Die Märchenfilme der DEFA haben ihren eigenen Reiz, sind es doch stets liebevoll umgesetzte Geschichten (mit mehr oder weniger dezent eingeflochtenem sozialistischem Erziehungsgedanken), die in ihrer weltweiten Reputation wahrscheinlich höher stehen, als die Western- oder Weltraumabenteuer des Studios.
Jorinde und Joringel ist nicht nur eine wenig bekannte Grimm-Verfilmung, es ist auch eine ausgesprochen düstere.
Wer die Vorlage kennt, weiß, daß es sich hier um eine eher untypische, reifere und poetischere Geschichte handelt, als dies bei den Brüdern Grimm sonst üblich ist. Die Möglichkeit zu einer atmosphärisch dichten Umsetzung wurde erkannt und bestens genutzt.
Das beginnt schon bei den Außenaufnahmen: Gott sei Dank wurde auf die bemalten Sperrholz-Kulissen früherer DEFA-Märchen verzichtet. Gedreht wurde im Wald, der als geheimnisvoller, mystischer Ort eingefangen wird. Die Szenen, in denen die Zauberin dem ängstlichen Joringel erscheint, haben eine ähnliche Gänsehaut-Qualität wie die unerwartet auftauchenden Spukgestalten aus Jack Claytons The Innocents.
Da die kurze Vorlage natürlich nicht für einen abendfüllenden Film ausreicht, wurden sinnvolle Ergänzungen gemacht. So gibt es eine Nebenhandlung um drei versprengte Soldaten, die sich im Wald verirren und später die Kate von Joringels Eltern überfallen werden. Überhaupt wird die Zeit des sprichwörtlich finsteren Mittelalters hier mit einer Ambition dargestellt, als gelte es mit Der Name der Rose in Konkurrenz zu treten.
Die Freigabe ab 12 (!) kommt nicht von ungefähr: Gestorben wird durchaus grausam. Das beginnt bei dem Überfall auf das Dorf, und setzt sich fort, wenn etwa die drei Soldaten einen Sumpf durchqueren müssen, und ihren im Schlamm versinkenden Kameraden eiskalt seinem Schicksal überlassen.
Jorinde und Joringel ist mit seinem düsteren Flair und dem Verzicht auf kindertümliche Zugeständnisse eine echte Überraschung. Danach hat man irgendwie gar keine Lust mehr auf die bonbonfarbenen Plastik-Märchen amerikanischer Prägung. Nicht auszudenken, was passiert, wenn die Disney-Leute auf den Stoff aufmerksam werden sollten.