Der Film ist eindeutig besser als sein Ruf!
Rocky zu seinen Ursprüngen als verarmter Boxer im Ghetto zurückzuführen und so den Geist des 1. Teils heraufzubeschwören (inkl. Beizug von dessen Regisseur John G. Avildsen, der auch den Look des Originals kopieren wollte), ist zwar reizvoll, im Vergleich zum hochamüsanten Trash-Spektakel vom Vorgänger Teil IV aber keine Entscheidung, die das Publikum goutiert hat. Zudem war seinerzeit, 5 Jahre nach dem letzten Film, der Hype wohl auch schon vorbei.
Aber was ist von den an diesem Film oft kritisierten Punkten zu halten?:
- die Erklärung für Rockys Verarmung (eine irrtümliche (!) Vollmacht für den Buchhalter, der das ganze Geld veruntreute) und deren kurze Abhandlung; find ich absolut dem (ohnehin nicht allzu hohen) Niveau der (jüngeren) "Rocky"-Reihe entsprechend abgehandelt. In Ordnung geht auch, dass hierfür nicht allzu viel Laufzeit investiert wurde - Drama ist bei "Rocky" Silber, Action/Boxen ist Gold.
- Rocky als Mentor, statt als aktiver Boxer; war ungewohnt, aber für einen alternden Rocky passend. Sein Mentorentum wurde, auch unter Einbezug seiner Erinnerungen an Mickey, gut umgesetzt. Zudem diente es als prima Grundlage für das "Rachemotiv" des Schlusskampfes.
- ein Charisma-Vakuum als Antagonist; Tommy "Pornomatte" Gunn ist sicher nicht mit übermässig Ausstrahlung gesegnet und kein Clubber Lang, kein Ivan Drago, ist aber physisch präsent (war ja ein realer Boxer) und gibt letztlich ein rocky-würdiges Abziehbild-Hassobjekt ab. Mehr muss er nicht leisten.
- Schlusskampf auf der Strasse, statt im Ring; ebenfalls ungewohnt, aber ebenso, entsprechend Rockys Rückkehr ins Ghetto, vertretbar. Sämtliche klassischen "Schlusskampf-Elemente", die man sich wünscht, sind ja auch hier vorhanden (erst scheinbare Chancenlosigkeit, dann die Wende, schier übermenschliche Nehmerqualitäten von Rocky,..) Und der Satz "Mein Ring ist die Strasse!" ist doch einfach schön.
- ein Soundtrack mit Hip-Hop, anstelle von "Power-Rock"; es waren nunmal die 90er, etwas Flexibilität darf hier schon sein. Zudem soll noch einer sagen, dass "Go For It!" oder Snap's "Keep It Up" nicht auch kraftvoll-euphorisierende "Rocky"-Hymnen sind ...
- der Subplot um Rockys Sohn; ja, der nervt! Und alles nur, um auch Stallone's Real-Life-Balg in den Film zu kriegen ... andererseits ist es legitim, bei einem gereiften Rocky auch auf dessen Familie einzugehen ...
Eine besondere Erwähnung verdient Stallone's schauspielerische Leistung; den durch einen Hirnschaden nach dem Drago-Kampf beeinträchtigten, mehr lallenden als sprechenden Rocky verkörpert er im Schlaf, und man merkt ihm einfach an, dass dies die Rolle seines Lebens ist.
Auch die altbekannten Gesichter der Reihe fehlen nicht, die ewig besorgte Adrian (inkl. obligater Motivationsrede für ihren Mann..), der grummelige Paulie, sogar Mickey (in geschmackvoll inszenierten Flashbacks) und Apollo-Trainer Duke (mit Kurzauftritt) sind wieder dabei. Schliesslich sorgt der zappelige Don-King-Verschnitt im überdimensionierten Pelz (!) dafür, dass, neben Vokuhila-Tommy, der spassige Trash-Anteil nicht ganz zu kurz kommt ...
Fazit; auch dies ist ein absolut würdiger "Rocky", welcher der Reihe erfrischende neue Elemente hinzufügt.
Und doch ist der ruhige, sentimentale "Rocky Balboa", in dem ein weiser Opa Stallone seine Lebenserfahrung auf seinen Protagonisten übertragen hat, sicher der würdigere Abschluss der Reihe.