Review

Christopher Nolan - diesen Namen wird man sich merken müssen, nicht nur für kurze Zeit, sondern lebenslänglich, denn dieser Mann hat etwas absolut Einzigartiges geschaffen. Ein Werk von fast schon unmenschlicher Genialität, das den Zuschauer noch Tage lang verfolgt und diesen mit Fragen quält, auf die er keine Antwort weiß und ihn dadurch regelrecht zwingt, den Film noch einmal anzusehen, um endlich die volle Klarheit zu erlangen.

Selten zuvor hat mich ein Film so gequält, meine Gefühle nach dem ersten Anschauen waren etwa mit denen zu vergleichen, als ich nach "The Sixth Sense" aus dem Kino kam. Auch dort war ich von dem Ende so geschockt, daß ich nicht glauben wollte, was ich gerade gesehen habe und genau so erging es mir auch nach "Memento". Und weil einen dieser Film so quält und verfolgt, wird es auch kein Problem sein, diesen Namen zu behalten (sofern man nicht Leonhard Shelby ist), denn sein Film, "Memento" wird dich bis an dein Lebensende verfolgen und dir immer als einer der genialsten Geniestreiche des Filmgeschichte in Erinnerung bleiben.

Egal, was noch kommen wird in den nächsten Jahren, dieser Film wird immer außergewöhnlich sein. In ein paar Jahren wird "Memento" nicht nur Kultstatus haben und vergöttert werden (obwohl er das jetzt schon wird), er wird ähnlich wie beispielsweise der Meilenstein "Psycho" jedem Menschen, egal ob filminteressiert oder nicht, ein Begriff sein, denn diesen Film muß man einfach kennen und mindestens zwei- oder dreimal gesehen haben! Und wenn du dir nur zwei Sachen merken könntest, dann müßten das "Christopher Nolan" und "Memento" sein!

Das der Film bald ähnlich bekannt sein wird wie ein "Psycho", dessen bin ich mir hundertprozentig sicher und das, obwohl der Film im Grunde genommen ein unglaublich simple Story hat. Es geht um Leonhard Shelby, der nach dem Mord an seiner Frau sein Kurzzeitgedächtnis verloren hat und sich nichts mehr merken kann. All seine Erinnerungen hat er vor dem Mord an seiner Frau, nach diesem schrecklichen Verbrechen konnte er sich nicht länger als fünf Minuten merken. Sein "Leben" besteht aus beschrifteten Polaroids, auf denen er sich zu den Bildern der fotografierten Personen einige Notizen macht, die er für wichtig hält. Immer wieder erzählt er von Sammy Jankis, der unter der gleichen Krankheit litt und sein Leben ebenfalls nach Fotos lebte. Und immer wieder spricht er die Gefahr an, daß es wie bei Sammy auch ihm passieren könnte, diese Bilder und Zettel durcheinander zu bringen.

Dann jedoch erzählt er stolz, daß er besser aufpassen würde und sich ein System erschaffen hat, welches diese Gefahr nahezu auslöscht. Dieses sieht so aus, daß er sich die wichtigsten Details in die Haut tätowieren lässt. Trotz dieses überaus schweren Handicaps macht er sich auf die Suche nach dem Mörder, um sich an ihm zu rächen. Das ist alles - schlicht und ergreifend. Diese Handlung gab es schon unglaublich oft und es wird sie noch unglaublich oft geben, aber nie wieder in derart genialer Form, denn Multitalent Nolan ist es auf einzigartige Weise gelungen, aus dieser simplen Handlung einen der spannendsten, faszinierendsten und fesselndsten, aber auch verstörendsten Filme aller Zeiten zu schaffen. Denn nicht die Handlung ist das Einzigartige, das Geniale, sondern die Machart, die außergewöhnliche Inszenierung, durch die Nolan die unglaublich intensive Wirkung des Films maßgeblich beeinflusst.

