Irgendwann Mitte der 70er: Ein armer junger Mann, der zum Leben gerade das nötigste besitzt, hockt in einem 5qm-Zimmer, einziger Kamerad ist ein Hund. In der Hand hat der Mann Stift und Notizblock und schreibt innerhalb von drei Nächten ein Drehbuch, in dem er seine eigenen Träume verarbeitet. Der Name des Mannes: Sylvester Stallone. Der Name des Drehbuchs: „Rocky“.
Der Rest ist Filmgeschichte: Die Boxerstory spielte allein in Amerika mehr als das Hundertfache der Produktionskosten ein und Stallone wurde über Nacht zum Megastar, seine Filmfigur ein Mythos.
Die Faszination von „Rocky“ rührt im Grunde genommen aus der Verarbeitung des amerikanischen Traumes: Ein völlig verarmter Boxer, der seinen Lebensunterhalt alleine durch Amateurkämpfe und Geldeintreiben für einen Kriminellen verdient, bekommt die Chance seines Lebens: Er darf in einem öffentlich viel beworbenen Kampf den Weltmeister Apollo Creed (charismatisch: Carl Weathers) herausfordern. Rocky Balboa hat nur diese eine Chance, um zu beweisen, dass er kein gewöhnlicher Niemand aus den Strassen Philadelphias ist, und die will er nutzen.
Nun ist Rocky beileibe kein besonders heller Mensch, aber immerhin ist sein Herz größer als sein Gehirn, und deshalb hofft man inständig, dass der Typ es schafft. Sympathien erwirbt er von Anfang an durch seine Gutmütigkeit anderen gegenüber und seiner Unbeholfenheit in Sachen Liebe. Er ist genauso ein ungewöhnlicher Charakter wie sein Schwarm Adrian (Talia Shire), die aber im Gegensatz zu ihm völlig verschüchtert und zurückgezogen agiert, wogegen Rocky sich ihr gegenüber sehr offensiv verhält und sie zunächst auf der Eisbahn mit Geschichten seiner Boxkämpfe zutextet. Jede normale Frau würde sich da eigentlich abwenden, doch Rocky und Adrian passen perfekt zusammen und sind als Paar aus der gesamten Filmreihe nicht wegzudenken, obwohl sich die Szenen mit den beiden manchmal ganz schön in die Länge ziehen, gleichzeitig der größte Schwachpunkt des ersten „Rocky“.
Im Vordergrund soll aber nicht die Liebesgeschichte stehen, sondern der große Kampf gegen Apollo Creed. Sehr gelungen ist die Darstellung der völlig unterschiedlichen Vorbereitungen, denn Rocky schindet sich mit seinem Trainer Mickey Tag und Nacht, während der erfahrene Creed einen ganzen Betreuer- und Beraterstab um sich versammelt hat und im Vorfeld nur das Ziel kennt, den Medienrummel möglichst groß zu halten. Der eine schuftet sich in den Slums von Philadelphia ab, der andere sitzt hoch zu Ross in seinem Büro in New York - da ist klar, wie die Sympathien verteilt sind.
Doch Rocky macht sich keine Illusionen und weiß, dass er gegen diese Kampfmaschine keine Chance hat. Er will nur die vollen 15 Runden durchstehen, eine Leistung die gegen diesen Weltklassekämpfer noch keinem gelungen ist.
Der Kampf selber ist unbestrittener Höhepunkt des Films und umso beachtenswerter, als dass hier mit einem Statistenstab von nicht einmal 50 Leuten gearbeitet wurde. Die Zwischenschnitte aufs Publikum stammen von echten Boxereignissen. Trotz dieser beschränkten Mittel hat kein Film später es wieder geschafft, bei einem Kampf eine derartig realistische Gänsehautatmosphäre aufkommen zu lassen. Man fühlt regelrecht die hitzige Stimmung in der Arena und spürt ein Kribbeln im Magen, als ob es um einen echten Weltmeistertitel gehe. Dieses Feeling konnte selbst Scorsese mit „Raging Bull“ nicht erzeugen, obwohl der insgesamt in Sachen Darsteller und Inszenierung leicht die Nase vorn hat.
Das gegrunzte „Adriaaaaaaan!“ Rockys zum Abschluss ist Filmgeschichte, die letzte Einstellung zeigt einen gezeichneten, aber zufriedenen Rocky, der sein Ziel erreicht hat. Ein Niemand aus den Slums wird für einen Augenblick zum Größten – dieser Moment ist für den Zuschauer beinahe greifbar und deshalb ist „Rocky“ auch ein Film, den man sich in schlechten Tagen wunderbar anschauen kann, um wieder auf die Beine zu kommen.
Stallone hat seine Chance ebenso genutzt wie seine Filmfigur und konnte den Wohnwagen gegen eine Villa eintauschen. Ein Einstieg nach Maß ins Filmbusiness, für den er als Darsteller und Autor gleichzeitig für den Oscar nominiert wurde, was vor Stallone ledgilich die Legenden Chaplin und Welles schafften. Da soll noch einer sagen, der kann nur mit der Brechstange...