A Scanner Darkly…
...schwingt wild zwischen banaler Kifferkomödie, ernsthaftem Drogendrama und Science Fiction Polit-Thriller hin und her und klammert sich dabei so gut an seiner Story fest, dass er zum Glück nicht im Dreck aus Überambitioniertheit oder Belanglosigkeit landet.
Dies vermag vor allem schon wegen der abgedrehten Optik zu überraschen. Das Ergebnis des sogenannten „cell shading“ erinnert stark an den comichaften Look der Zwischensequenzen aus GTA Vice City oder San Andreas und hätte einige Regisseure mit Sicherheit dazu verleitet, sich in deren Umsetzung zu verlieren, anstatt sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Nicht so Richard Linklater der, wie gewohnt, seine Protagonisten und deren Schicksal im Auge behält, ihnen, die gerade bei einem solch außergewöhnlichen Projekt notwendige Authentizität verleiht und trotzdem genug Detailverliebtheit für die visuelle Gestaltung aufgebracht hat.
So ist z.B. der „Jedermann-Anzug“ nicht nur faszinierend anzusehen, sondern auch mit enormem Aufwand gestaltet. Bei diesem handelt es sich um eine Art Kleidungsstück, das sekündlich sein Aussehen verändert und bei dem mir, trotz häufiger Verwendung, während des gesamten Films keine Wiederholungen aufgefallen sind.
Gerade in der ersten Hälfte werden die Möglichkeiten der cell shading Technologie vor allem auch dafür genutzt, um aberwitzige Drogenflashs zu kreieren, die sich inhaltlich wunderbar in die Anfangsphase einpassen.
Geführte Gespräche erscheinen weitestgehend sinnfrei und erinnern dabei an eine Mischung aus „Spun“ und „Friday“. Wohingegen die Einstiegsszene mit den Blattläusen irgendwie den Fledermausangriff aus „Fear and Loathing“ ins Gedächtnis ruft.
Wie beiläufig werden die latent vorhanden Dramen-Pflänzchen, durch die Szenen die den geistigen und körperlichen Verfall der Figuren dokumentieren, aufgepäppelt und immer mehr in den Vordergrund geschoben, ohne das dabei nicht noch Zeit für darin liegende Komik übrig bleiben würde.
Gleichzeitig werden aber auch die Samen für die Thrillerelemente gesetzt. Immer wieder begleitet man Bob Arctor (Keanu Reeves) zu seinem nicht näher bestimmbaren Job bei einer etwas merkwürdigen Polizeiorganisation. Und wird, wie er selbst auch, im Ungewissen über seine genaue Funktion in dieser gelassen. Erst nach und nach wird klar, was er zumindest nicht ist und die schlussendliche Auflösung stößt einen, obwohl man irgendwie mit ihr gerechnet hat, doch heftig vor den Kopf. Die damit verbundene Aussage wandelt irgendwo zwischen einer Warnung und der Frage der Notwendigkeit eines Überwachungsstaates und der Kritik an der Politik, die Menschen oft nur als Schachfiguren eines bestimmten Problemkreises oder Zahlen in etwaigen Statistiken wahrnimmt.
Dabei gerät das Geflecht der Geschichte aber nicht aus den Fugen, sondern ergibt einen darüber hinausgehenden Sinn. Alles war für die sich in den jeweils anderen Bereichen abspielenden Entwicklungen notwendig: die Drogenflashs waren nötig für persönliche Entwicklung hin zum Junkie; der Junkie war Voraussetzung für die Auflösung und ohne die hinter der Auflösung stehenden Gedanken hätte Bob nie zu den Drogen gegriffen.
James Barris (Robert Downey Jr.), Ernie Luckman (Woody Harrelson) und Donna Hawthorne (Winona Ryder) sind mehr als Beiwerk, mehr als bloßer Unterhaltungswert, sie erscheinen plötzlich als essentielle Bausteine, die Robert Arctor genau dort hingeführt haben, wo er hin musste. Sie erfüllten einen Zweck der über das Gequatsche von der Anzahl an Fahrradgängen, dem Eigenbau eines Schalldämpfers oder dem Dasein als Riesenkakerlake in den Halluzinationen von Bob hinausging. Dies ist ein deutlicher Mehrwert zu den schon oben genannten „Spun“ oder „Fear and Loathing“, ganz zu schweigen von den Friday-Filmen.
Faszinierend ist auch, dass die Figuren trotz des „Filzstift-Überzugs“ so glaubhaft erscheinen. Dies liegt wohl vor allem auch daran, dass die Rollen jeweils dem Charakter entsprechend perfekt besetzt wurden. Ob dies eine Casting-Meiserleistung war oder ob die Herrschaften einfach den Freiraum bekommen haben, sich selbst zu spielen, kann ich nicht beurteilen - ist aber auch unerheblich, da das Ergebnis für sich spricht.
Klare 8/10 Punkte.
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- Spun
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