Review

Eine Enttäuschung für ein erwachsenes Publikum, das ist es, was mir als allererstes zu den „Chroniken von Narnia“ eingefallen ist.
Gut, man darf nicht jedes Fantasy-Epos mit Tolkiens Welten vergleichen, aber ein bisschen mehr Biß hätte man schon erwarten können von einer Franchise, die uns vermutlich die nächsten Weihnachtsfeste versüßen soll.
Handzahm ist das Attribut, was nach Ansicht am ehesten ins Auge springt.

Lewis hatte seine Narnia-Geschichten beinahe parallel zu Tolkiens „Herr der Ringe“ geschrieben, als Gegenentwurf zur dort verwandten nordischen (und oft tragischen) Mythologie und mit mehr christlichem Unterbau.
Das war in den 50er-Jahren des letzten Jahrhunderts und leider muß man sagen, dass im Gegensatz zum Welterfolg seines Oxforder Professorenkollegen seine Bücher den Wandel der Zeit nicht schadlos überstanden hat.

Märtyrersymbolik und Jesus-Allegorien können dem Werk und dem fertigen Film unterstellt werden, in dem vier Kinder zu Zeiten des zweiten Weltkriegs durch einen geheimnisvollen Kleiderschrank in die Fantasywelt Narnia geraten, die unter dem Winterbann der weißen Hexe liegt und mit ihrer Ankunft eine Prophezeiung erfüllen, nach der Adams Söhne und Evas Schwestern aus der Menschenwelt Frühling und Sommer wieder Einzug halten sollen.

Das ist klassisches Fantasy-Material, mit dem man eigentlich gar nicht so viel falsch machen kann, solange man es wenigstens einigermaßen originell aufbereitet auf einen Filmleinwand bringt. Leider ist im neuen Trend der Vorlagentreue nichts davon übrig geblieben.
Man hat zwar angeblich an den Charakteren etwas gefeilt, aber ansonsten ist das Epos so brav und kinderfreundlich ausgefallen, dass jeder, der nicht wenigstens neun Jahre alt geblieben ist, davon lange Zähne bekommen könnte.

Wir haben also vier Kinder, die familiärer Un-eintracht ihre Konflikte in die Fantasywelt hinaustragen, die kleine wundergläubige Sechsjährige, ihren leicht älteren kleinen Bruder, dessen geschwisterliche Defizite darin liegen, sich zu sperren und nach einer Vaterfigur zu suchen, der er sich unterordnen kann. Die großen Geschwister sind entweder vollkommen nutzlos in der Charakterzeichnung (sie) oder hadern mit der ungewollten Rolle, Verantwortung zu übernehmen (er).

Diese simplen Figurenschemata bilden nun den Rahmen. Die Kleinste entdeckt die Wunder, ihr kleiner Bruder geht alsbald so naiv wie nur eben möglich der weißen Hexe auf den Leim, obwohl hinten wie vorne überdeutlich ist, dass er es mit zehn ganz schlimmen Fingern zu tun hat, aber wir haben hier einen uneinsichtigen, trotzigen und unerträglichen Opportunisten, der selbst nach reichlich Warnungen auch treudoof ins Hexenschloß wandert, um seine Brüder und Schwestern zu verraten.

Dreh- und Angelpunkt ist das Jesus-Synonym Aslan, ein mystischer Löwe, der die Gegenbewegung der Narnianer führt und der sich und sein Leben opfern muß, um die Prophezeiung einzuhalten und dann zu neuem und siegreichem Leben zu erwachen.

Kernproblem dadurch ist jedoch, dass die Kinder in dieser Handlung eigentlich gar keine Bedeutung besitzen, denn was hier geschieht, zeigt sie höchstens als Katalysatoren einer Handlung, die z.B. bei Tolkien noch von ihnen (d.h. von den Hobbits) getragen wurde. Natürlich ist ein bisschen Charakterbildung und Erwachsenwerden eingestreut, aber so blaß und oberlehrerhaft, wie das hier präsentiert wird, nimmt es der Erzählung jeden Reiz.

Da hilft es auch nicht, dass sich Shrek-Regisseur Andrew Adamson im Realfilm als wenig brauchbarer Gesamtleiter entpuppt, dessen Stil als wertneutral noch sehr positiv beschrieben wird. Das Tempo läuft immer wieder gedrosselt ab, die Actionszenen kommen selten und wenn, dann falsch aufgebaut, von dem subversiven Witz seiner Vorgängerfilme ist hier nichts zu spüren.
Die Kinderfiguren bleiben fahl und reizlos, kein Charakter, an dem man sich als Zuschauer mal eben anderthalb Stunden festklammern kann, weil wenigstens die Sympathiewerte stimmen.

Auch die Hintergründe fehlen an allen Ecken und Enden: die Basis für die Prophezeiung wird nie gegeben (es wird nur davon erzählt) und als solche akzeptiert. Ergo schliddert der Film gemütlich auf einen große Endschlacht zu, die auch noch als besonders langweilig daherkommt, weil man um keinen der Hauptcharaktere (die eh überleben müssen) und keine der Nebenfiguren (die null Tiefe besitzen) zittert.
Und der völlig überflüssige Auftritt ausgerechnet des Weihnachtsmannes, der die Kinder auch noch mit ein paar Gadgets versorgt (nennt ihn Q), die dann in der Abschlußschlacht der Reihe nach sauber und geordnet (und langweilig) eingesetzt werden, provoziert bei einem Publikum über Grundschulniveau nur hämisches Gelächter und widerwilligen Unglauben.

Ich habe zwar mal gesagt, ich könnte noch mal zwölf werden, wenn ich vor dem richtigen Popcornfilm lande, aber über das Alter von neun wird bei mir nicht mehr diskutiert, das kommt nicht in Frage.
Natürlich werden simple Gemüter und viele Kinder gerade die christliche Botschaft unterschwellig begrüßen und genießen, aber das macht den Film qualitativ nicht zu einem der besten seiner Zeit.
Und angesichts der vielen unfreiwilligen Lacher, die die Handlung provoziert, eher zu einer der Enttäuschungen des Filmjahres. (4/10)

Details
Ähnliche Filme