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Es gibt sie! Oder vielleicht sollte ich besser schreiben: Heureka, es gibt sie noch! Dass man sie in einer Zeit, in der die Massen fast schon apathisch Hollywoods Einheitsbrei löffeln, mit der Lupe suchen muß, versteht sich von selbst. Doch sei's drum, hin und wieder findet man sie tatsächlich auch heute noch, diese kleinen Geniestreiche, die man als mehr oder weniger desillusionierter Cineast mit einem geradezu unstillbaren Verlangen in sich aufsaugt, um sie schließlich in irgendeinem Teil des Gehirns für jetzt und alle Zeit abzuspeichern. Und ja, 'Next Door' ist ein ebensolches Juwel ! 

So seltsam es klingen mag, ich möchte an dieser Stelle zunächst mal dringend davon abraten, sich Rezensionen über den Film durchzulesen, bevor man sich das Ganze angeschaut hat. Das Risiko ist einfach zu groß, über irgendeine Art von Spoiler zu stolpern. Der Film funktioniert im Grunde nur, wenn man sich auf das Ganze komplett unbefangen und ahnungslos einlässt, ohne auch nur ansatzweise zu wissen, wohin die Reise geht. Über den eigentlichen Inhalt des Films schweige ich mich daher aus. Meine Empfehlung lautet, vorher lediglich die Filmbeschreibung auf der Rückseite der DVD zu lesen, welche - alles und nichts sagend - gerade so viel Einblick ins Geschehen gewährt wie nötig ist, um neugierig zu werden.

Zur Handlung kein Wort, zur Faszination des Ganzen dafür umso mehr! Was soll ich sagen, in diesem Film ist einfach ALLES stimmig und sinnig zugleich: jede Minute, jeder Moment, jede Geste, jede noch so unscheinbar daherkommende Kameraeinstellung. Alles! Vieles (zugegebenermaßen) erst in der Nachbetrachtung, die für mich einen Großteil des eigentlichen Vergnügens ausmachte! Erstaunlich, an was man sich alles erinnert, während man den Film noch einmal an seinem geistigen Auge vorüberziehen lässt, um Szenen aufzuarbeiten, die im Moment der Betrachtung bestenfalls geheimnisvoll, wenn nicht sogar belanglos erschienen. 

Wodurch dieser Film zum Meisterwerk wird? Ohne jeden Zweifel durch seine einzigartige Atmosphäre! Spannung, Voyeurismus, Entsetzen... hier wird über die psychologische Schiene wirklich ALLES aufgefahren, was Auge und Herz eines wahren Filmliebhabers begehren! Dabei schleicht sich der Film wie eine Raubkatze an den Zuschauer heran, auf leisen, wirklich ganz leisen Sohlen, um ihn im späteren Verlauf geradezu anzuspringen! Tatsächlich trifft einen die Erkenntnis dann mit einer Wucht, dass einem zeitweise Angst und Bange wird!

Das Ganze ist so genial gemacht, dass mir schlichtweg die Worte fehlen, um punktgenau zu beschreiben, auf welcher Ebene dieser Film letztlich funktioniert. Fakt ist, mit zunehmender Dauer verleitet einen die Handlung automatisch dazu, in den Spiegel zu schauen, resp. tief in die Abgründe seiner eigenen Seele zu blicken. Der Mensch als Marionette seiner Urtriebe und Emotionen - unberechenbar, schwach, bemitleidenswert!

Getragen wird die Handlung in allererster Linie von ihrem grandiosen Hauptdarsteller (Kristoffer Joner), der seine Rolle auf meisterhaft-authentische Weise lebt! Ja, lebt! Hätte man diese Rolle passender besetzen können? Nie und nimmer! Ganz zu schweigen von der herrlich kruden Kulisse, in der man sich mit wachsender Begeisterung verirrt. 

Dass diese Perle aus einer skandinavischen Auster geschlüpft ist, läßt sie im sonstigen Einerlei nordamerikanischer Fließbandkost umso heller funkeln!

Mehr davon, unbedingt!

10/10

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