Peter Jackson hat so ziemlich alles erreicht, was sich ein Regisseur wünschen kann.
Er hat klein angefangen und sich hochgearbeitet, er hat sich nicht in der Hollywood-Maschine verwursten lassen und sich per Videoclips einen großen Schauwertefilm gesichert, sondern jahrelang für Qualitätsepos gekämpft. Er hat es bekommen und noch einmal Jahre geopfert, bis es im Kasten war.
Und als die Leute sahen, was er an Herzblut hineingepumpt hat, haben es ihm die meisten gedankt.
Damit stand ihm alles offen: die ganze bekannte Welt, Gold (oder Geld), Eselsmilch, Sklaven (Filmfans), soviel Oscars wie er nur essen könnte.
Und als er dann carte blanche hatte, da machte er das, was er wollte. Ein Lieblingsprojekt, ein Remake – das höchste Risiko.
Er nahm sich eines Klassikers an, der nach einhelliger Meinung keine dritte Verfilmung brauchte: King Kong!
Man schmiß ihm das Budget hinterher und er tat, wie er es nicht anders konnte: er ging genauso vor, wie er es beim „Herr der Ringe“ getan hatte und als es ihm nicht reichte, pumpte er noch eigenes Geld hinterher. 220 Millionen Dollar.
Jetzt ist von Vertrauensbruch die Rede, vom Ausverkauf der ideellen Werte – niemand zieht in Betracht, dass auch ein Mann wie Peter Jackson sich weiterentwickeln könnte.
Jackson hat sich nicht wie Spielberg in ein Spielkind verwandelt – er war bereits erwachsen. Und er hat seine Möglichkeiten genutzt.
Dazu hat er „King Kong“ nicht neu erfunden, nur neu visualisiert.
Sein „Kong“ ist ein Re-Do, eine moderne Neuverfilmung der Originalgeschichte, sogar angesiedelt in den 30er-Jahren des 20.Jahrhunderts.
Den Ablauf des Films ließ er unangetastet, ihm stand lediglich eine neue Technik zur Verfügung, neue Tricks, mehr visuelle Möglichkeiten – die Story musste sich erneut selbst tragen. Und die Zeitlosigkeit siegte.
Die Story von der schönen und der Bestie, vom Verlust der Unschuld; von der urwüchsigen Wildheit, die untergehen muß, weil sie versucht wurde – das alles funktioniert so, wie sie im Original war. Kein moderner Kontext, keine Bezüge zur aktuellen Weltlage, so man denn mit viel Phantasie den Ur-Kong als Allegorie auf die weltwirtschaftliche Krise in den 30ern sehen will.
Seine Devise hier hieß: mehr Fleisch auf die Knochen.
Jackson, der wieder mit dem „Ringe“-Team, seine Frau und Philippa Boyens, das Skript schrieb, gab den Nebenfiguren mehr Platz, erweiterte die Exposition, schuf die Stimmung der Zeit, schuf Identifikationsfiguren. Den knurrigen Schiffskoch für die skurilen Momente, den Schiffsjungen für die Kinder, den knorrigen Kapitän als Konfliktpotential – sie alle zu dem Mix aus der weißen Frau Ann, dem Filmemacher Denham und dem Autor Driscoll, dem eigentlichen Love Interest.
Driscoll symbolisiert in seiner Intellektualität ein Über-Ich zu Denhams „Es“ und Anns realistischer Ich-Existenz, bis die Bestie, der Über-Gorilla die Zeichen neu setzt.
Aber an Tiefenpsychologie ist Jackson eh nur in dem Rahmen interessiert, wie es seiner zu erzählenden Geschichte dient.
Da muß zwar der Zuschauer dann beinahe ein Stündchen ausharren, bis es auf „Skull Island“ endlich zur Sache geht, dafür hat man dann aber Boden unter den Füßen.
Und von jetzt an wird dicht an dicht geschichtet: brutale Eingeborene, der wilde Kong aus dem Dschungel, Dinosaurier noch und nöcher, gefrässiges Krabbelgetier.
Jackson lässt einfach machen und versucht, die Leute im Mittelteil umzublasen.
Und es gelingt problemlos, ehe der Affe in New York in einem Mix aus Sentiment und Untergangsromantik seinem Schicksal entgegenklettert, um im gedämpften Sonnenlicht zu vergehen und zu fallen.
Wenn man dem Bombast am Zeug flicken will, dann ist die Mächtigkeit vielleicht der naheliegenste Ansatzpunkt: die Brontosaurierstampede ist einfach ein bisschen viel des Guten, vor allem rückblickend, wenn man später Kong im endlosen Infight mit gleich drei T-Rex-Abkömmlingen sieht. Und dann ist da noch die aus dem Originalfilm entfernte Spinnen- und Insektenszene, die zu graphisch war. Hier wirkt Jacksons Bilderflut, als würde er Rache nehmen, die wirklich widerliche Sequenz mit all dem eklen Krabbelgetier wirkt haarsträubend deplaziert, wenn zahlreiche Nebenfiguren hier ein schreckliches Schicksal ereilt.
Dazwischen platziert das Skript Jonglage-Kokolores mit dem großen Affen, der einen schmunzeln lässt. Prallvoll muß es sein, von vorne bis hinten.
Genau entgegengesetzt entgeht man in den finalen Szenen in New York der Gefahr eines erhöhten Kitschangriffs, tatsächlich wirkt der lebensechte Gorilla (Andy Serkis hat wieder ein absolute Topleistung erbracht und erweckt in keiner Szene den Eindruck, man könnte es nicht mit einem echten Affen zu tun haben) mitleiderregend, kommt aber nie in Schmachtfetzennähe, um das Finale u.U. endlos nennen zu können.
Jackson will alles – bis zur letzten Minute. Er presst aus dem faden Figurenbild der Ann Darrow das Beste aus Naomi Watts heraus, lässt den blassen Adrien Brody an der Rolle wachsen und hat sogar Jack Black soweit unter Kontrolle, dass man nie weiß, ob man ihn nun mögen oder hassen soll.
Immer wieder droht der Zuschauer, in der Bilderflut zu ersaufen und immer wieder wird der rettende Stöpsel kurz gezogen, bis der Hahn wieder aufgedreht wird.
Jackson wollte den definitiven Abenteuerfilm drehen, ein filmisches Werk, das, wenn schon nicht nötig, dann aber so prachtvoll ist, dass man dem Ergebnis wenigstens den Unterhaltungswert konstatieren muß.
Obwohl der Film unerhört teuer war (und das sieht man in jeder Szene) schaffte er weltweit das Zweieinhalbfache seines Budgets allein in den Kinos.
Und wieder hat der Regisseur erreicht, was er auch in den anderen Filmen geschafft hat: Unterhaltung – mit Substanz. Das letzte Abenteuer – in Bildern.
Jackson will nur das tun, was er kann und was ihn interessiert – das schafft er.
Und obwohl man die Männer nicht vergleichen kann – in punkto Absicht und Individualität ist er damit Hitchcock nahe gekommen.
Prachtvolle 8/10.