Und wie hat er das gemacht, was ist das Geheimnis des Erfolges? Ganz einfach, er lässt die Handlung rückwärts laufen! Tag für Tag erleben wir die Geschehnisse in falscher Reihenfolge, das Ende, die letzte Einstellung der tragischen Geschichte sehen wir zuerst. Es ist ein Mann, der mit Kopfschuss hingerichtet wurde und nun in seiner Blutlache am Boden liegt. Darüber sehen wir ein klares Polaroid-Foto, das langsam verblasst und schließlich zurück in den Schlitz der Kamera geschoben wird. Der Mörder ist Leonhard und in den nachfolgenden 105 Minuten erfahren wir, wie es zu dieser Tat kam und wie Leonhard dieser Bestie auf die Spur gekommen ist. Er scheint am Ziel zu sein, es scheint so, als hätte er den Mörder seiner Frau gefunden und ihn für seine grausame Tat bestraft, nur ist dem Zuschauer sofort klar, daß es unmöglich so einfach sein kann - und er soll recht behalten, denn Nolan gelingt ein abgöttisch geniales, fast schon unmenschliches gutes Verwirrspiel, daß mit jeder Sekunde, die eigentlich Aufklärung schaffen sollte, noch mysteriöser und spannender wird, um am Ende mit einem einzigen Satz unendlich zu schocken und dem Zuschauer einen unglaublich deftigen Schlag in die Magengrube versetzt. Wie man dem Zuschauer mit einem einzigen, finalen Satz soviel Aufklärung und Schock gleichzeitig bereiten kann, ist unglaublich!

Ich verehre Nolan für diesen genialen Geniestreich, denn auf so etwas zu kommen, das verdient große Bewunderung. Viele werden sich jetzt dennoch fragen, wie um alles in der Welt man einen Film so derartig spannend gestalten und den Zuschauer so meisterlich fesseln kann, wenn das Ende, die endgültige Auflösung gleich mit dem ersten Bild präsentiert wird. Und das sei an dieser Stelle nicht verraten, denn es wäre schon fast ein Verbrechen, auch nur ein weiteres Wort über die genialen Schachzüge des Christopher Nolan zu verraten. Nur eines sei festzuhalten: nichts ist so, wie es am Anfang/Ende scheint. Erst zum Schluß/am Anfang wird man einigermaßen über die verwirrenden Ereignisse aufgeklärt, allerdings ist ein zweites Ansehen unbedingt notwendig, geradezu Pflicht, um den Film richtig zu verstehen, die ganzen kleinen Hinweise zu erkennen und schließlich richtig deuten zu können, um dann das Puzzle endgültig zu einem verblüffenden Ganzen zusammen zu setzen. Ich gehe sogar soweit und behaupte, die Schockwirkung des Endes kann man mit der meisterhaften Auflösung von "The Sixth Sense" vergleichen. Nur war der ansonsten nicht außergewöhnlich.

"The Sixth Sense" war ein äußerst spannender Gruselthriller, dessen überragende Auflösung zurecht in die Filmgeschichte eingegangen ist, aber er war nicht über die volle Länge außergewöhnlich - "Memento" schon! Und deshalb muß man die Pflicht, den Film ein zweites Mal zu sehen, nicht erst von jemand anderem auferlegt bekommen, man spürt dieses Bedürfnis selbst, und zwar ganz stark und glasklar!

Über die Handlung, die meisterhafte Inszenierung und die unglaublich geschickte Auflösung will ich jetzt keine weiteren Worte verlieren, es würde nur in hemmungslose Schwärmereien ausarten, weshalb ich nun zu den Schauspielern komme - um ähnlich zu schwärmen. In der Hauptrolle des vergesslichen Leonhard Shelby ist Guy Pearce zu bewundern. Bisher hat er unter anderem in Curtis Hanson's Film-noir-Meisterwerk "L.A. Confidential" neben Russel Crowe und Kevin Spacey gespielt und in dem unterschätzen "Ravenous - Friß oder stirb!" einen Offizier verkörpert. In ersterem Film war er wirklich große Klasse, der zweite verlangte nicht wirklich viel von ihm, weshalb mir diese Rolle auch nicht groß in Erinnerung blieb. Was er hier aber abliefert, ist schlichtweg Weltklasse! Über den Film "Memento" hat man auf der ganzen Welt geschwärmt, aber über Guy Pearce hat man sich vielerorts beschwert und das ist mir nicht nur unverständlich, das halte ich für eine Frechheit! Nie zuvor (und vermutlich auch nie wieder in der Zukunft) hat er eine so überragende Leistung gezeigt! Warum man sich hier beschwert, ist mir ein Rätsel, denn er verkörpert den vergesslichen, verzweifelten Witwer, der sich auf Mörderjagd begibt, absolut glaubhaft und realistisch.

