Airport `77
Zweites Sequel der Katastrophenfilm-Serie, das konsequent den mit Airport 75 eingeschlagenen Weg der Achterbahn-Idee fortsetzt. Die völlig austauschbaren Figuren bleiben nur durch die Namen ihrer Darsteller im Kurzzeitgedächtnis, es zählt allein das knallige Spektakel.
Am Flughafen ist die Hölle los, zumindest im Katastrophenkino der 1970er Jahre. Zum Auftakt gab es ein Bombenattentat auf eine voll besetzte 747. Vier Jahre später rasierte ein Kleinflugzeug dasselbe Boing-Modell und zwang die arme Chefstewardess in den Pilotensessel. Diese Schreckensszenarien noch zu steigern, ist durchaus eine Herausforderung, aber glücklicherweise gibt es in Hollywood Spezialisten für solch unmögliche Missionen. Nein, auf Tom Cruise konnte man da noch nicht zurück greifen, aber dafür auf das bis dato unbeschriebene Autorenblatt Michael Scheff und David Spector. Die beiden Novizen dachten sich wohl wir hatten bereits eine Bedrohung von innen (Sprengstoff) sowie eine von außen (Kollision), da wäre es doch so richtig pfiffig beides zu fusionieren und mit dem noch ausstehenden Crash zu krönen. In der Praxis sieht dieses Abstrusitätenkabinett dann wie folgt aus:
Eine Bande geldgieriger Kunstdiebe kommt auf die geniale Idee, den privaten Jumbo des Philanthropen Philip Stevens zu entführen um der sich an Bord befindenden Kunstschätze habhaft zu werden. Fluggäste und Crew sollen mit Gas betäubt, die Boing auf einer einsamen Insel unbemerkt gelandet und die Raubgüter dort umgeladen werden. Klingt fast nach einem James Bond-Szenario, leider ohne Super-Agent und ohne Super-Bedrohung. Der von Altstar Jimmy Stewart als tattriger Langweiler gespielte Mäzen ist niemand, den man um irgendeinen Verlust bedauern würde, schon gar nicht um sein zusammen gerafftes Kunstspielzeug. Die allesamt ebenfalls gut betuchten Fluggäste gehören entweder zu seiner beruflichen oder persönlichen Entourage, was ihren Sympathieträgerwert nicht gerade in schwindelerregende Höhen treibt. Als James-Ersatz fungieren dann diesmal auch keine Testosteron-Granaten wie in den Vorgängerfilmen (u.a. Burt Lancaster, George Kennedy und Charlton Heston), sondern Komiker-Legende Jack Lemmon, der trotz schwarzer Pilotenjacke und schneidigem Schnauzer so raubtierhaft wirkt wie ein Stubenkater.
Letztendlich ist Lemmon aber eine treffliche Wahl, ist doch seine unaufgeregte Bodenständigkeit ein wohltuender Kontrast zum irrwitzigen Katstrophenszenario mitsamt seinem versnobten Schaubudenpersonal und vor allem seinem Aluminium-Protagonisten. Nicht nur dürfte die Air Force One ob der mondänen Ausstattung der Stevenschen 747 vor Neid erblassen, auch hätte man dort sicher auch gern das Geheimnis einer von äußeren Einflüssen völlig unbehelligten Bewegungsfreiheit entschlüsselt. Selbst beim Start kann der Barmann seelenruhig Drinks mixen, können sich die geldigen Rentner ungestört ihrer Glücksspiel-Leidenschaft widmen und kann der Rest wie auf einer Uferpromenade durch die Gänge flanieren. Selbst bei ihrer unfreiwilligen Wasserung zeigt sich die Boing bestens gerüstet und trägt nur ein paar Schrammen davon. Gut, schwimmen kann sie dann doch nicht, aber einmal untergetaucht, offenbart sie ungeahnte U-Boot-Qualitäten.
Airport `77 - in der BRD prangte der wesentlich treffendere weil reißerischere Titel Verschollen im Bermuda-Dreieck auf den Postern - ist also in vielerlei Hinsicht eine konsequente Weiterentwicklung der inzwischen zur Trilogie angewachsenen Serie. Blieb das Original (Airport, 1970) noch in zentralen Bereichen auf dem Boden halbwegs realistischer Tatsachen und zeigte sich vor allem interessiert an den persönlichen Dramen seiner Figuren, verschob sich der Fokus im Sequel Airport 75 (1974) schon spürbar in Richtung knalligem Spektakel und kernigem Heroismus. Im dritten Film wird die Achterbahn-Idee dann endgültig zum Programm. Der unfreiwillige Bermuda-Tauchgang sowie der Bond-Schurken-Plan (allerdings hätten sich die cleverer angestellt) sind purer Pulp. Captain Don Gallagher mag wie ein Zwergpinscher wirken, aber seine Taten sind die eines Bullterriers. Kaum aus der Betäubung erwacht verarztet er die gröbsten Notfälle, beruhigt Hysteriker(innen), analysiert sämtliche Schäden, stopft Lecks und taucht schließlich einmal rauf (fürs Notrufsignal) und wieder runter (für die Bergung).
Es standen also alle Zeichen auf Turniersieg. Dass es schlussendlich nur für Bronze reicht, liegt an der schlampigen Umsetzung. Es reicht eben nicht, ein paar altbekannte Namen - neben Lemmon und Stewart checkten auch noch Joseph Cotton, Olivia de Havilland und Christopher Lee ein - an Bord zu nehmen, wenn ihre Figuren so interessant und vielschichtig wie ein Bordmenü in der Holzklasse daher kommen (die Degradierung von Airport-Urgestein George Kennedy zum Cameo-Gag rächt sich so besonders). Auch genügt es nicht, auf das Spannungspotential einer klassischen U-Boot-Katastrophe zu setzten, wenn man dazu lediglich auf einen überschaubaren Wassereinbruch und ein paar Knarzgeräusche baut. Dass diese Plattheiten für die gestrandete Boing bedrohlicher als der Wasserdruck scheinen, ist jedenfalls kein Ruhmesblatt.
Dennoch rettet auch hier der hohe Camp-Faktor den Film vorm Absaufen. Zumal die irrwitzige Katastrophe recht ansehnlich getrickst ist. Sowohl in der Luft wie auch unter Wasser gibt es ein paar schicke Modell-Einstellungen zu bewundern. Insbesondere reißt aber die finale Rettungsaktion einiges wieder raus. Der Mix aus echten Schiffen, realen Bergungsmethoden und tricktechnischer Expertise fügt sich zu einem homogenen Spektakel zusammen. Das Publikum goutierte diese Leistung mit einem weiteren Box Office-Erfolg und machte damit auch den Weg frei für einen ganz besonderen Knaller: eine eigene, interaktive Themenpark-Attraktion in den Universal Studios Hollywood. So konnten Airport Fans auf der beliebten Studio-Tour in nachgebauten Sets nicht nur verschiedene Charaktere nachspielen, sondern sich sogar dabei filmen lassen. Als Belohnung gabs eine Sondervorführung vor Ort sowie eine VHS für die heimische Nachbetrachtung. Dass manche Laien-Darsteller besser spielten als ihre professionellen Vorbilder, sind indes nur böse Gerüchte. In jedem Fall eine witzige Idee, die damit nicht nur dem Camp-Gehalt der Airport-Filme huldigt, sondern auch ihrem unzweifelhaften popkulturellen Impetus.