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Der Film, der das schwache Kinojahr 2005 retten soll, kommt pünktlich zu Weihnachten in die Lichtspielhäuser und wurde von dem Mann inszeniert, der uns mit seiner „Herr der Ringe“-Trilogie Meilensteine des modernen Fantasykinos beschert hat. Peter Jackson lässt also den Affen los und tut das nicht, wie man normalerweise vermuten würde, aus Profitgier im Rahmen einer Auftragsarbeit eines großen Hollywoodstudios, sondern, um einen Kindheitstraum zu verwirklichen, wie er im Vorfeld immer wieder betonte. Verwirklicht hat er ihn schließlich mit einem unvorstellbaren Budget jenseits von 200 Mio. $, nicht kleckern, sondern klotzen war also das Motto.

Unzählige Trailer, bereits auf DVD erschienene Produktionstagebücher und Making-Of’s im Free-TV haben uns ja längst auf Jacksons Remake des Monsterklassikers „King Kong und die weiße Frau“ aus dem Jahr 1933, durch den Jackson erst auf die Idee kam, einmal Regisseur zu werden, eingestimmt. Von revolutionären Computereffekten war wieder einmal die Rede, die WETA-Studios hätten sich erneut selbst übertroffen und überhaupt sollte das Bombast-Kino mit dem Motto „schneller, höher, weiter“ werden, nicht ohne eine epische Länge von knappen drei Stunden im Schlepptau.

Die Umsetzung: Perfekt. Der nachhaltige Eindruck: Ernüchternd.
Der neue „King Kong“ zeigt erneut mehr als deutlich das Problem heutiger Big-Budget- Blockbuster, die mit allerlei optischer und akustischer Raffinesse aufwarten, aber am Ende doch nicht ganz überzeugen können. Trotz aller Begeisterung über die Schauwerte, die Jackson und vor allem WETA hier aufbringen, konnte mich der Film nicht vom Hocker reißen. Um es auf den Punkt zu bringen: Man stopft über drei Stunden Popcorn in sich rein, glotzt auf die Leinwand, langweilt sich nicht, fiebert aber weder mit, noch hat man fünf Minuten nach dem Abspann den Eindruck, gerade etwas Wichtiges gesehen zu haben.

Dass sich Jackson bei der Umsetzung redlich Mühe gegeben hat, ist nicht zu übersehen, denn wie schon bei „Lord of the Rings“ erkennt man richtiggehend, wie er Freude daran hatte, dem Zuschauer eine fiktive Welt mit all ihren kleinen Details zu präsentieren. In diesem Fall ist das zunächst das New York der 30er Jahre, der Zeit des Post-Wirtschaftstraumas an der Wall Street und später eine noch unentdeckte Insel namens „Skull Island“. Vor allem zu Beginn weiß man gar nicht, wo man zuerst hinschauen soll, so detailreich ist der Big Apple von vor 70 Jahren gestaltet. Trotzdem hat man nie den Eindruck, das wirkliche New York von damals vor Augen zu haben, sondern eine am Computer geschaffene Scheinwelt, die für den Film schön glatt poliert wurde. Sergio Leone hat beispielsweise schon vor mehr als 20 Jahren in „Es war einmal in Amerika“ ein realistischeres Bild der Stadt aus dieser Epoche erzeugt. Dieses Problem wird sich durch den ganzen Film ziehen und dafür verantwortlich sein, dass man oft mit großem Staunen die digitalen Tricks zur Kenntnis nimmt, aber eben nur als nette Spielerei und nicht als Teil des Films. WETA leistete Großes am Computer, doch die Atmosphäre geht über weite Strecken leider flöten.

Dazu kommt eine enorme Laufzeit von 180 Minuten, die mich persönlich zwar nicht störte, die man sich aber besser hätte einteilen können. So dauert die Einleitung schon mehr als eine Stunde, ohne dass eine vernünftige Charakterzeichnung zustande kommt. Ann Darrow (toll gespielt von der echt heißen Naomi Watts) ist eine hübsche, aber vom Schicksal arg gebeutelte Theaterschauspielerin, Carl Denham (alles andere als fehlbesetzt: Comedian Jack Black) ein Regisseur, der vor allem seine Ellbogen und durchtriebene Tricks dafür einsetzt, seinen Wunschtraum zu verwirklichen: Den Zuschauern eine noch nie gesehen Welt auf der Leinwand zu zeigen. Dazu kommt ein schmalziger Kinostar namens Bruce Baxter, ein Drehbuchautor namens Jack Driscoll (dargestellt vom völlig unterforderten Adrien Brody), von dem man bis zum Ende nicht so recht weiß, was man von ihm halten soll, sowie eine Schiffscrew voller Stereotypen.

