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„Dr. Jekyll’s Mistresses“ ist mal wieder so ein Titel, der mit dem Inhalt des Filmes nichts zu tun hat. Auch die alternativen Bezeichnungen, die sich auf den relativ erfolgreichen Dr. Orloff beziehen, treffen nur unzureichend die Geschichte. Zumindest spielt bei meiner Fassung weder ein Dr. Jekyll noch ein Dr. Orloff mit. Bei mir heißt der gute Mann Prof. Fisherman. Aber „Fisherman’s Fiend“ in Anlehnung an die berühmte Pastille wäre wohl noch weniger verkaufsfördernd gewesen…

Der Titelwirrwarr ist nicht geeignet, den geneigten Zuschauer für dieses frühere Werk von Jesus Franco zu interessieren. Was wirklich eine Schande ist. Denn Franco hat hier wirklich recht ordentliche Arbeit geleistet. Er erzählt uns die Geschichte eines verbitterten Wissenschaftlers, der seinen Bruder umgebracht hat, nachdem dieser ihm seine Herzdame ausgespannt hat. Durch Zufall erbt Fisherman das Geheimnis, Tote zum Leben zu erwecken, von seinem Mentor. Er beschließt, seinen Bruder zu reanimieren und als Instrument seiner Rachepläne gegen alles und jeden zu missbrauchen. Das klappt soweit auch ganz gut. Nur als Fisherman auf die dumme Idee kommt, seine Nichte, welche die Tochter des Zombiebruders ist, zu sich auf sein Schloss einzuladen, geht der ganze Plan den Bach runter. Der Zombiebruder klappt nicht mehr so richtig, bringt seinen unfreiwilligen Herren um und wird selbst von seiner Tochter in eine Falle gelockt, die er nicht mehr untot, sondern nun wirklich hinüber verlässt.

Ich bin beim besten Willen kein Fan von Franco. Seine Filme sind mir oft zu billig und zu unästhetisch. Aber dieser Streifen verströmt einen nicht zu übersehenden Charme und überzeugt durch eine wirklich gute Regiearbeit. Franco erzählt seine Story mit sehr wenig Worten und überlässt den Bildern das Wort. Er setzt auch sein sicher knappes Budget zielsicher ein und kann (ausnahmsweise) auf brauchbare Schauspieler zurückgreifen. Hier gefällt mir vor allem die Mutter der Brüder, die nach dem Mord ihr Leben aufgegeben hat und schlampig und versoffen im Schloss ihres verbleibenden Sohnes dahinvegetiert.

Mit diesen Mitteln ausgestattet bekommt Franco wirklich gute Passagen hin. Die Beste ist wohl die, in der die Tochter ihren Zombievater, der sie kurz zuvor noch gerettet hat, in die tödliche Falle lockt. Schade, dass Franco diesen hochwertigen Stil in seinem späteren Werk nicht einmal ansatzweise mehr zeigt.

Dafür wird in „Dr. Jekyll’s Mistresses“ schon einmal das Tor für Francos Neigung für schäbigen Sleaze weit aufgeschlossen. Wer den Striptease sieht, weiß, was Franco wirklich gefällt. Gott, hat dieser Mann einen schlechten Geschmack. Wer bitte findet eine bis zu den Achseln hochgezogene Strumpfhose außer dem guten Jesus F. erotisch? Noch dazu bei seiner Vorliebe für realistische Figuren (es ehrt ihn ja, dass er Frauen mit alltäglichen Figuren bevorzugt, aber weiß er denn nicht, dass Kino der Verkauf von Illusionen ist?).

Aber billigen wir Franco seinen eigenen Geschmack zu und freuen uns über einen sehr ansprechenden Film, der so recht in keine Schublade des Horrorfilms passen möchte. Er ist definitiv kein Gothik-Horror und stilistisch weit entfernt von Bava und Hammer. Er ist auch nicht richtig spannend, sondern lebt von seinen Stimmungen. Und er ist ein wenig billig, was dem Film aber bekommt und ihn irgendwie auszeichnet. Hammer wird erst viel später dasselbe probieren.

„Dr. Jekyll’s Mistresses“ sei all denen empfohlen, die bisher an den Filmen von Franco verzweifelt sind. Hier kann man lernen, was der Mann wirklich kann. Freunde des unkonventionellen Horrorfilms sollten sich diesen Film ebenfalls ansehen. Mir hat er sehr gut gefallen und ich gebe ihm 8 von 10 Punkten.

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