Es ist eine wahre Freude, seinem ruhigen Spiel zuzusehen, wenn er sich mit Carrie-Ann Moss unterhält. Eine Freude ist es aber auch, seinem hibbeligen Spiel zuzusehen, wenn er beispielsweise mit den vielen Fotos rumhantiert. Insgesamt gesehen bringt er seine Rolle und den verzweifelten Charakter seiner Figur überzeugend und realistisch rüber, weswegen er meiner Meinung nach ein echter Glücksgriff ist. Der Dank gilt hier neben Pearce selbst natürlich Christopher Nolan, denn anstatt die Rolle mit einem Hollywoodschönling zu besetzen, hat Nolan auf den relativ unbekannten Newcomer vertraut, dem der große Durchbruch noch bevor steht (oder jetzt mit "Memento" gelungen ist!) und wurde dafür mit dieser bewundernswerten Leistung belohnt. Das nenne ich ausgleichende Gerechtigkeit!

Außer ihm spielen nur noch zwei andere Schauspieler eine tragende Rolle. Die erste ist Carrie-Ann Moss, bekannt als Trinity aus "Matrix". Auch hier kann man Nolan zu einer mutigen Entscheidung gratulieren, denn das Ex-Model hat bisher lediglich in dem oben genannten Sci-Fi-Film eine größere Rolle gespielt, allerdings mußte sie da nicht allzu viel schauspielerisches Talent zeigen, sondern lediglich um sich schlagen und treten, um fiese Angreifer abzuwehren. Warum Nolan gerade sie für die Rolle der Natalie wollte, kann ich nicht sagen (vermutlich hat er einfach ein Gespür für tolle Schauspieler), allerdings belohnt auch sie ihn mit einer sehr guten Leistung. Als undurchsichtige, durchtriebene Femme Fatale überzeugt sie auf ganzer Linie.

Der Einzige des Trios, der sich schon vorher als brillanter Charakterschauspieler einen Namen gemacht hat und ebenfalls im Sci-Fi-Meisterwerk "Matrix" mitspielte, ist Joe Pantoliano, der hier den Teddy spielt. Den Mann, den man in der ersten Einstellung mit zerschossenem Kopf in seiner Blutlache liegen sieht. Im Verlauf der Handlung zeigt er viele Gesichter, auch seine wahre Identität kommt ans Licht und nicht anders als erwartet verkörpert er all diese Gesichter mit großer Hingabe und noch größerem Talent. Seine Wandlungsfähigkeit hat er mehrmals bewiesen (unter anderem in seiner genialen Rolle in "Bound - Gefesselt"), auch in "Memento" zeigt er alles, was er kann und wird damit dem Film fast ebenbürtig.

Nun zu meinem Fazit: Was soll ich zu diesem Film denn überhaupt noch sagen? Die an sich recht simple Handlung wird von dem Genie Christopher Nolan durch einfaches Rückwartslaufen zu einem hochspannenden, abgöttisch genialen und genial faszinierenden Psychoreißer, der nicht nur durch die meisterhafte Inszenierung und die unglaubliche Spannung zu einem einzigartigen Erlebnis wird, sondern auch durch die meisterlichen Leistungen der drei (Haupt-)Darsteller ewig im Gedächtnis bleiben wird. Wie ich schon sagte, verleitet einen dieser Film zu stundenlangem Überlegen, aber auch zu unendlichem Schwärmen, da man angesichts dieser unmenschlichen Genialität einfach baff ist. Seit vorgestern freue ich mich unendlich auf den Film "Insomnia", die zweite Arbeit von Christopher Nolan. Wieder so ein geheimnisvoller Titel, wieder topbesetzt, was soll da bei einem solchen Genie als Regisseur noch schief gehen?!

Wer meine Kritik gelesen hat, wird sich denken können, auf welche Wertung es hinauslaufen wird. Für einen der beeindruckendsten, spannendsten und faszinierendsten Filme, die ich je sehen durfte, gibt es die klar Note 10 !

Details
Ähnliche Filme