Schräg - schräger - Minoru Kawasaki. Was uns der sympathische Japaner hier auftischt, ist mit Worten nicht zu vermitteln (was mich allerdings nicht davon abhält, trotzdem darüber zu schreiben). Man muß dieses Wunderwerk mit eigenen Augen sehen, um das ganze Ausmaß des Wahnsinns zu erfassen.
Erzählt wird die unglaubliche Geschichte von Keiichi Tamura, einem leitenden Angestellten der Rabource Pickling Co. Ltd., der gerade einen großen Business Deal mit einer koreanischen Firma eingefädelt hat. Tamura ist ein geschätzter, von allen respektierter Mitarbeiter, der mit Eifer bei der Sache ist und seine Aufgaben zur vollen Zufriedenheit seines Vorgesetzten erledigt. Daß er in stressigen Situationen ziemlich viel schwitzt, nimmt man ihm nicht übel. Auch privat scheint alles im Lot zu sein, lebt er doch mit der hübschen Yoko (Elli-Rose) in einer glücklichen Beziehung. Alles eitel Wonne also. Doch dann passiert das Unfaßbare: Yoko wird ermordet, von dreiunddreißig Messerstichen brutal aus dem Leben gerissen. Für Tamura ist das ein erneuter schwerer Schlag, denn vor drei Jahren verschwand seine geliebte Frau Yukari spurlos, und über ihren Verlust ist er nie richtig hinweg gekommen. Als ihm ein besessener Polizist (Hironobu Nomura) auf die Pelle rückt und weitere Morde geschehen, geht Tamuras "normales" Leben völlig den Bach runter.
Habe ich eigentlich schon erwähnt, daß Tamura ein menschengroßer Koalabär ist? Nein? Nun, dann will ich diese nicht gerade unwichtige Information nicht länger verheimlichen: Tamura ist ein menschengroßer Koalabär. (Sein Chef ist übrigens ein Albinohase, aber das tut nichts zur Sache.) Ein niedlicher Koala, der in ein irrwitziges Schlamassel stolpert, das ihn mit Fell und Ohren zu verschlingen droht. Tamura ist verzweifelt. Was ist nur los mit ihm? Ist er schizophren? Übergeschnappt? Steckt hinter der harmlosen Koala-Fassade etwa gar ein gewissenloser Serienkiller? Sein Psychiater beruhigt ihn: "There's nothing wrong with you. You're as normal as the next koala." Doch er wird das beunruhigende Gefühl nicht los, daß irgend etwas mit ihm nicht stimmt. Wieso quälen ihn schreckliche Alpträume? Warum beginnen seine Augen manchmal rot zu glühen? Wieso ist der Polizist von seiner Schuld überzeugt? Was weiß sein koreanischer Geschäftspartner über seine Vergangenheit? Und wieso wird dieser von einem fliegenden Eichhörnchen namens Momo begleitet? Ein dunkles Geheimnis umgibt Tamura, und dieses schreit danach, endlich gelüftet zu werden.
Mit Koara kachô watet Regisseur und Co-Drehbuchautor Minoru Kawasaki (The Calamari Wrestler) knöcheltief in Absurditäten und fühlt sich darin pudelwohl. Die göttlich schräge Grundidee, daß in einer großen Gurkenfirma anstelle eines Menschen ein Koala in einer Führungsposition arbeitet, wird von allen Beteiligten wie selbstverständlich hingenommen. Was ist das doch für ein wunderbarer Appell für Chancengleichheit und gegen Rassendiskriminierung! Eine Welt, in der sich unsere pelzigen Freunde mit Frauen paaren, in der sie in verantwortungsvollen Jobs brillieren und lässig durch die Straßen schlendern, ohne Aufsehen zu erregen oder gar blöd angemacht zu werden. Herrlich! Doch genug der naiven Träumereien und zurück zum Film.
Kawasaki zieht die so absurde wie originelle Idee konsequent bis zum Ende durch; lediglich einmal erlaubt er einer jungen Frau (die niedliche Shôko Nakagawa (X-Cross) in einem Cameoauftritt), sich über die Anwesenheit des Koalas zu wundern. Kawasaki würfelt in Koara kachô mehrere unterschiedliche Genres wild durcheinander, wobei er sie bzw. deren immer wiederkehrende Klischees gleichzeitig auf die Schippe nimmt. Richtet man sein Augenmerk auf den Grundplot und ignoriert, daß der Protagonist ein Koalabär ist, dann hat man es mit einem recht banalen Psychothriller zu tun, in dessen Zentrum jemand steht, der mit Gedächtnisproblemen zu kämpfen hat und möglicherweise ein Mörder ist. Kawasaki spielt mit diesem altbekannten Szenario ebenso geschickt wie mit der Erwartungshaltung der Zuschauer, die er mit immer neuen, meist noch absurderen Wendungen ins Leere laufen läßt (alleine der Einsatz von stilisierten Flashbacks und irrwitzigen Traumsequenzen ist an Genialität kaum zu überbieten).
Es ist unmöglich vorherzusehen, in welche Richtung sich der Film entwickelt. Selbst vor dem Einschub einer köstlichen Musical-Nummer schreckt der Kultregisseur nicht zurück, und für eine famose, zum Schreien komische Bruce Lee-Parodie muß sowieso immer Platz sein. Daß dann auch noch der Meister selbst in einer Szene erscheint (als Regisseur!), daß der Koala Stuntpuppen nach allen Regeln der Kunst verprügelt und daß ein überdimensionaler Frosch die Protagonisten mit rätselhaften Botschaften versorgt, geht in diesem delirierenden Stelldichein der Absurditäten fast unter.
Koara kachô ist ein mörderisch unterhaltsames Camp-Spektakel, welches mit einer dermaßen unverkrampften Leichtigkeit über das Publikum hinwegfegt, daß man den bizarren, vor Charme sprühenden und sich über jede Konvention spielerisch hinwegsetzenden Film einfach in sein Herz schließen muß. So etwas kommt also heraus, wenn man den tanzenden, glucksenden, unzähmbaren Wahnwitz in ein Koalakostüm steckt, den Reißverschluß bis zum Anschlag hochzieht und ihm einen festen Tritt in den Hintern verpaßt. Ein skurriler Geniestreich, erfrischend anders, unwiderstehlich sympathisch, und bärig stark.