In dieser Besatzung trifft man schließlich auf Skull Island ein und es folgen die meiner Meinung nach stärksten Filmminuten, da nun zum einzigen Mal so etwas wie eine unbehagliche Atmosphäre aufkommt. Die Eingeborenen auf der Insel sind mindestens genauso Furcht einflößend und Ekel erregend wie die Orks und Uruk-Hai in „Herr der Ringe“ und feiern wahrhaft infernalische Rituale, die bildgewaltig an den Zuschauer gebracht werden. Das erste Auftauchen des Riesengorillas gerät fast zur Nebensache und schließlich sogar zum Ärgernis, da Ann bereits nach Sekunden der Entführung durch King Kong tot sein hätte müssen. Doch sie darf ihre Arme behalten, erleidet kein Schleudertrauma und auch keine Quetschungen oder sonst was. Ich bin jetzt keiner, der bei so einer Art von Film großartig auf Logik achtet, aber so offensichtliche Ungereimtheiten stoßen mir dann halt doch sauer auf.

Weiter geht’s dann mit der Suche nach Ann und ab da liefert Jackson endgültig den totalen Overkill. Dinosaurier (die wir in Jurassic Park anno 1993 mindestens genauso gut animiert zu sehen bekamen!) und allerlei ekliges Getier machen Jagd auf die Schiffscrew, die nach und nach dezimiert wird. Was dieser komplette Part eigentlich soll, außer mit digitalen Tricks herumzuprotzen, ist mir nicht bewusst, denn trotz einer bombastischen Soundkulisse sind die Kämpfe zwischen den Dinosauriern und King Kong, sowie das Lianenschwingen für den Fortgang der Handlung völlig unwichtig und realistischer wird’s dadurch auch nicht gerade. Weshalb ein Drehbuchautor sich plötzlich zum Actionhelden mausert, bleibt im Dunkeln, ebenso was man vom Kapitän halten soll: Abwechselnd ist er ein launiger Seebär, ein aufopferungsvoller Held, ein bestechliches Ekel oder ein Zyniker. Ein grober Fehler Jacksons, diesen Teil der Geschichte so breit zu walzen, hat er doch vorher gerade mal wenige Filmsekunden für einen Kuss zwischen Ann und Jack geopfert. Mehr Augenmerk auf zwischenmenschliche Entwicklungen und Charakterzeichnung hätte vieles verständlicher gemacht. Immerhin sind die Computertricks weiterhin recht schön, vor allem King Kongs Mimik und die ekligen Ungeheuer können überzeugen, wogegen beim Weglaufen von den Dinos immer wieder erkennbar ist, dass die Darsteller vor einem Green Screen agierten.

Der dritte Akt spielt dann wieder in New York und ist der optisch prächtigste Teil des Films. King Kong entledigt sich seiner Fesseln und trampelt auf seiner Suche nach Ann alles nieder, was nicht niet- und nagelfest ist. Inmitten des archaischen Chaos kommt eine Szene wie auf dem Eis im Central Park gerade recht, die trotz ihres kitschigen Charakters richtig ans Herz geht. Ein paar mehr von solcherlei stillen Momenten hätten dem Film gut getan, denn auch die Szene, in welcher King Kong mit Ann auf einem Felsvorsprung sitzt und wehmütig in die Ferne der See schaut, ist richtig herzergreifend. Man wünscht dem Affen dann natürlich alles Gute, doch wir wissen alle, wie das Original ausgeht und so bleibt wenig Hoffnung. Jackson holt zum Finale noch einmal alles raus und zeigt in einer der am besten getricksten Szenen, die ich je gesehen habe, wie sich Kong auf dem Empire State Building mehrerer Kampfflugzeuge erwehrt, bis er schließlich schwer verletzt stürzt und stirbt. Dann bleibt noch ca. eine Filmminute für etwas Kritik an der Sensationsgeilheit der Menschen und Medien und ein ganz klassisch gestalteter Abspann beendet den teuersten Film aller Zeiten.

Was haben wir also gesehen?
Einen mega-gehypten Blockbuster, der im Vorfeld so gnadenlos beworben wurde, dass er ungeachtet seiner Qualität einfach ein Kassenerfolg werden muss.
Ein Remake, das sich technisch auf allerhöchstem Niveau befindet, aber niemals den Charme und die Atmosphäre des Originals gebührend einfängt – man könnte es als ‚seelenlos’ bezeichnen.
Einen auf Zelluloid gebannten Kindheitstraum, für dessen Umsetzung sich Jackson soviel Mühe gegeben und an Aufwand alles geleistet hat, was irgendwie geht und mir trotzdem nicht den Film gezeigt hat, den ich nach der überragenden „Herr der Ringe“-Trilogie sehen wollte.

Damit mich keiner falsch versteht: Ich fand „King Kong“ zu keiner Sekunde langweilig, aber mitreißendes Kino fühlt sich für mich anders an, denn Superlative in Hülle und Fülle garantieren noch lange keinen persönlichen Bezug zum Film. Zwar hatte ich im Umkreis von dreißig Kinosesseln wohl als einziger so ein Gefühl, aber alle, die vor lauter „oh!“- und „ah!“-Rufen vergasen, mal hinter die Fassade zu blicken, haben wohl gleich danach geschaut, wann der nächste „Spiderman“, der nächste „X-Men“, der nächste „Mission: Impossible“ und „Superman“ anläuft…und zählen die Tage bis zum ersten 300-Mio.-Dollar-Blockbuster…

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