder Jeffrey Combs im Hinterkopf geschrieben/konzipiert worden (jene sind aber „leider“ inzwischen zu alt, um einen Studenten zu verkörpern). Chelah Horsdal (“Pursued“/“X-Men 3“) erweckt Sympathien als junge Mutter in einer schwierigen Lage und ist in etwa auf einem Level mit Ezra – alle anderen erfüllen ihren Zweck, ohne dabei herausragende Akzente setzen zu können.

Das zentrale Problem dieser Episode ist in meinen Augen allerdings der bereits angeführte altmodische Charakter ziemlich aller Zutaten: Alles wirkt irgendwie vertraut – zwar auf eine angenehme Weise, doch der „Kick“ fehlt, ein letzter Schritt hin zu einem neuen inhaltlichen Ansatz. Die wissenschaftliche Vermutung hinter dem Phänomen reicht da nicht aus – es hätte einfach noch etwas Kreativeres kommen müssen. Das Schema alter Hexenrituale ist hinlänglich bekannt, wie auch die „Traum oder Wirklichkeit?“-Frage, welche an einem Punkt (wie so oft) zu einem Aufenthalt in einer Nervenheilanstalt führt. Man kann sich zudem nicht genügend in Walter hineinversetzen, was ein Verschulden des Skripts ist, zumal einige Klischees Verwendung finden, die man ruhig hätte etwas abmildern können: Der Student ist natürlich nie glatt rasiert und trägt fortwährend ein Shirt seiner Uni, der Hausverwalter hat ´ne Halbglatze, ist füllig, nicht gerade freundlich und kleidet sich am liebsten mit bequemen weißen Unterhemden (etc). Ein weiteres Mako ist das überwiegende Fehlen eines intensiven Grusel-Gefühls: Die Ratte kommt eher belustigend als Furcht einflößend daher, die Hexe (eine auf „alt“ geschminkte Frau mit Umhang) ist weder faszinierend noch erschreckend, das Ritual unspektakulär. Erst im letzten Drittel gewinnt der Verlauf merklich an Fahrt, es fließt Blut, das Schicksal der drei Hauptprotagonisten (inklusive Baby) erweckt nun doch ein echtes Horror-Feeling – nur kommt diese Steigerung zu spät, um den Gesamteindruck noch übers Mittelmaß hinaus zu heben (ich hätte mir durchaus einige Szenen mehr in der Richtung eines tief in Walters Rücken gekratzten Pentagramms gewünscht). Die nahezu identische erste und letzte Einstellung des Films, eine Aufnahme des „Room for Rent“-Schildes vorm Haus, schließt den (Teufels-) Kreis letztendlich erneut auf eine angenehme Art – so wie man es bei derartigen Episoden gerne sieht. Schlecht ist „Dreams in the Witch House“ sicher nicht, doch vielleicht hätte sich Gordon einfach eine stärkere Lovecraft-Vorlage aus dessen umfangreichen Nachlass aussuchen sollen … 5 von 10

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