Review

Zärtliche Annäherung


Es gibt Oscargewinner, die werden gerne abwertend belächelt oder tragen schon kurz nach ihrem Erscheinen oder dem Goldjungen das Siegel „schon bald vergessen, sicher nicht der beste Film des Jahres“. Manchmal geschieht dies zurecht, manchmal aber auch nicht. „Driving Miss Daisy“ ist jedenfalls ein solcher Titel. Und während man natürlich darüber streiten kann, ob er wirklich in seinem Jahrgang der Primus war, kann ich jeglichen Hohn oder Spott oder Geringschätzung hier absolut nicht verstehen. Denn das emotionale Ding ist noch immer enorm kraftvoll in seiner stoischen Ruhe und Gelassenheit und Hitze des sozialen Kampfes... Es geht um einen schwarzen Chauffeur, der die ziemlich anstrengende (und auch sehr vorurteilsbehaftete) Mutter eines erfolgreichen Geschäftsmannes fahren soll. Aus anfänglicher Skepsis, vor allem von ihrer Seite aus, entsteht über die Jahrzehnte eine tiefgreifende Freundschaft voller Erkenntnissen, Gemeinsamkeiten und gegenseitigem Respekt...

Selten hat man einen Film wie „Driving Miss Daisy“. In den 90ern genauso wenig wie heute. Warm, human, nicht perfekt, aber immer echt und fühlbar und nachvollziehbar. Fast schon klassisches Hollywoodkino. Wunderschön entschleunigt, aus der Zeit gefallen und dennoch noch immer mehr als aktuell. Nicht nur in den Staaten. Voller kleiner Gesten und aussagekräftigen Gesichtsausdrücken, Sekundenbruchteilen, Schnappschüssen, Details. Braucht nicht viele Worte um einen in seinen Bann zu ziehen und seine Punkte klar zu machen. Sicher nicht ohne kitschige Momente und einige Klischees, aber nie böse oder unangenehm. Ganz im Gegenteil. Dieser Wagen rollt smooth und zeitlos durch die heisse Luft des Südens. Freeman und Tandy spielen beide herausragend, mehr als das. Ersteren habe ich nie besser gesehen. In den letzten Jahren erst recht nicht, wo er gefühlt fast alles auf Autopilot runterspielt. Das Make Up, das die beiden altern lässt, ist ebenfalls top gelungen (anders als bei Dan Aykroyd). Was dann insgesamt zu einer famosen letzten Szene führt, die, in ihrer wortlosen Schlichtheit, dicke Tränen in meine Augen getrieben hat. Miss Daisy ist nicht einfach und nicht einfach zu mögen oder gar zu lieben. Ich hatte den ganzen Film über Probleme mit ihr. Recht große sogar. Doch in diesem Moment, in ihren Blicken, in diesen dankbaren Bissen, fiel sehr viel von mir ab und die Reise hatte sich gelohnt. Plus ein ganz simpler, feiner Score, den man viel zu selten hört. Der "Green Book" seiner Generation, irgendwo zwischen Ozu und Spielberg.

Fazit: warm, menschlich, emotional - „Driving Miss Daisy“ schildert auf sehr persönlicher und zugänglicher (und zugegebenermaßen manchmal etwas oberflächlicher) Weise die Evolution der Beziehung zwischen Schwarz und Weiß in den Südstaaten über einen entscheidenden Zeitraum. Sehr effektiv und anti-effekthascherich. Und wichtig. Trotz seines Kitsch, der mir hier mal rein gar nichts ausmacht. 

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